Gestatten: Ich bin Gott

Kein Bildnis-aber eine alles überstrahlende Wirkung-

Einer der meistgebrauchten Sprüche in Gesprächen über Gott heisst: „Wir haben doch alle denselben Gott!„ – Oft dient dieser Spruch als gutes Argument, um ja nicht das eigene Gottesbild genauer unter die Lupe zu nehmen und gar nach allfälligen Konsequenzen für das alltägliche Leben zu fragen. Doch immer mehr Menschen geben sich nicht zufrieden mit dem selbstgebastelten Gott. Sie sagen sich: Wenn doch Gott, der Allmächtige, der Heilige, der Gerechte, der barmherzige Vater und vor allem die Liebe ist, müsste und könnte dann mein Leben, meine Beziehungen, meine Ehe nicht anders aussehen? Gott, wer bist du? Wie kann ich dich erkennen?

Können wir Menschen überhaupt wissen, wer Gott ist? Ist alles, was wir von Gott sagen, nicht nur Wunschdenken?

Gott als vollkommener Mensch?

Ohne Informationen von der anderen Seite werden sie sich Indianer immer nur mehr oder weniger veränderte Indianer vorstellen. - Das ist auch unsere Situation im Blick auf Gott. „Gott„ ist in den Köpfen vieler ein verbesserter, eben vollkommener Mensch. Die guten Eigenschaften des Menschen werden ins Unendliche vergrössert – dann haben wir Gottes Eigenschaften. Der Mensch weiss etwas – daraus wird der allmächtige Gott. Der Mensch ist manchmal lieb – daraus wird „Gott ist die Liebe„. Was ist das Ergebnis?

Es tauchen sehr schnell Fragen zu diesem „Supermenschen„, genannt Gott, auf: Aber wenn doch dieser Gott die Liebe ist, warum kann er dann all das Leid in unserer Welt zulassen? - Wer so nach Gott sucht und fragt, der landet in einer Sackgasse.

Ein Gott, der Geschichte macht

Die Zehn Gebote beginnen mit einer Selbstvorstellung Gottes: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Lande Ägypten, aus der Knechtschaft geführt habe.„ (2. Mose 20.2) Gott macht sich bekannt. Das Volk Israel hatte keinen Glauben an ein höheres Wesen. Es kannte Gott darum, weil er sich in der Geschichte geoffenbart hatte. Er hatte sie aus der Sklaverei geführt. Durch diese wunderbare Rettungstat hatten sie Gott kennen gelernt.

Am Anfang standen nicht die Gottesvorstellungen der frommen Leute in Israel. Gott selber hatte eingegriffen. Schon im zweiten Gebot wird das Volk Israel gewarnt, sich kein Gottesbild zu machen. Da liegt die grosse Versuchung, dass wir eben so gern ein Gottesbild haben, das lückenlos und widerspruchsfrei geschlossen ist. Sozusagen eine Weltformel, von der man alles ableiten kann. Wir können es nur schwer ertragen, wenn gewisse Fragen offen bleiben. Aber es bleibt dabei: Gott ist ein Gott, der eingreift. Das ist der Grund, dass Menschen sich im Gebet an ihn wenden, ihn anbeten, ihm danken und ihn mit ihrem Leben ehren.

Golgatha: Gottes Tatbeweis

Unverrückbar hat Gott Geschichte geschrieben, als er einen Informanten von der anderen Seite zu uns schickte. Als menschliches Wesen in Stroh und Windeln verpackt, hat uns Gott in seinem Sohn Jesus das offenbart, was wir vom Gott, dem Vater wissen können. „Wer mich sieht, der sieht den Vater,„ sagt Jesus (Joh. 12.45). In seinem Leben, aber vor allem in seinem Sterben wird deutlich, dass Gott wirklich die Liebe ist.

Aber diese Liebe, die umschlungen ist von Schmerz, Unrecht und Tod, zeigt, wie ungeheuerlich anders Gottes Liebe eben ist als all die menschlichen Bilder von Liebe im Sinne von Friede, Freude, Eierkuchen. In Jesus Christus können wir etwas vom Geheimnis des ewigen Gottes ahnen. Aber nur soviel, wie er uns in seinem Leben und in seinen Worten offenbart hat. Diese Liebe am Kreuz war schon damals für viele eine verrückte Sache. Das war keine Weltformel, mit der man alles, was in der Welt passierte, erklären konnte.

Wer Gott ist, das können wir uns nicht mit unseren frommen Hirnen und Herzen ausdenken. Wir können es nur demütig und dankbar ablesen am Kreuz von Golgatha und nacherzählen, weil Gott uns diese Liebe gezeigt hat, als er Jesus für uns hingab. Wer ist Gott? Als Jesus starb, da zerriss der Vorhang im Tempel, der den Blick auf das Allerheiligste verdeckte. Der Schleier ist weg, doch o Schreck, können wir diese heilige Liebe überhaupt ertragen und fassen?

Gottes Wohnungen unter uns

Gott kennen, das ist nicht nur eine Sache des Verstandes, der sich mit Gott beschäftigt. Ihn kennen, heisst nicht, dass ich eine Meinung über ihn habe oder Informationen. Gott beauftragte Hosea im 8. Jahrhundert vor Christus, dem Volk Israel ein hartes Wort zu sagen: „Es ist keine Treue, keine Liebe und keine Erkenntnis im Lande, sondern Verfluchungen, Lügen, Morden und Ehebrechen haben überhand genommen, und eine Blutschuld kommt nach der andern.„ (Hosea 4.1-2)

Es hat in Israel nicht an intelligenten und theologisch gebildeten Menschen gefehlt. Es wurden täglich Gottesdienste gefeiert. Lieder und Gebete gab es in Hülle und Fülle. Und doch lässt Gott ausrichten: Nichts verstanden! Keine Erkenntnis! – Woran sieht man das? An der Praxis dieses Glaubens! An den Gottverfluchungen, am Morden, Stehlen und Ehebrechen. Wo das ist, da ist keine Gotteserkenntnis.

Ein Missionar, der in Südamerika später sein Leben verloren hat, schrieb in seinem Tagebuch folgendes Gebet: „Lass mein Leben widerspiegeln, was es heisst, dich, Gott, zu kennen.„ – Darum geht es. Gotteserkenntnis ist nur da, wo Gott in unser Leben prägend hineinwirkt. Er will bei uns Wohnung nehmen. Da werden die Möbel manchmal tüchtig umgestellt. Ungutes fliegt hinaus. Schmutz muss weg. Paulus schreibt: „Ich möchte Jesus erkennen, die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden.„ (Phil. 3.10) Beides gehört dazu zu dieser Gotteserkenntnis: Kraft Gottes, die uns verändert, erneuert, heilt und sendet. Kraft, die reicht, um den Tod zu überwinden. Aber auch Leiden. Das gehört zum Programm. Wo Gottes Liebe wohnt, da wird auch gelitten – an der Last der Probleme, unter dem Druck des Widerstandes gegen das Evangelium.

Doch wer von diesem Gott der Liebe ergriffen ist, der wird im Leiden nicht einfach stehen bleiben und fragen „warum?„. Vielmehr werden wir das als Zeichen dieses Gottes verstehen, der in seiner Kraft und seinem Leiden in uns wohnen will. Statt zu debattieren und lamentieren über den unbegreiflichen Gott, will ich das zu meinem Gebet machen: „Lass mein Leben widerspiegeln, was es heisst, dich, Gott, zu kennen.„

Datum: 14.08.2004
Autor: Roger Rohner
Quelle: Teamwork

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