Indonesische Christen wehren sich gegen militante Muslime
Tausende von Christen versammelten sich laut der Jakarta Post am letzten Samstag, um gegen den Islamisierungsdruck im Herzen des Inselreichs, auf Java, zu protestieren. Prominente Vertreter toleranter islamischer Bewegungen, unter ihnen der frühere Präsident Abdurrahman Wahid, marschierten mit.
Schadensbegrenzung an der Aussenfront
Am Sonntag bemühte sich der amtierende Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, grösseren politischen Schaden abzuwenden; angesichts der Wirtschaftskrise will sich Jakarta Menschenrechts-Vorwürfe ersparen. Er betonte, der indonesische Staat garantiere jedem Bürger Glaubensfreiheit.
Die Staatsorgane und die Öffentlichkeit müssten Gewalt gegen irgendeine religiöse Gruppe verhindern, sagte der Präsident. (Auch gegen die Ahmadiya-Bewegung gab es in den letzten Tagen Übergriffe, nachdem eine Fatwa sie als ungesetzlich bezeichnet hatte.) Yudhoyono hat laut der Jakarta Post seinen Religionsminister angewiesen, mit örtlichen Behörden eine „rasche Lösung für die Schliessung von christlichen Gottesdiensthäusern“ zu finden.
Nützt Vorsprechen beim Polizeichef?
Am Mittwoch traf der katholische Kardinal Julius Darmaatmadja zu einem persönlichen Gespräch mit Polizeichef General Sutanto zusammen. Er wurde begleitet vom Vorsitzenden der grössten Muslim-Organisation des Landes "Nahdlatul Ulama", sowie vom Vorsitzenden der protestantischen Indonesischen Kirchensynode, Andreas Yewangoe. Die drei forderten ein Ende der Gewalt gegen Gotteshäuser auf Java.
Wachsende Gemeinden leiden…
Die muslimischen Hardliner, wie die Zeitung sie nennt, haben die Schliessung von Dutzenden von Kirchen erzwungen mit dem Argument, ihr Betrieb sei illegal. Die Zahl 35 nannte John Simon Timorason vom West-Java-Büro des indonesischen Kirchenkooperationsforums (in den Medien war die Rede von mindestens 23). Timorason unterstrich, die Gemeinden hätten Genehmigungen des Religionsministeriums gehabt; dessen Provinzvertreter verneinte allerdings, dass sein Amt diese Bescheinigungen ausstelle.
Der Vorsitzende der militanten "Islamischen Verteidigungsfront", Habieb Rizieq, äusserte gegenüber Medien, die Aktionen seiner Organisation hätten sich nicht gegen Kirchen gerichtet. Betroffen seien lediglich Wohnhäuser, die ohne behördliche Genehmigung als Versammlungsorte für Gebete und Andachten benutzt worden seien.
…unter unklarer Rechtslage
Der Gouverneur der Provinz, Danny Setiawan, behauptete, die Behörden hätten Kirchen geschlossen, weil keine gültigen Genehmigungen vorgelegen hätten. Und es sei dabei keine Gewalt ausgeübt worden. Abriss durch Islamisten habe es nicht gegeben, sagte der Gouverneur. Anwohner hätten gegen illegale Bauten protestiert, und die Ortsbehörden hätten gehandelt.
Bischöfe: Nicht zurückschlagen!
Der Rat der Papua-Bischöfe rief die Christen auf, nicht Vergeltung zu üben, sondern die andere Wange hinzuhalten. Gott allein stehe das Vergelten zu, sagte der Bischofssprecher. Die Schliessung von Kirchen in der Metropole Bandung sei jedoch „ein grosser Schock“.
Vom Goodwill der Nachbarn abhängig
Die Probleme der Kirchen gehen gemäss der Zeitung auf eine Regierungs-Verordnung von 1969 zurück. Danach müssen die Leiter der Lokalverwaltung und die Nachbarn mit dem Bau einer Kirche einverstanden sein. 1990 ordnete die Provinz West-Java an, wenn 40 Familien in einem Quartier wohnten, hätten sie Anrecht auf ein Gotteshaus.
Die Toleranz im multireligiösen Staat bröckelt
Indonesien erlaubt mit seiner Pancasila-Ideologie die Verehrung Gottes in verschiedenen anerkannten Religionen. In der Provinz West-Java stellen die Christen weniger als 10 Prozent der Bevölkerung und 34 Millionen (!). Seit 2003 hat der Druck militanter Gruppen stark zugenommen, welche den Christen auch vorwerfen, sie verleiteten Muslime zum Abfall vom Islam. Der Gouverneur forderte die Christen und ihre Bedränger auf, bis zum Erlass neuer Verordnungen den bestehenden Folge zu leisten. Was heissen dürfte, dass die Kirchen geschlossen bleiben…
Datum: 10.09.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch