Gute Nachrichten für schlechte Zeiten
Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Der bekannte Leitsatz aus dem Journalismus gilt auch für christliche Medien. Deshalb gilt auch hier eine Meldung über Fehlentwicklungen, Skandale oder Übergriffe gegen Christen mehr als ein freundlicher Bericht über eine gute Entwicklung. Du liest oder hörst von positiven Trends. Davon, dass zurzeit mehr Bibeln verkauft und gelesen werden. Davon, dass sich auch in Europa wieder mehr Menschen für den Glauben interessieren und die Kirchen besuchen. Oder von Prominenten und Normalos, die mit Jesus leben möchten. Wunderbar! Doch sobald du so etwas hörst, meldet sich deine innere Stimme mit einem grossen «Aber…» Und es scheint so, als wäre das Positive nur ein kleines Aufbäumen inmitten einer globalen Abwärtsentwicklung. Es scheint so, als wäre die Realität dramatisch schlechter und der Glaube stark bedroht.
Die «böse Welt»
In den USA erschien vor einer Weile das Buch «Life in the Negative World» (Leben in der negativen Welt) von Aaron Renn. Nun muss man nicht über den grossen Teich schauen, um Titel wie diesen zu finden. Zahlreiche christliche Verlage in Deutschland und der Schweiz haben sich das prophetische Mahnen und Warnen ebenfalls auf die Fahnen geschrieben und publizieren sachliche Analysen wie «Die Utopia-Methode. Der neue Kulturkampf gegen Freiheit und Christentum» von Giuseppe Gracia oder polemische Pamphlete wie «Ist das euer Ernst?» von Peter Hahne.
Interessant ist eine kritische Reaktion auf das oben erwähnte US-Buch durch den New Yorker Pastor Pete Nicholas bei «Christianity Today», die weit über diesen einzelnen Titel hinausgeht. Sie beschäftigt sich mit der Grundeinstellung dahinter. Nicholas ist der Nachfolger des verstorbenen Autors und Pastors Tim Keller in der Redeemer Church. Und im Sinne seines Vorgängers plädiert er «für eine Alternative, die sich auf den historischen Reichtum von Gottes Gemeinschaft und Gottes Wort stützt». Er nennt sie «gospel centrality» – das Evangelium im Zentrum.
Das Evangelium im Zentrum
Renn – und viele seiner Kolleginnen und Kollegen – gehen davon aus, dass Kirche heute die Wahrheit stärker in den Mittelpunkt stellen muss, um sich gegen eine woke Gesellschaft zu positionieren. Nicholas sieht in diesem Grenzenziehen eine Gefahr für das Evangelium. Wer ihn und Tim Keller kennt, weiss, dass die beiden nicht zu denen gehören, die dem Zeitgeist unkritisch gegenüberstehen, trotzdem unterstreicht er: «Das Evangelium im Zentrum ist ein Ansatz, der so alt ist wie die frühe Kirche, die in einigen der härtesten kulturellen Klimazonen der Kirchengeschichte nicht durch Rückzug, sondern durch Herauskommen blühte. Das erfordert eine vom Geist erfüllte Hoffnung neben klaren Überzeugungen vom Evangelium – und es ist ein Ansatz, der in jeder Welt funktioniert, ob positiv, neutral oder negativ.»
Wie Keller stellt auch Nicholas die Person von Jesus Christus dabei als Verkörperung des Evangeliums in den Fokus. Dabei geht es ihnen nicht um ein stärkeres Betonen von Gnade oder ein deutlicheres Unterstreichen der Wahrheit, sondern um beides zusammen. «Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit», unterstreicht das Johannesevangelium diese Besonderheit. Evangelium heute bedeutet also weder einseitigen Schmusekurs noch das Zeigen von «klarer Kante», wie es viele fordern. Nicholas meint: «D. A. Carson hat die zentrale Bedeutung des Evangeliums ähnlich formuliert, als er schrieb, dass es ‘alles, was wir in der Ortsgemeinde tun, unsere gesamte Ethik und alle unsere Prioritäten prägen sollte’. Nur dann kann das Evangelium echte Erneuerung bewirken.»
Kein Moralisieren
Den zahlreichen Büchern zum Zeitgeist ist gemeinsam, dass sie «Feinde» identifizieren, die am Niedergang der Gesellschaft schuld sein sollen. Für Renn ist dies der «Wokeism», der angeblich seit 2014 alles zum Schlechteren geführt hat. Ähnliches gilt für den Schweizer Gracia, der dahinter einen «Great Reset» sieht, eine «links-grüne, woke Gesellschaftsmoral». Allen gemeinsam ist, dass damit einzelne ethische Fragen zu Testfragen eines scheinbar echten Glaubens werden. Nicholas setzt dagegen: «Christus und seinem Evangelium zu gehorchen ist jedoch mehr als nur das Ausleben bestimmter herausfordernder ethischer Standpunkte in kulturell heissen Bereichen. Es ist ein Aufruf zum Glauben, der in die Tiefe geht und unsere Herzen bei der Bildung unseres Charakters verändert.» Natürlich hat das Evangelium konkrete und ethisch relevante Auswirkungen. Keller und Nicholas betonen aber: «kulturell oder ethisch christlich zu sein, ist jedoch nicht das Ziel des Evangeliums im Zentrum. Die Pharisäer waren ebenso scharf auf den Aufruf, moralisch zu sein…»
Angstfreies Evangelium
Sowohl theologisch als aus seiner Gemeindepraxis im säkularen New York unterstreicht Nicholas: «Die Welt braucht nicht noch mehr ängstliche Gestalten, die über die Kluft hinweg schreien, auch wenn ihre Rufe wahr sein mögen. Die Kultur insgesamt sehnt sich nach einem anderen Charakter in unserem Verhalten.» Eine Barna-Umfrage von 2021 scheint dies zu belegen. Demnach sucht die Generation Z (Jahrgang 1997–2021) im Evangelium Werte wie nicht verurteilendes Zuhören, gegenseitiges Verständnis, ruhige und natürliche Konversation, Worte, auf die Taten folgen, gesunde Meinungsverschiedenheiten und sichere Beziehungen. Dies sind zeitgebundene Erwartungen, aber es ist frappierend, wie stark die Überschneidung mit der biblischen «Frucht des Geistes» ist: «Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung». Diese konstruktiven Punkte reden schlechte Aspekte der Gesellschaft nicht schön. Aber sie legen den Fokus auf etwas anderes: weg von Feindbildern hin zu Menschen, die Gott liebt; weg von Kulturkampf, hin zum Evangelium im Zentrum. Denn: Nur gute Nachrichten sind gute Nachrichten. Auch in schlechten Zeiten.
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Datum: 05.05.2025
Autor:
Hauke Burgarth
Quelle:
Livenet