Öffentliche Diffamierung

Spaniens Medien poltern gegen Evangelikale

Der spanische Sender RTVE brachte einen Bericht, der Besorgnis über das Wachstum der Evangelischen ausdrückt.
Alle vier Tage wird in Madrid eine neue evangelische Kirche eröffnet, berichtet Spaniens Presse. Dennoch sind die Medien nach wie vor nicht an protestantische Gläubige gewöhnt. Jorge Ruiz Ortiz ist überzeugt, dass mehr dahintersteckt.

Der spanische öffentlich-rechtliche Fernsehsender RTVE scheint sich ernsthaft über das Wachstum der evangelischen Bevölkerung im Land Sorgen zu machen. Am 22. September strahlte RTVEs Programm «Directo al grano» einen Bericht unter der Überschrift «Beunruhigendes Wachstum der evangelischen Kirche in Spanien» aus (eine christliche YouTuberin reagierte so).

Die Moderatorin polterte: «Göttliche Heilungen, finanzieller Segen und Wiederherstellung der Familie versprechend: Der Fortschritt ist so gross, dass in Madrid alle vier Tage eine neue evangelische Kirche eröffnet wird.» Anschliessend übergab der Bericht an eine Korrespondentin, die mit sichtbar besorgtem Gesichtsausdruck und betonten Gesten fortfuhr: «Genau. Und in Spanien gibt es bereits mehr als eineinhalb Millionen Gläubige…» und zählte dann einige der «kontroversen Parolen» auf, welche diese Gläubigen angeblich verkünden.

«Akzeptieren wir die Zahl»

Wie zu erwarten, sorgte die Sendung für Erstaunen in der evangelischen Gemeinschaft Spaniens, schreibt «CNE»-Kolumnist Jorge Ruiz Ortiz. Er zweifle an der Zahl, «dass wir tatsächlich eineinhalb Millionen Gläubige sind, wie die von evangelikalen Organisationen offiziell angegebene Zahl, die in der spanischen Presse ständig wiederholt wird. Bei etwa viertausend Gottesdienstorten in Spanien ergibt die Rechnung schlichtweg keine eineinhalb Millionen Gläubige.»

Am Ende spiele das jedoch kaum eine Rolle. «Akzeptieren wir die Zahl. Sie verschafft Sichtbarkeit, auch wenn eine solche Bekanntheit sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringt. Sobald man im öffentlichen Rampenlicht steht, kann das manchmal problematisch werden.»

Entschuldigung nach Sendung

Nach einer Flut von Beschwerden entschuldigte sich die Moderatorin der Sendung in der folgenden Woche «bei den Zuschauern, die möglicherweise beleidigt worden sind». Sie fuhr fort: «Wir möchten klarstellen, dass wir ausschliesslich die Verbreitung bestimmter Pastoren mit sektiererischen Botschaften, die unabhängig agieren, gemeint haben und nicht die evangelische Kirche, deren Präsenz in unserem Land bereits seit 150 Jahren besteht.»

Wirklich aufschlussreich war jedoch in ihrer Erklärung die Feststellung, dass das Gezeigte lediglich die Einleitung eines längeren Berichts war, der bereits produziert worden war, aber vor Ort abgebrochen wurde, als die Produzenten merkten, dass er sich auf die «evangelische Kirche» im Allgemeinen bezog und nicht auf «Sekten oder falsche Pastoren».

Starkes Wachstum

Programme dieser Art sind jedoch nichts Neues, beobachtet Jorge Ruiz Ortiz. «Ich sehe sie regelmässig, seit ich mit neunzehn Jahren evangelikal wurde, nachdem ich die römisch-katholische Kirche verlassen hatte. Damals gab es noch nicht annähernd eineinhalb Millionen Evangelikale. Schätzungen zufolge waren es etwa 80’000, alle spanischer Herkunft, da es noch keine starke Einwanderung gegeben hatte.»

Jorge Ruiz Ortiz erinnert sich weiter: «Schon damals stellten die Medien uns konsequent als ‘protestantische Sekten’ dar, mit besonderer Feindseligkeit in sogenannten ‘institutionellen Referenzzeitungen’ wie ‘El País’. Stets wurden wir mit dem abwertenden Begriff ‘evangelistas’ (Anm. d. Red.: Evangelisten) bezeichnet, offenbar um zu vermeiden, uns ‘evangélicos’ (Anm. d. Red.: Evangelikale) zu nennen – ein Begriff mit weitaus respektableren Konnotationen. Zumindest heute werden wir beim richtigen Namen genannt.»

Stets eine Karikatur

Die redaktionelle Linie der wichtigsten spanischen Medien gegenüber dem Protestantismus ist weitgehend unverändert geblieben, erklärt Jorge Ruiz Ortiz. «Was wir sehen, ist einfach eine langjährige Kommunikationsstrategie gegenüber dem Protestantismus in Spanien, die allem Anschein nach fortgeführt wird. Das öffentliche Bild, das über die vergangenen 150 Jahre projiziert wurde, war stets eine Karikatur – Evangelikale wurden als Fanatiker, Exzentriker oder nahezu Geistesgestörte dargestellt.»

Oder als Ausländer oder Spanier, die sich antispanischen Mächten verschrieben hätten. «Doch immer, wenn ein neuer Papst gewählt wird – wie kürzlich geschehen – wird deutlich, in welchem Ausmass die spanische Presse – ohne Ausnahme, einschliesslich staatlicher und linkspolitischer Medien – eine Art unterwürfige Haltung gegenüber Rom zeigt.»

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Datum: 16.10.2025
Autor: Jorge Ruiz Ortiz/Daniel Gerber
Quelle: CNE News/gekürzte Übersetzung: Livenet

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