Genetische Strukturen verändern, um die menschliche Rasse “zu verbessern”?

Genom
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Technik und Mensch

Kürzlich wurde das menschliche Genom vollständig aufgeschlüsselt. Die Sequenz des menschlichen Genoms, Frucht der Arbeit von 16 Laboren rund um die Welt, liefert die genaue Anordnung von praktisch allen drei Milliarden Buchstaben des menschlichen genetischen Codes (wir berichteten darüber). Die Ankündigung fiel mit dem 50. Jahrestag der öffentlichen Bekanntgabe der dreidimensionalen Struktur der DNS durch James Watson und Francis Crick zusammen.

Wissenschaftler, die dem Gremium angehören, das den US-amerikanischen Teil des Projekts mit Sitz am ‚National Human Genome Research Institute‘ (dem nationalen Forschungsinstitut für menschliche Genome) der nationalen Gesundheitsinstitute, leitet, kündigten unmittelbar danach Pläne für neue Forschungen über die Rolle der Gene bei Rasse und ethnischer Zugehörigkeit, Persönlichkeitsmerkmalen- und Verhaltensmustern und anderen Aspekten der menschlichen Natur an.

Informationen, die aus dem Projekt herrühren, erweisen bereits ihre Nützlichkeit, berichtete die britische Tageszeitung “Guardian”: Schon ein einzelner Teil der Arbeit -- die Sequenzierung von Chromosom 20 -- hat bereits die Suche nach Genen beschleunigt, die bei Diabetes, Leukämie und Ekzem im Kindesalter beteiligt sind, teilte Allan Bradley, der Direktor des Sanger Instituts in Grossbritannien, mit.

“Gesundheits-Horoskope”

Die genetische Forschung hat jedoch bereits massenweise neue Probleme hervorgebracht. Testmaterialien, die versprechen, die Leute über ihre genetischen Defekte zu informieren, florieren in den Vereinigten Staaten und verbreiten sich zunehmend in Grossbritannien, heisst es im Londoner “Observer”. Sie titulieren sich und erheben den Anspruch, mit Gewissheit prognostizieren zu können, welche Krankheiten sich eine Person als Folge vererbter Eigenschaften mit Wahrscheinlichkeit zuziehen wird.

“Das ist gefährlich”, warnt Dr. Hugh Montgomery, angesehener Dozent in Genetik am University College in London. “Es handelt sich hier um schlechte Wissenschaft und um eine schlechte Idee. Wir haben einfach nicht genug Informationen, um grössere Gesundheitsrisiken einigen dieser Gene zuordnen zu können. Die Situation ist viel komplexer, und wir wissen einfach nicht, wie einige dieser Gene sich gegenseitig beeinflussen.”

Ähnlich warnte am ein Artikel in der “New York Times,” dass die Tests uns in Gefahr bringen, “wie Francis Fukuyama es ausdrückt, ‚unserer posthumanen Zukunft' entgegen zu schlittern, ohne öffentliche Aufklärung oder Debatte und ohne angemessene Gesetze, die eine genetische Diskriminierung verhindern könnten.”

Mögliche Diskriminierung

In Grossbritannien bemerkte Sir Paul Nurse, Nobelpreisträger und Leiter der Wohlfahrtseinrichtung ‚Cancer Research‘ (Krebsforschung), man erwarte, dass Fortschritte in der Genetik die Ära einer personalisierten Medizin und präventiver Behandlungen eröffnen. Aber, so warnte er, sie könnten auch zu Diskriminierung durch Versicherungsgesellschaften und Arbeitgeber gegenüber Menschen mit genetischen Defekten führen, berichtete “Reuters”.

