Zürcher Kirchenrat

Noch ein Kandidat fürs Präsidium

Am 15. März wählt die Zürcher Kirchensynode den neuen Kirchenratspräsidenten. Als Alternative zu den zwei Kandidaten der Fraktionen haben einige Synodale Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist portiert.
Im Zürcher Rathaus wird am 15. März der neue Kirchenratspräsident gewählt.
«Hoffnung ausstrahlen», Michel Müller.
Will es wissen: Christoph Sigrist in der Grossmünstersakristei. (Foto: Peter Schmid)
«Gehen wir zu den Menschen in ihren Räumen», Andrea Bianca.

Die Kampfwahl um das Zürcher Kirchenratspräsidium wird spannender. Bisher waren Kirchenrat Andrea Marco Bianca und Pfr. Michel Müller im Rennen. Bianca (50), Pfarrer in Küsnacht an der Goldküste, gehört der Kirchenleitung seit 2007 an. Die Liberale Fraktion stellte ihn bereits damals mit Blick auf die Nachfolge von Ruedi Reich auf. Reich kam aus der religiös-sozialen Fraktion; er ist krankheitshalber auf Ende 2010 zurückgetreten.

Der Synodalverein, die dritte grosse Fraktion im Zürcher Kirchenparlament, portierte nach einem längeren internen Prozess im Januar ihren Vorsitzenden Michel Müller (47), Pfarrer in Thalwil. Die vierte Gruppe in der Synode, die evangelisch-kirchliche Fraktion, könnte am 15. März das Zünglein an der Waage spielen.

Grossmünsterpfarrer

Zwei Mitglieder des Synodalvereins und je ein Angehöriger der übrigen Fraktionen haben nun als dritten Kandidaten Christoph Sigrist (48) portiert. Der Grossmünsterpfarrer und Diakoniedozent wird in einer Medienmitteilung als «Persönlichkeit mit Rundumprofil» und mit Führungserfahrung gelobt. Sigrist hat das Zürcher Spendenparlament gegründet und geleitet und die kirchlichen Begleitprojekte zur Fussball-EM 2008 koordiniert. Er könne Visionen nachhaltig gestalten, schreiben seine fünf Unterstützer. «Er kann dabei sowohl die Freude als auch den Ernst des Evangeliums ansteckend vermitteln.»

Gemeindebauer

Alle drei Kandidaten wirken als Pfarrer, wobei die Vorortsgemeinde Thalwil reformierter Normalität am nächsten kommt. Der aus dem Baselbiet stammende Michel Müller, einst im Cevi tätig, wirkt in Thalwil seit 1994, mit Akzenten im Gemeindeaufbau, der Begleitung und Schulung von Jugendlichen und der theologischen Ausbildung. Seit 1999 gehört er der Kirchensynode an, ab 2004 dem Vorstand des Synodalvereins, den er seit einigen Monaten präsidiert, seit 2007 der Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK. Bei der Gesamtrevision der Kirchenordnung 2008 leitete Müller die Kommission «Verkündigung und Gottesdienst». Er will der Entwicklung von Gemeinden, «ausgehend vom verkündigten und gelebten Evangelium im Zentrum», sein Augenmerk schenken.

Grenzwanderer

Andrea Bianca, Sohn eines Waldensers und einer Lutheranerin, wechselte in seiner Jugend in die reformierte Kirche und ergänzte sein Theologiestudium mit einem Jahr in Berkeley, Kalifornien. Fünf Jahre war er Assistent am praktisch-theologischen Institut der Uni Bern; seit 1996 arbeitet er im Gemeindepfarramt in Küsnacht. Für Aufsehen sorgte er unter anderem mit Ritualen und Rock-Gottesdiensten. Die Synode wählte ihn 2007 in den Kirchenrat, wo er das Ressort Gemeindedienste leitet. Als liberaler Theologe hat Bianca Bemühungen der Landeskirche für den Gemeindeaufbau und die Populärmusik in Gottesdiensten gefördert. «Die Landeskirche soll offen sein», schreibt Bianca in seiner Bewerbung. «Offen für eine christliche Spiritualität, die nach neuen Ausdrucksformen sucht.»

Privates

In unterschiedlicher Weise hat das Privatleben der beiden zu reden geben:

Die Fernsehsendung «SF bi de Lüüt» zeigte in mehreren Folgen Szenen aus dem Alltag der Pfarrfamilie Müller, die zwei Buben und eine kleinwüchsige Tochter hat. Bianca, Vater zweier Teenager (16 und 18 Jahre), ist geschieden und seit 2010 mit der ebenfalls geschiedenen Schaustellerseelsorgerin Katharina Hoby liiert.

Der Tages-Anzeiger zitierte die nüchterne Meinung eines Synodalen, für keinen der beiden «valablen Kandidaten» gebe es grosse Begeisterung. Michel Müller hatte sich fraktionsintern nur knapp gegen den Nicht-Synodalen Christoph Sigrist und die ehemaligen Kirchenrätin Anemone Eglin durchsetzen können. Nun ist der umtriebige Grossmünsterpfarrer, der sich schon 2007 bei den Liberalen beworben hatte, doch im Rennen, was den Wahlausgang noch unvorhersehbarer macht.

…und eine Protest-Kandidatur

Gar keine Chance aufs Präsidium der zweitgrössten reformierten Landeskirche am Ort, da die Schweizer Reformation begann, kann sich ein vierter Kandidat ausrechnen. Pfr. Hans-Peter Geiser stellte sich selbst auf. Er war bis 2004 Pfarrer der Kirchgemeinde Zürich-Saatlen. Nach Konflikten und einem schweren Zerwürfnis in der Gemeinde wurde er vom Kirchenrat abberufen. Seither hat er mehrfach mit Eingaben und Protesten öffentlich Aufsehen zu erregen versucht.

Mehr auf der Website der Zürcher Landeskirche

Datum: 11.02.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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