Christliche Leiter bestätigen

Gen Z in Europa: deutlich weniger Alkoholkonsum

Der Alkoholkonsum der europäischen Jugend scheint abzunehmen.
Jugendliche der Generation Z sind deutlich weniger daran interessiert, sich zu betrinken als frühere Generationen. Christliche Leiter aus fünf Ländern bestätigen den Trend – und orten neue Suchtmuster.

«Evangelical Focus» hat christliche Leiter und Jugendmitarbeiter in Italien, Tschechien, Albanien, Finnland und Belgien befragt. Sie bestätigen den Trend und führen ihn nicht zuletzt auf ein verändertes Freizeitverhalten zurück.

«Es gibt einen Rückgang beim Alkoholkonsum», sagt Leendert Wolters, Missionar in Prag. Zwischen 1995 und 2011 sei der Alkoholkonsum unter Jugendlichen in der Tschechischen Republik kontinuierlich angestiegen, aber dann «begann er zu sinken», erklärt Wolters. In einem Land mit einer ausgeprägten Biertradition «trinken die 18- bis 24-Jährigen freitags am meisten, samstags etwas weniger und an den anderen Wochentagen nur wenig Alkohol».

In Italien ist es eher der Wein, aber der Trend ist ähnlich. «Wein ist ein fester Bestandteil der italienischen Kultur», sagt René Breuel, evangelischer Pfarrer in Rom, aber «die jüngeren Generationen scheinen weniger zu trinken als ihre Vorgänger. Sie 'hängen' oft im Internet ab, anstatt physisch in Bars zu gehen.»

Rückgang des Alkoholkonsums um 20 Prozent

«Euronews» veröffentlichte Daten, wonach der jährliche Alkoholkonsum pro Person ab 15 Jahren auf dem Kontinent von zwölf Litern «reinen Alkohols» (dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO verwendeten Mass) im Jahr 2000 auf 9,5 im Jahr 2020 zurückgegangen ist – was immer noch 190 Litern Bier, 80 Litern Wein oder 24 Litern Spirituosen entspricht. Die Schweiz liegt mit 8,9 Litern knapp unter diesem Durchschnitt.

Am meisten getrunken wird in Lettland, der Tschechischen Republik, Litauen und Österreich. In der Türkei, den Niederlanden, in Griechenland und Albanien spielt der Alkohol dagegen eine untergeordnete Rolle. «Es ist schon eine Weile her, dass ich das letzte Mal jemanden betrunken durch die Strassen laufen sah», sagt Alesio Sema, Generalsekretär der Evangelischen Allianz Albaniens. «Die meisten Menschen trinken nur zum Vergnügen mit Familie oder Freunden, aber sie überschreiten nie die Grenzen.» Untersuchungen zeigen, dass auch in Ländern mit einer starken Pub- und Bartradition wie Irland und Spanien der Alkoholkonsum in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen ist.

In Finnland «ist der Alkoholkonsum junger Menschen seit langem rückläufig», sagt der finnische Journalist Matti Korhonen. «Laut einer vor einem Jahr veröffentlichten Studie geben 37 Prozent der jungen Erwachsenen an, dass sie ihren Alkoholkonsum reduziert haben, und 10 Prozent trinken überhaupt keinen Alkohol.» Sein Fazit: «Der Alkoholkonsum ist unter jungen Menschen nicht mehr so angesagt wie früher», und «viele denken mehr an ihre eigene Gesundheit». Der Journalist fährt fort: «Die Jugendkultur in Finnland hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte stark verändert. In den 1990er Jahren lebten wir in einer einheitlicheren Kultur, aber heute besteht die Jugendkultur aus vielen verschiedenen Subkulturen, und lange nicht in allen ist Trinken heute noch angesagt.» Dennoch spüren viele immer noch den Druck, auf Partys Alkohol zu konsumieren, da die Finnen traditionell Spass mit Alkohol verbinden.

Eine weitere EU-Statistik über «wiederholtes Rauschtrinken unter 15Jährigen» bestätigt den langfristigen Trend: Während 1997 bis 98 noch 41 Prozent der jungen Männer und 29 Prozent der jungen Frauen wiederholt betrunken waren, sank dieser Anteil 20 Jahre später (2017 bis 18) auf 24 (Männer) bzw. 20 (Frauen) Prozent.

