Porno-Konsum

Expertin warnt vor zu wenig Schutz für Schulkinder

Schulkinder am Handy
An Schulen werden Kinder immer früher mit pornografischen Inhalten konfrontiert. Die Psychologin Tabea Freitag kritisiert, dass die Digitalisierung zulasten des Schutzes der Kinder geht.

Die Psychologin Tabea Freitag warnt davor, den Unterricht in Schulklassen ohne ausreichende Schutzkonzepte immer früher zu digitalisieren. Bereits in Grundschulen würden zunehmend Tablets eingesetzt – teilweise ohne Filterschutz vor pornografischen und gewalttätigen Inhalten. «Die Priorisierung in der Politik lautet leider immer noch 'Digitalisierung first – Schutz last'», sagte die Expertin der «return Fachstelle Mediensucht» anlässlich des «Safer Internet Days» am 7. Februar. Freitag ist unter anderem auf die Therapie von Mediensucht, Cybersex- und Pornografiesucht spezialisiert.

Die Kehrseite dieses Vorgehens sei, dass beispielsweise in sogenannten «Tablet-Klassen» an Schulen Kinder immer früher mit pornografischen Inhalten konfrontiert würden, mahnte die Expertin. «Schulen und Eltern machen sich oft nicht klar, dass sie mit internetfähigen Geräten den Kindern den Zugang zu diesen Inhalten ermöglichen», erklärte Freitag gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dies sei streng genommen strafbar.

Hemmschwellen fallen weg

Den Kindern könne kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie sich die pornografischen Bilder oder Filme anschauten, betonte die Diplom-Psychologin. «Das ist eine Mischung aus Faszination, Ekel, Angst und Erregung für sie. Aber durchaus auch schon sechs- oder siebenjährige Kinder können für sich entdecken: Das ist eklig, aber es macht mich auch irgendwie an.» Durch den starken Adrenalinkick prägen sich diese Bilder besonders stark ein und verlangen nach Wiederholung. Zudem könnten sich Menschenbild und Schamgrenzen bei den Heranwachsenden verschieben.

«Das mündet dann beispielsweise darin, dass viele Jungen Mädchen sexualisiert als Objekt wahrnehmen, weil sie diesen Blick aus den Pornos gelernt haben», sagte Freitag. «In Klassenchats oder auch vis-à-vis in der Klasse kommt es beispielsweise zu extrem grenzüberschreitenden Botschaften über Brustgrössen, Schambehaarung oder Anal-Praktiken. Es fallen Hemmschwellen, wo es eigentlich Schamgrenzen gibt.»

Kinder können dem Sog nichts entgegensetzen

Auch bei Mädchen zeige der Pornokonsum Effekte. Etwa, indem sie ihren eigenen Körper mit dem der Darstellerinnen in den Filmen verglichen und den Drang verspürten, einem «Porno-Ideal» entsprechen zu müssen. Im Jugendalter und als junge Erwachsene erlebten die Mädchen teils extremen Erwartungsdruck, dass sie sie auch demütigende oder schmerzhafte Praktiken aus Pornos am eigenen Körper zulassen müssten. «Da kommt es dann immer wieder dazu, dass eigene Grenzen überschritten werden, aus Sorge den Partner zu verlieren.»

Studien zeigten, dass bereits mehr als die Hälfte der 11- bis 13-jährigen Kinder Pornografie im Internet gesehen hätten, betonte die Expertin. «Mädchen fast genauso häufig wie Jungen.» Gleichzeitig gingen jedoch rund 75 Prozent der Eltern davon aus, ihre Kinder hätten solche Inhalte noch nie gesehen. «Eltern sagen dann oft, sie vertrauen ihren Kindern, dass sie so etwas nicht tun. Doch das hat mit Vertrauen nichts zu tun. Kinder können dem Sog nichts entgegensetzen und sind dafür nicht verantwortlich zu machen.» Neben wirksamen Filtern sollten Eltern vor allem darauf setzen, mit ihren Kindern über die Inhalte zu reden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf PRO Medienmagazin

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Datum: 07.02.2023
Quelle: epd / PRO Medienmagazin

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