Zürcher Kirche will Gemeindeaufbau
Zudem unterstrich die Synode die Verantwortung der Zürcher Kirche für evangelische Bildung. Pfarrer Ruedi Reich wurde für 35 Jahre kirchenleitendes Wirken, davon 15 Jahre als Kirchenratspräsident, geehrt.
Synodepräsident Peter Würmli dankte dem 63-jährigen Jubilar, der 1973 in die Synode gewählt worden war, unter herzlichem Applaus des Kirchenparlaments für sein unermüdliches, weitsichtiges und erfolgreiches Schaffen zum Wohl der Kirche. Ruedi Reich habe einzelne Rückschläge wie das Volks-Nein zum Kirchengesetz 2003 auf eindrückliche Art überwunden. Würmli würdigte die Anstrengungen des Kirchenratspräsidenten, mit Kirchgemeinden im Gespräch zu bleiben. Die Synode erhob sich zum Singen zweier Kirchenlieder.
Auf Neuland
Bei der Debatte über Gemeindeaufbau und Leitung bewegte sich das Parlament der Zürcher Landeskirche auf Neuland: Im ersten Entwurf der neuen Kirchenordnung 2007 hatte der Kirchenrat knappe Grundsätze zu Leitung formuliert. Nach der Vernehmlassung erweiterte der Kirchenrat dieses vierte Handlungsfeld* um Gemeindeaufbau; die vorberatende Synodalkommission gestaltete die Bestimmungen sowohl zu Leitung wie zu Gemeindeaufbau detaillierter aus. Dass die Synode ihr am Dienstag folgte, hat mit dem Unbehagen über unklare Kompetenzen und schwelende Konflikte in Kirchgemeinden zu tun.
Menschen bauen – Gottes Geist wirkt
Für die Zukunft der Landeskirche bedeutsamer als die Artikel über Leitung dürfte allerdings der neue vierteilige Artikel 83 über Gemeindeaufbau sein. Der erste Absatz betont die geistliche Dimension: „Gemeinde wird gebaut durch Gottes Geist, wo Menschen im Glauben gestärkt werden, neue Lebenskraft, Orientierung und Hoffnung finden und ihren Glauben in der Gemeinschaft leben können." Der zweite Absatz betont das Miteinander und die Aktivierung der Mitglieder gemäss ihren von Gott geschenkten Begabungen: "Gemeindeaufbau schafft Raum für die Gemeinschaft, im Feiern, Hören auf Gott, Beten und Dienen und dem Mitwirken der Mitglieder gemäss ihren Begabungen."
Mit Christus in die Gesellschaft
Im dritten Absatz kommt der missionarische Auftrag der Kirche prägnant zum Ausdruck: "Gemeindeaufbau bedeutet, dass Menschen für die Nachfolge Christi und seine Gemeinde gewonnen werden, dass die Gemeinde das Evangelium bezeugt und den Dienst der Vermittlung und Versöhnung in der Gesellschaft wahrnimmt." Diesen Sätzen stimmte die Synode nach längerer Debatte deutlich zu; im Nachhinein konnte sich .
Leitung fürs Ganze der Kirche
Darauf suchte die Synode klare und praktikable Regelungen für Leitung, welche das bisher verordnete Miteinander in den Gemeinden** nicht auflösen, sondern sinnvoll strukturieren. Kommissionspräsident Roland Diethelm konstatierte zu Beginn der Debatte, die bisherigen Bestimmungen hätten bei Konflikten die rasche Lösungssuche behindert.
Die Kommission wollte im Gegensatz zum Kirchenrat nicht bloss das Leiten in Bezug auf Gemeindeaufbau regeln; sie schlug Bestimmungen fürs Ganze der Landeskirche vor. Der neue Artikel 84 versteht Leitung als „Dienst an der Gemeinschaft“. Er hält fest, dass „theologische Verantwortung auf allen Ebenen integraler Teil kirchlicher Leitung ist“ und dass die Kirche (anders als die bischöflich geleitete katholische Kirche) den Grundsätzen des demokratischen Staatswesens verpflichtet ist. Leitung soll Schwerpunkte festsetzen und auf zielgerichtetes Schaffen und Qualität dringen.
Grundsätzlich – oder schwammig?