Veränderte Ausgabe- und soziale Gewohnheiten

In Belgien wie auch in anderen Ländern sind es die jungen Frauen, die den Trend anführen. «Frauen meiner Generation denken vielleicht darüber nach, ob Alkoholkonsum gesund ist oder nicht», sagt Joëlle Philippe, Millennial aus Brüssel. «Andererseits ist es möglich, dass die Menschen bei ihren Ausgaben anderen Dingen den Vorrang geben (Reisen und Erlebnisse...), anstatt Geld für Partys auszugeben.» Generell scheint auch der Umgang via soziale Medien (was weniger Anlass und sozialen Druck zum gemeinsamen Trinken bietet) einer der Gründe für den Rückgang des Alkoholkonsums unter Jugendlichen zu sein.

Die neue digitale Sucht

Auf der anderen Seite scheint der Alkohol neuen Suchtformen Platz zu machen. «In Italien scheinen nicht Alkohol, sondern Technologie, soziale Medien und Pornografie die häufigsten Süchte der jüngeren Generationen zu sein», sagt René Breuel. Auch in der Tschechischen Republik ist digitales Suchtverhalten ein Thema. «Schätzungsweise 125'000 Menschen ab 15 Jahren fallen in die Risikokategorie. Der grösste Anteil der Gefährdeten ist in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen zu finden», sagt Wolters. In Finnland «wird der Konsum sozialer Medien zu einer Art Ersatz für Alkohol», fügt Korhonen hinzu.

Andere Substanzen auf dem Vormarsch

Die jüngeren Generationen greifen aber auch zu anderen schädlichen Substanzen. «Alternative Produkte, insbesondere elektronische Zigaretten (oder Vaporizer), erhitzte Tabakprodukte und Nikotinbeutel, erfreuen sich in der Tschechischen Republik wachsender Beliebtheit, vor allem unter jungen Erwachsenen», erklärt Wolters. «Der Cannabiskonsum ist langfristig stabil geblieben, aber der Anteil der Cannabiskonsumenten unter den jungen Erwachsenen (bis 34 Jahre) hat leicht zugenommen.»

Auch in Albanien «ist der Ersatz für Alkohol inzwischen das Rauchen. Das ist ein Kampf, den wir mit der jungen Generation, insbesondere mit Teenagern und jungen Erwachsenen, führen müssen», analysiert Alesio Sema. Auch in Finnland sei der Konsum alternativer Drogen «besorgniserregend», so Korhonen.

Gemässigter Alkoholkonsum unter Evangelikalen «akzeptiert»

In evangelikalen Kreisen in Europa hat sich die Akzeptanz von Alkohol deutlich verändert. War er lange Zeit – z.T. unter dem Einfluss amerikanischer Missionare – tabu, ist ein Glas Bier oder Wein heute in den meisten Kirchen und Gemeinden kein Problem mehr. «Während des Kommunismus war das Trinken in vielen tschechischen evangelischen Kirchen tabu. Seitdem wird es allmählich akzeptiert, auch wenn viele Gemeinden bei Veranstaltungen meistens keine alkoholischen Getränke anbieten», erklärt Wolters. «In unserer Jugendarbeit geht es vor allem darum, die Jugendlichen für die Gefahren des Alkohols zu sensibilisieren und sie zu einem kontrollierten Lebensstil anzuleiten. Alkoholmissbrauch – sich zu betrinken – wird als Sünde und schlechtes Zeugnis angesehen, aber manchmal wird scherzhaft gesagt, dass man Bier trinken muss, um Tschechen für Christus zu erreichen.»

«Mässiger Alkoholkonsum ist für die meisten italienischen Evangelikalen unproblematisch», sagt Breuel. «Das Trinken ausserhalb der Mahlzeiten und härtere Getränke wie Whisky oder Wodka werden oft abgelehnt, aber ein Glas Wein am Tisch wird kulturell geschätzt und religiös akzeptiert.»

«In Finnland war noch vor einiger Zeit der `Absolutismus` unter den evangelikalen Christen sehr populär, aber heute akzeptieren viele einen mässigen Alkoholkonsum», sagt Korhonen. «In diesem Sinne haben sich die Trinkgewohnheiten der evangelikalen Christen und der Gesellschaft angenähert.»

«In Albanien verbieten einige Kirchen den Alkoholkonsum, aber die meisten sehen ihn nicht als Problem, nur, wenn die Leute es übertreiben und sich betrinken», schliesst Sema.

Das ganze Gespräch müsse allerdings tiefer gehen, meint René Breuel: «Christen müssen darüber nachdenken, wie sie junge Menschen prägen.» Im heutigen Europa «muss unsere spirituelle Erziehung eine 'Gegenerziehung' beinhalten, die ein kritisches Licht auf die prägenden Kräfte der Spätmoderne wirft.»

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Datum: 21.02.2024
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Evangelical Focus / Euronews

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