“Dieses Thema ist zu wichtig, als dass man es Wissenschaftlern und Verfassern von Richtlinien allein überlassen dürfte”, erklärte Nurse vor einer Versammlung, die unter der Schirmherrschaft der Royal Society, Grossbritanniens Akademie der Wissenschaften, stattfand. “In den kommenden Jahren werden sich für die Menschen immer mehr Gelegenheiten bieten, genetische Tests in Anspruch zu nehmen und einen Blick in ihre genetischen Schicksale zu werfen, aber die Gesetzgebung muss mit der Technologie im Tempo mithalten und mithelfen, eine faire und gerechte Gesellschaft zu gestalten.”

Werbung die unnötig Angst einjagt

Ethische Bedenken werden, wie es scheint, jetzt schon im Eifer des Gefechts, in dem es um die Kommerzialisierung des genetischen Testens geht, geflissentlich übersehen. Laut “Boston Globe” gab Myrian Genetics im letzten Herbst und Winter drei Millionen Dollar aus, um für Tests zur Feststellung der Anfälligkeit für Brust- und Eierstockkrebs zu werben. Die Werbeanzeigen zielten auf Frauen in Denver und Atlanta.

“Die Gefahren dieser Art von Werbung werden die Vorteile für den Durchschnittsmenschen weit überwiegen”, warnte Ellen Matloff, Leiterin der genetischen Krebsberatung am Krebszentrum der Yale Medical School in New Haven, Connecticut. “Sie wird unnötigerweise einer Vielzahl von Frauen Angst einjagen, die dann ihre Ärzte mit einer Flut von Bitten um unnötige Tests überhäufen werden.”

Nur fünf bis zehn Prozent der Fälle von Brustkrebs würden von genetischen Faktoren verursacht, hob der “Boston Globe” hervor. Und die meisten Frauen, die Brustkrebs bekommen, wiesen nicht die Mutationen auf, nach denen bei dem Test gesucht werde.

Als Antwort auf Befürchtungen über genetische Tests erklärte die britische Regierung, dass diese normalerweise nicht an die Allgemeinheit verkauft werden sollten, berichtete die “London Times”. In einem Bericht der Kommission für menschliche Genetik hiess es, dass direkte Verkäufe solcher Tests schwer wiegende Fragen aufwürfen. Und die Kommission drängte darauf, dass ein “festes aber flexibles” Regulierungssystem eingerichtet werden solle, um diesen Verkauf unter Kontrolle zu halten.

Die Kommission empfahl, dass Firmen, die Tests direkt für die Allgemeinheit auf den Markt bringen wollten, einen Regulator überzeugen müssten, dass der Text nötig sei. Und diejenigen, welche die Tests vermarkten, sollten eine Ausbildung und Sachkenntnisse haben, um die Kunden gut beraten zu können.

„Der Mensch versucht Gott nicht“

Eine weitere strittige Frage ist, ob Wissenschaftler danach streben sollten, genetische Strukturen zu verändern, um die menschliche Rasse “zu verbessern”. Einer der Entdecker der DNS-Struktur, James Watson, ist entschiedener Befürworter solchen Tuns, berichtete die “London Times”.

Watson, zurzeit Vorsitzender von ‚Cold Spring Harbor Laboratory‘ im Staat New York, sagte, falsche Einwände von linksgerichteten und religiösen Gruppen verlangsamten das Tempo der medizinischen Fortschritte, die auf die Genetik angewiesen seien. “Ich glaube, man sollte in der Lage sein, alles zu tun, was man kann, um das menschliche Leben zu verbessern”, sagte er.

Vor den Teilnehmern eines Galadiners in der Londoner Guildhall, sagte Watson: “Ich sehe die Genetik nicht als etwas, das Gott beleidigt, da ich nicht denke, dass es da draussen Götter gibt.” Auch die “Times” bemerkte, dass Watson sich kürzlich gegen ein Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen einsetzte.

Andere weisen auf die Gefahren hin, die das Manipulieren mit menschlichen genetischen Strukturen mit sich bringt. In einem Aufsatz für die “Los Angeles Times” begrüsste Bill McKibbon, der Verfasser von “Genug: Mensch bleiben in einem von der Technik beherrschten Zeitalter”, zwar die Feiern zum Jahrestag der Entdeckung der DNS.