Kirchenratsschreiber Alfred Frühauf machte sich für die knappe kirchenrätliche Fassung stark. Es gehe „um einen respektvollen Umgang miteinander, die gegenseitige Achtung und eine offene Kommunikation“. Weiteres solle in den Handbüchern für Behörden und Mitarbeitende festgehalten werden. Kirchenrätin Anemone Eglin unterstrich, theologische Reflexion geschehe nicht nur durchs Pfarramt. Kirchenratspräsident Ruedi Reich verwies darauf, dass die Aufsichtskompetenz der Kirchenpflege, die Visitation der Gemeinden und das Amt des Dekans durch die neue Kirchenordnung gestärkt werden. Jean Bollier meinte dagegen, der Kirchenrat habe nach gutem Ansatz den Mut verloren. Die Synode billigte schliesslich die Fassung der Kommission mit deutlichen Mehrheiten.
Strategische Leitung: durch Behörden
Die Rollen von Kirchenpflege, Pfarrern, Sozial-Diakonen und weiteren Mitarbeitenden wurden nicht explizit verhandelt, da sie die Kirchenordnung in einem anderen Teil regelt – aber es ging im folgenden Artikel 85 um die Kompetenzen. Nach einer längeren Diskussion um das Begriffspaar ‚strategisch-operativ‘ billigte die Synode die Sätze: „Strategische Leitung wird durch die Behörden und Organe der Landeskirche wahrgenommen. Operativ wird die Kirche
durch die kirchlichen Ämter und Dienste gemäss ihren Aufgabenbereichen
geleitet." Infolge eines knapp diskutierten Antrags fiel der - von der Kommission vorgeschlagene - Satz heraus, der die Mitwirkung des Pfarramts auf der strategischen Ebene beschrieb: "Die theologische Kompetenz bleibt dabei stets eingebunden."
Ja! zu evangelischer Bildung
Dass die Landeskirche evangelische Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen fördert und unterstützt, stand in der Synode ausser Frage. Wie verbindlich aber soll dieser Grundsatz in der Kirchenordnung festgeschrieben werden? Der Kirchenrat schlug eine offene Formulierung vor, um gerade in Zeiten knapper werdender Finanzen nicht generellen Ansprüchen Raum zu geben.
Demgegenüber beantragte die vorberatende Teilkommission eine Fassung, die für staatlich anerkannte Bildungsinstitutionen explizit «ideelle und finanzielle Mitverantwortung» erwähnt, «indem sie deren Gründung und Betrieb unterstützt». Die Kirchensynode stimmte dieser Konkretisierung zu.
Einheitliches Erscheinungsbild
Ohne Diskussion genehmigte die Synode schliesslich die Bestimmungen über die Öffentlichkeitsarbeit der Landeskirche. Zum grafischen Erscheinungsbild der Landeskirche, 1991 eingeführt und bisher den Kirchgemeinden empfohlen (von zwei Dritteln übernommen), kann der Kirchenrat künftig Vorgaben machen.
Links zum Thema: Die Beschlüsse der Zürcher Kirchensynode (rechte Spalte)
Die Arbeit an der Zürcher Kirchenordnung:
Für die Zürcher Reformierten bleibt Jesus „Herr“
Ja zum Talar: Zürcher Kirche sucht Erkennbarkeit
Zwischen Tradition und Zukunft
* Art. 27, 1 der neuen Kirchenordnung strukturiert das Handeln der Kirche in vier Feldern: "Die Landeskirche nimmt ihren Auftrag wahr durch die Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat in den vier Handlungsfeldern Verkündigung und Gottesdienst, Diakonie und Seelsorge, Bildung und Spiritualität sowie Gemeindeaufbau und Leitung." Die vier Handlungsfelder entsprechen leiturgia, diakonie, martyria und koinonia - vier Aspekten des Kircheseins, wie sie seit Jahrhunderten festgehalten werden.
** Die Zürcher Kirche nennt dies „Zuordnung“; der 2006 formulierte Artikel 36 dazu lautet: „Die Kirchenpflege, die Pfarrer und Pfarrerinnen sowie die Kirchgemeindeangestellten tragen die Verantwortung für den Gemeindeaufbau gemeinsam. Die Kirchenpflege nimmt ihre Aufgaben im Rahmen der behördlichen Verantwortung wahr…“
Quelle: Livenet / kid.
Datum: 02.10.2008
Autor: Peter Schmid