In der Schweiz haben es Christen leichter
Wer in der Schweiz in der Bibel lesen will, kann das unbesorgt tun: Glaube ist wieder salonfähig.
Am Montag veröffentlichte Livenet.ch die Schlagzeile „Christen in Europa werden zunehmend diskriminiert“. Der Bericht zitierte Pfarrer Paul Murdoch, der erschreckende Beispiele nannte: Gerichtliche Verfolgung von Evangelisationsanlässen unter der Anklage von Gehirnwäsche oder psychologische Druckausübung in Frankreich, Beobachtung des Christlichen Vereins junger Menschen CVJM Belgien durch den Geheimdienst, Druck auf Europaparlamentarier Buttiglione und Fehlinformationen über den christlichen Glauben in den Medien. Eine Nachfrage unter in der Öffentlichkeit stehenden Christen in der Schweiz zeigt nun: Hier leben Gläubige grösstenteils entspannt.
Taten gern gesehen
„Jeder in der Schweiz kann seinen Glauben offensiv leben, muss keine Diskriminierung auf sich nehmen“, so Fritz Herrli. Der Medienbeauftragte der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA beobachte keine Vorfälle wie im angrenzenden Europa. Im Gegenteil: „Ich habe das Gefühl, dass Religiöses wieder salonfähiger ist, als normal und nicht abwegig angeschaut wird.“ Zwar gäbe es auch hier etwa Lehrer, welche Schwierigkeiten bekämen, wenn sie Christliches zu sehr betonten, aber häufen würden sich solche Ereignisse nicht. Sogar positiv wahrgenommen werde es, wenn sich Christen für Menschen in Not engagierten. Politische Gemeinden förderten etwa auch Allianz-Projekte für soziale Einrichtungen.
Kein Auge auf CVJM
Überrascht über den Vorfall in Belgien zeigt sich Andreas Mäder, Kommunikationsverantwortlicher der CVJM Schweiz. Aus kommunistischen Ländern sei bekannt, dass ihre Organisation vom Staat beobachtet werde. Belgien aber habe er bisher als offen und tolerant wahrgenommen. Hierzulande sieht er allerdings keine Gefahr: „Wir können uns auch nicht vorstellen, dass CVJM jemals vom Schweizer Geheimdienst überwacht wird.“ Behörden zeigten ihnen gegenüber bisher keine Skepsis, zumindest sei von den jeweiligen Lokalgruppen keine entsprechenden Meldungen vorgedrungen.
Dämpfer für Evangelium
Anders als dem Europaparlamentarier Buttiglione geht es auch Markus Wäfler. Der EDU-Nationalrat und Christ dürfe bisher auf politischer Ebene uneingeschränkt seine Meinung äussern. Hingegen bemerke er in der Gesellschaft den Versuch, die Botschaft des Evangeliums der Bibel einzuschränken. Druck werde ausgeübt auf Lehrpersonen, Personal aus dem Gesundheitswesen, zum Beispiel Hebammen, aber ebenso andere, welche über Glaubensfragen redeten. Auch das „Fenster zum Sonntag“ habe ein Missionierungs-Verbot für ihre wöchentliche TV-Sendung erhalten. Der Politiker bemängelt, dass man dafür gegenüber den abstrusesten Lehren übermässig tolerant sei.
Angst vor totalitärer Religion
Auch Hanspeter Nüesch sieht positive und negative Tendenzen. Der Leiter von Campus für Christus Schweiz sei dankbar für die Errungenschaft des Westen, die freie Meinungsäusserung. Man wünschte sogar ein klare Botschaft zu seiner Besinnung unter der Bundeshauskuppel während der Winter-Session. Er sehe aber auch, dass immer wieder Pfarrer in die Fundamentalisten-Ecke gedrängt werden. Erst kürzlich sprach er mit einem Theologie-Studenten der Uni Bern, dessen Prüfungslektion vom Experten wegen dem klaren Bekenntnis zu Jesus Christus massiv zerrissen wurde. „Es herrscht eine Grundangst vor der totalitären Religion“, so Nüesch. Begreiflicherweise nehme diese aufgrund der aktuellen Weltlage zu. Viele könnten nicht zwischen einem konsequenten Christentum und einem extremen Islam unterscheiden. Das christliche Zeugnis jedoch sei auf Feindesliebe ausgerichtet.
Evangelikale gefährlich?
Obwohl er denke, dass alle „extrem“ Gläubigen unabhängig der Religion zunehmend im gleichen Topf landen, habe er diese Befürchtung für die Schweiz nicht. Hier fände eine Versachlichung statt, auch der Begriff Freikirche habe sich mittlerweile etabliert. Als leichtere Katastrophe bezeichnet er dafür das gesellschaftliche Verständnis einer anderen Bezeichnung, die sich mehr und mehr formiert: evangelikal.
Doch dass der Begriff nicht mit „radikal“ gleichzusetzen ist, erklärt Armin Mauerhofer. „Die Evangelikalen haben noch nie probiert mit Gewalt Gedankengut zu verbreiten. Weder äusserlich noch intellektuell haben sie Druck auf Menschen ausgeübt“, so der Dozent der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule STH Basel. Den Evangelikalen gemeinsam sei die Heilige Schrift als Verbindlichkeit für Lehre und Leben, die Bibel als einziges Wort Gottes und die persönliche Beziehung zu ihm. Er selbst erkenne bis heute nicht, dass Evangelikale in der Schweiz negativ polarisieren. „Das Einzige, was man uns vorwirft ist Intoleranz, weil wir Jesus als den alleinigen Weg zu Gott ansehen“.
Datum: 30.03.2007
Autor: Monika Breidert
Quelle: Livenet.ch