Programmierte Halbroboter?

Er schrieb jedoch warnend: “Die jüngsten Pläne Watsons und seiner Anhänger sind ungeheuerlich.” Solche Projekte “freuen sich auf eine Welt von Kindern nach dem Katalog, die sich womöglich ihr ganzes Leben lang mit der Frage herumschlagen, welche ihrer Impulse echt und welche das Produkt eines Eingreifens in ihrem embryonalen Stadium sind. Solche Programme setzen an die Stelle des Schicksals und des freien Willens, die immer im Zentrum dessen standen, was Menschsein bedeutet, durch eine Art genetischer Prädestination, die unsere Kinder als Halbroboter zurücklassen wird.”

Er fügte hinzu: “Eine Spezies, die intelligent genug ist, die Doppelhelix (Watson-Crick-Spirale) zu entdecken, sollte auch klug genug sein, mehr oder weniger die Finger davon zu lassen.”

Dr. Leon Kass steht ebenfalls dem Trend zu genetischem Konsumismus mit Argwohn gegenüber. Kass, Vorsitzender des ‚Council on Bioethics‘(Bioethikrates) des Präsidenten, kommt auf das Thema in einem Aufsatz in seinem jüngsten Buch, “Leben, Freiheit und die Verteidigung der Würde: Die Herausforderung für die Bioethik” zu sprechen.

Die genetische Technologie, bemerkt er, “wurde ins Leben gerufen als Teil des grossen humanitären Projektes, Krankheiten zu heilen, Leben zu verlängern und Leiden zu lindern. Als solcher hat sie den hohen moralischen Anspruch mitfühlenden Heilens.”

Aber diese selbe Technologie, betont er, “stellt auch etwas radikal Neues und Besorgnis erregendes dar. Wir sollten die Versuche einiger Wissenschaftler zurückweisen, die es darauf anlegen, die Debatte über die Gentechnologie als ‚einen Kampf einer auf Wohltätigkeit bedachten, von Sachkenntnis geprägten Klugheit gegen ignorante, abergläubische Ängstlichkeit‘ darzustellen.”

Die genetische Manipulation, schreibt Kass, ist wesentlich verschieden von anderen medizinischen Technologien. Erstens werden Veränderungen an den genetischen Strukturen des Menschen auf nachfolgende Generationen übertragbar sein. Zweitens kann die Gentechnologie im Stande sein, menschliche Fähigkeiten zu schaffen oder zu verbessern und daher neue Massstäbe für Fitness und Gesundheit zu setzen.

Ausserdem sind die genetische Technologie und die Verfahren, die sie hervorbringen wird, moralisch und menschlich nicht neutral, warnt Kass. Schliesslich würden Wissenschaftler auf Grund von genetischen Informationen darüber entscheiden, ob andere Menschen es wert seien, zu leben oder zu sterben. Und die Versuchung, Designerbabys zu erzeugen, werde es mit sich bringen, dass das entstehende Menschenleben zu einer Ware degradiert wird.

Kass schloss mit der Warnung, dass die Vernarrtheit in den wissenschaftlichen Fortschritt die Gefahr mit sich bringe, den Sieg über die Unberechenbarkeit der Natur zu feiern, “nur um uns auf tragische Weise einer noch grösseren Unberechenbarkeit zu unterwerfen, nämlich der unseres launischen Willens und unserer unbeständigen Meinungen.”

Es könnte sein, dass die Wissenschaft ein Problem gelöst hat, nur um weitere zu schaffen. Vielleicht wird die Gentechnologie einmal im Stande sein, menschliche Fähigkeiten zu verbessern Eine erprobte Verbesserung des Menschen gelingt aber ganz sicher schon jetzt dort, wo sich Menschen zu Gott hinwenden - ohne medizinische Nebenwirkungen.

Datum: 14.05.2003
Quelle: Zenit

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