Diese Tankstelle sollte man im Auge behalten
Daniel Rutschmann ist Lokomotivführer. Daneben leitete er eine Tankstelle in Hägendorf. Bloss: Aus seiner «Tankstell», wie sie genannt wird, fliesst kein Tropfen Benzin oder Diesel! Schon seit Jahren sei sie nicht mehr in Betrieb. Aber nicht, weil der Bahnangestellte nicht mit einer Zapfsäule klarkäme. Sondern sie liefert Wasser – und was für eines!
Markus Rechsteiner, Mitglied des vierköpfigen Managementteams: «In der Schweiz gibt es ja ein sehr dichtes Tankstellennetz. Darum muss bestimmt niemand zu Fuss nach Hause und schon gar nicht enttäuscht.» Mitleiterin Erika Leuenberger sagt, sie werde schräg angekuckt, wenn sie sage, dass sie Tankstellenleiterin sei: «Hm ... also meistens gibt es ungläubige Blicke und dann die Frage, ob ich denn wirklich an einer Tankstelle arbeite.» Doch sie sagt dabei die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr ihr Gott helfe...
«Lebendiges Wasser» statt «schwarzes Gold»
Tatsächlich, da fließt kein Tropfen Sprit raus. Es kommt sogar noch besser: Die Tankstelle steht mitten in der Kirche. Und sie liefert Wasser. Genauer: Sie weist drauf hin. Rechsteiner: «Bei uns erhält man „nur“ die Anleitung, wie man zu „lebendigem Wasser“ kommt.» Also einen Lageplan, wo genau man nach Öl bohren muss, um dann selbst seinen Treibstoff herzustellen? Nicht ganz, denn der Tankstell-Vorarbeiter ergänzt: «Das heisst: Wenn wir Jesus Christus in unser Leben einladen, möchte er uns dieses Wasser schenken. Das tönt jetzt vielleicht wenig spektakulär, ist es aber. Das Leben als Christ ist das Spannendste, was es gibt! Ausprobieren lohnt sich!»
Steine herumschleppen
Insofern kann man also an der Tankstell tatsächlich tanken, allerdings geistlich und keinen Treibstoff von der Ölindustrie. Denn sie – gemeint ist die Tankstell, leider nicht die Ölindustrie – ist ein Jugendgottesdienst; Name und Symbol zugleich.
Erika Leuenberger spricht von einer Band, die das Tankstell-Treffen jeweils einläutet. «Danach hält entweder jemand aus dem Leitungsteam oder jemand von ausserhalb einen ungefähr 20minütigen Input.» Beim letzten Mal sprach ein Prophet aus den USA. Leuenberger: «Das finde ich das Gute an der Tankstell, dass alles Platz hat und viele verschiedene Leute ihre Eindrücke, Erfahrungen und Lebensgeschichten erzählen können.»
Danach wird Gehörtes angewendet. «Sehr beeindruckend war, als die Teenies einmal ihre Sorgen und Lasten buchstäblich vors Kreuz bringen konnten. Es war in Form von Steinen und sie konnten sie wirklich ablegen. Manchmal geben wir den Leuten auch „Hausaufgaben" mit. Zum Beispiel Handzettel verteilen und so die Leute mit dem Glauben konfrontieren.»
Zapfsäule nicht geklaut
Mitten in der Kirche steht also eine Zapfsäule. Wird die nun bei einer Tankstelle in der Region vermisst? Markus Rechsteiner dementiert: «Ein Sammler von alten Zapfsäulen hat sie uns freundlicherweise verkauft. Vorher dachte ich immer, es würden nur Autos, Briefmarken und Teddybären gesammelt.»
In der Nähe von Hägendorf ist an der Autobahn A1 ein Rastplatz mit echten Tankstellen. Wie wäre es, den Tankstell-Gottesdienst dort durchzuführen? «Es soll mal so einen unter freiem Himmel gegeben haben. Bei diesem Anlass hat es aber so stark geregnet, dass uns seither die Lust an Freiluft, Autobahnluft und anderen luftigen Experimenten vergangen ist», blickt Rechsteiner zurück.
Keine Ölspur – aber Spuren bis nach Ruanda
Spuren hinterlasse die Tankstell sagt Rechsteiner und präzisiert: «Aber auf keinen Fall eine Ölspur! ... Am besten erzähle ich meine Erlebnisse, denn es ist noch nicht lange her, da bin ich noch als Besucher in die Tankstell gekommen.
Bei meinem ersten Besuch war ich ein kritischer Beobachter. Der Input war dann genau eine Antwort auf eine meiner brennendsten Fragen. Beim zweiten Besuch war es die Musik, die mich speziell berührte, und beim dritten Besuch war ein Prophet in der Tankstell. Was er zu mir persönlich sagte, berührte mein Herz sehr stark.»
Erika Leuenberger: «Es gibt viele, die unseren Gottesdienst regelmässig besuchen und die wir zu einem Einsatz irgendwo in der Welt schicken können. Tankstell-Leute gingen schon nach China, Kanada, Ruanda, Amerika, Neuseeland, Russland, Indien und in andere Länder. Zwei davon engagieren sich inzwischen langfristig in Indien und Ruanda. Uns geht es vor allem darum, die Leute abzuholen und ihnen zu zeigen, dass es mehr gibt in der Welt als das, was sie sehen. Und wir fordern sie auf, ihren Glauben zu leben und nicht nur "Sonntags-Christen" zu sein.»
Datum: 25.02.2006
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch