Gute Pflege verhindert unnötiges Leiden der Sterbenden

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Die Stadt Zürich hat ein Positionspapier zur palliativen Pflege in den städtischen Heimen erarbeitet. Sie holt damit ein Versäumnis nach, das ihr vorgehalten wurde, als sie vor drei Jahren Mitarbeiter von Sterbehilfe-Organisationen wie Exit den Zutritt zu Patienten in den Heimen erlaubte. Statt Sterbende den Suizidhelfern zu überlassen, müssten diese eine gute Pflege nach den Grundsätzen der palliativen Medizin erfahren, lautete damals die Hauptkritik am Entscheid des Stadtrats.

Nur 40 Prozent der Stadtzürcher Betagten können zuhause sterben, obwohl 80 Prozent das möchten. Wer aber in einer Klinik oder einem Heim sterben muss, braucht gute Pflege, die nicht nur die körperlichen, sondern auch die physischen Schmerzen behandelt. Die Stadt Zürich hat nun ein Grundlagenpapier zur palliativen Pflege erarbeitet, in dessen Zentrum die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegenden und Angehörigen steht.

Angst vor dem Sterben nehmen

Weil viele Menschen vor dem Sterben mehr Angst haben als vor dem Tod, wünschen die Betagten, möglichst schmerzfrei und in vertrauter Umgebung die letzte Lebensphase verbringen zu können. „Das Recht auf Selbstbestimmung auch für die grosse Gruppe jener, die eines natürlichen Todes sterben, ist unsere oberste Maxime“, sagte Stadtrat Robert Neukomm an einer Medienkonferenz in Anspielung auf die Suizidbeihilfe, welche die Stadt in den Zürcher Altersheimen erlaubt.

Um älteren Menschen ein möglichst „friedvolles Sterben“ zu ermöglichen, hat nun das Gesundheits- und Umweltdepartement gemeinsam mit dem Verein Hausärzte der Stadt Zürich einen Leitfaden für Betroffene sowie ein Grundlagenpapier zur interdisziplinären Palliativpflege in Heimen und zu Hause erarbeitet. Es drückt die gemeinsame Haltung in der palliativen Pflege aus, in deren Zentrum das körperliche und seelische Wohl der Patientinnen und Patienten steht. Es gibt Handlungsanweisungen an Heimleitungen und Pflegende von Alters- und Pflegeheimen, Spitex-Organisationen, Hausärzte sowie Angehörige und will das vernetzte Handeln aller Beteiligten fördern.

Stärkeres Engagement der Angehörigen

Albert Wettstein, Chefarzt des stadträtlichen Dienstes, der an der Erarbeitung des Positionspapiers zur interdisziplinären Palliation beteiligt war, betonte zum Thema Palliativmedizin. „Je kürzer die Lebenserwartung und je schlechter die Lebensqualität sind, desto mehr tritt die Schmerzlinderung in den Vordergrund.“ Palliation heisse aber nicht nur, mit Morphium auf körperliche Schmerzen zu reagieren. Ebenso wichtig sei die Linderung von seelischen Leiden wie Angst, Schuldgefühle oder Abschiedsschmerz. Hier seien die Ärzte oft überfordert und deshalb spiele der Kontakt mit der Familie eine zentrale Rolle. Die Angehörigen sollten viel stärker in die Betreuung einbezogen werden.

Wenn der Zeitpunkt des Todes nahe, bestehe der palliative Ansatz oft darin, dem Wunsch des Sterbenden nachzukommen, weder zu essen noch zu trinken. „Für den Sterbenden, der den Flüssigkeitsmangel nur deshalb als unangenehm empfindet, weil sein Mund austrocknet, ist es eine Wohltat, wenn jemand seine Mundhöhle benetzt“, so Wettstein. Solche Verrichtungen könnten Angehörige übernehmen. Die Sterbebegleitung solle nicht allein den Profis überlassen bleiben.

Auch Kinder sollten mitwirken

Allerdings müssten auch Zeichen der Überforderung der Angehörigen ernst genommen werden. Sie sollten erfahren, dass es die Möglichkeit der Einweisung des Sterbenden ins Krankenheim gibt oder dass es eine Organisation gibt, die zu Hause freiwillige Sterbebegleitung macht. Ganz wichtig sei auch der Einbezug der jungen Angehörigen. Auch Schulkinder sollten unbedingt einen Nachmittag bei ihrem schwer kranken Grossvater verbringen.

Zumeist sei es den Angehörigen möglich, sich während der eigentlichen Sterbephase, die in der Regel nur Tage oder wenige Wochen dauere, sich abzuwechseln. Die Sterbebegleitung trage ausserdem zur eigenen Reife bei und erleichtere die spätere Trauerarbeit.

Damit Menschen nicht allein im Heim sterben müssten, gebe es in der letzten Lebensphase keine Einschränkung der Besuchszeiten; Angehörige könnten während 24 Stunden bei den Sterbenden sein. „Allerdings“, so Wettstein: „Oft warten Sterbende, bis die Angehörigen oder das Personal – auch nur kurz – aus dem Zimmer gehen, und sterben dann.“ Für viele Sterbende sei eine ununterbrochene Präsenz der Pflegenden weniger wichtig als das Abwechseln von Phasen der Zuwendung und Pflege mit Ruhepausen.

Hinweis
Das Positionspapier „Interdisziplinäre Palliation in Heimen und zu Hause in der Stadt Zürich“ kann beim stadtärztlichen Dienst, Telefon 01 216 43 58, bestellt werden.


Quelle: NZZ/ Livenet/ Fritz Imhof

Datum: 11.06.2003

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