Über 20'000 Fussball-Fans

Die Weihnachtsgeschichte auf der Mittellinie

Fussball-Fans eilt nicht der beste Ruf voraus. Erst recht nicht den Anhängern von «Eisern Union». Genau diese treffen sich aber jährlich in ihrem Stadion zum Weihnachtssingen. Ein wunderbarer Anlass.
Union-Fans feiern Weihnachten.

Alles begann im Jahr 2003: 89 Fans des Fussball-Vereins 1. FC Union Berlin kletterten am 23. Dezember über die Zäune ins heimische Stadion «Alte Försterei» in Berlin-Köpenick. Sie machten keinen Radau, nein: Sie kamen um Weihnachtslieder zu singen. «Es sollte ein gemeinsamer Ausklang mit der Fussball-Familie sein, bevor man am nächsten Tag mit der häuslichen Familie Weihnachten feiert», sagt Torsten Eisenbeiser, ein eingefleischter «Eisern Union»-Fan. Die Resonanz darauf war so gross, dass man beschloss, das Weihnachtssingen zur Tradition werden zu lassen.

Doch was fehlte war ein Pfarrer, der die Weihnachtsgeschichte vorliest. «Ich bin zwar nicht so gläubig», sagt Eisenbeiser. «Aber ein Pfarrer gehört zu Weihnachten einfach dazu. Es ist schliesslich ein christliches Fest.» Da kam Peter Müller ins Spiel. Den in Köpenick im Ruhestand lebenden evangelischen Theologen erreichte über den Kirchenkreis die Nachricht, dass Union-Fans einen Pfarrer für das Weihnachtssingen suchen. «Wenn jemand die biblische Weihnachtsgeschichte hören will, sollte man Ja sagen», betont Müller. Seitdem liest der 75-Jährige an jedem 23. Dezember auf der Mittellinie des Spielfelds die Geschichte von der Geburt Jesu.

Über 20'000 Besucher werden erwartet

Anschliessend lädt der Pfarrer zum gemeinsamen Fürbittengebet ein. Zum Abschluss gibt es den Segen. Natürlich ist es auf den Rängen dabei nicht nur andächtig still. «Aber damit darf man bei Fussball-Fans auch nicht rechnen», findet Müller. Nach dem Glockengeläut wird gemeinsam gesungen: Zum Repertoire gehören christliche Weihnachtslieder wie «O du fröhliche», «Stille Nacht» oder «Vom Himmel hoch». «Das ist schon ein tolles Erlebnis, wenn hartgesottene Fussballfans Weihnachtslieder singen», sagt Eisenbeiser.

17’000 Menschen waren 2011 gekommen: Frauen, Männer und Kinder bildeten ein Kerzenmeer. In diesem Jahr werden noch deutlich mehr erwartet. Da das Stadion aber nicht mehr Platz bietet, wird erstmals das Spielfeld für die rot-weissen Sänger freigegeben. «Dennoch können wir nicht garantieren, dass jeder Einlass bekommt. Rechtzeitiges Erscheinen ist also Pflicht», so Eisenbeiser.  Die Veranstalter wissen kaum noch, wie sie den erwarteten Ansturm bewältigen sollen. Der Anlass sorgt deutschlandweit für Furore. Acht Fernsehteams waren 2011 dabei. Selbst die «Tagesthemen» berichteten darüber.

Berüchtigte Ultra-Fans werden ganz zahm

90 Minuten dauert das Weihnachtssingen, ohne Halbzeitpause und Verlängerung. An den Eingängen bekommen die Zuschauer gratis Liederhefte und eine Kerze. Für die Kinder gibt es Kakao, für die Erwachsenen Glühwein. Die Kosten dieser Veranstaltung belaufen sich auf einen fünfstelligen Betrag. Einige Sponsoren sind darum mit im Boot. Zum Beispiel ein Autohaus, das einen Shuttle-Bus stellt, der ältere und behinderte «Unioner» von zu Hause abholt und ins Stadion bringt. Am Steuer sitzen übrigens ganz zahm sogenannte Ultra-Fans der Vereinigung «Hammerhearts». Mit anderen Worten: Eben genau diese Fussball-Fans, denen nicht der beste Ruf vorauseilt. So kann ein Vorurteil täuschen.

Singende Fans – hier geht's zu den Youtube-Videos:
Video 1
Video 2

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Datum: 21.12.2012
Autor: Tobias Müller
Quelle: Livenet / epd

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