Roswitas Lebenstöne

Via Afrika und Schweizer Strassen direkt in Gottes Arme

Wenn man erlebt, wie ein Mensch von einer unsichtbaren Macht durch die Luft geschleudert wird, dann glaubt man zwangsläufig an Übersinnliches. So will Roswita Schlatter ihr Leben führen: natürlich, aber im göttlichen Sinne.
Roswita Schlatter (Bild: Facebook)

Die Frau mit selbstsicherem Auftreten durfte schon viele Wunder erleben und traut ihrem Gott alles zu. Ausserdem hat sie eine weitere Lebenseinstellung, die beeindruckt: eine Grundwertschätzung allen Menschen gegenüber.

Als «Weisse», die ihre Kindheitsjahre in Kamerun verbrachte, war es für sie selbstverständlich, dass es ganz unterschiedliche Typen und Kulturen gibt. Sie trifft sich mit einer Esoterikerin, die gern mehr über die christliche Ebene erfahren will; oder hatte immer wieder Kontakte zu Randgruppen, was ihr half, geerdet zu bleiben und nicht nur im Geistlichen zu leben, erzählt die mehrsprachige und zweifache Mutter.

Von Himmel und Menschen berührt, und von Jesus umarmt

Denn Roswita Schlatter mag eine differenzierte Sicht des Lebens. Das hilft ihr, die individuelle Persönlichkeit eines Menschen wahrzunehmen und nicht zu früh zu urteilen. Mit den heutigen Polarisierungen hat sie Mühe und schätzt tiefgründige Gespräche und Begegnungen.

Zudem hat sie die Sprache der Musik entdeckt und will sie vermehrt «live» in Kontakt mit dem Publikum sprechen. So ist Roswita Schlatter offen, ihre Musik noch mehr im Rahmen von Randgruppen zu teilen und an unterschiedliche Orte zu bringen. Eine CD ist in Produktion. Und sie strebt danach, dass die eigenen Lieder aus dem Himmel geboren sind.

Livenet traf die weitherzige, vielseitig begabte Frau in Bern und erfuhr, wie Gott sie ganz persönlich berührte und von sich überzeugte.

Sie waren früher stark engagiert, auch mit Prostituierten und in Gassenarbeiten, was davon ist Ihnen speziell geblieben?
Roswita Schlatter:
Durch die Einsätze bei Prostituierten wurde mir noch mehr bewusst, dass etliche dieser Frauen unfreiwillig in dieser Arbeit sind und von der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden. Ich habe festgestellt, wie gross das Herz vieler dieser Frauen ist und habe sie noch mehr liebgewonnen. Oft durfte unser Team erleben, wie die Karten mit den Bibeltexten, die sie ziehen durften, direkt in ihre Situation geredet haben. Wir haben Kaffee und Guezi gebracht. Es waren schöne Momente dabei, wie die Möglichkeit, für sie und ihre Nöte zu beten. Unsere Sozialarbeiterin konnte ihnen Wege aufzeigen, wie sie da rauskommen, wenn sie wollten. Es gab Frauen, die zum Glauben fanden und den Weg aus der Prostitution wagten.

Die regelmässigen Begegnungen mit einer Leiterin von der Suppenküche, einer Suchtarbeit, haben mein Leben ebenso geprägt. Besonders waren Momente wie die Tatsache, wenn Frauen oder Männer sich das Leben nahmen oder aufgrund einer Überdosis oder wegen Alkohol starben, Elternteile nicht an die Beerdigung ihres Sohnes oder Tochter kommen wollten, da sie «damit» nichts zu tun haben wollten. Und dies waren laut den Mitarbeitenden keine Ausnahmen. Dies hat mich sehr lange beschäftigt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich aufhöre, mein Kind zu lieben, auch wenn es auf Abwege kommt.

Sie sind Pfarrerstochter, hatten Sie ein speziell prägendes Erlebnis mit Gott?

Schlatter: Nun, in dieser Äusserung «Pfarrerstochter» steckt eine Stigmatisierung, die ich oft hören musste. Der Satz «Pfarrers Kinder, Müllers Vieh, gedeihen selten oder nie» wurde oft erwähnt, wenn Menschen in meinem Umfeld erfuhren, dass mein Vater Pfarrer war. Denn ich war oder bin ja Tochter wie andere auch Töchter sind, egal was ihr Vater von Beruf ist. Ich bin mit dem christlichen Glauben gross geworden, jedoch habe ich diesen in meinen Teenagerjahren in Frage gestellt. Ein Erlebnis in einem CEVI-Lager hat alles geändert. Ein Leiter hat sich mir besonders angenommen, seine Sorgfalt zu mir und grosse Liebe zu Jesus haben mich schlicht umgehauen. Bei einem Ausflug hatten wir eine längere Aufenthaltszeit in Luzern. Dabei gingen wir in die Stadt, wo «Chesslete» war mit dem Brauch, Leute/Kinder in ihren Säcken ein Stück mitzunehmen. Ehe ich mich hätte wehren können, wurde ich gepackt und in einem Sack mitgenommen. Ich hatte panische Angst und schrie wie wild, denn ich wusste nicht, was mit mir geschehen würde und wo ich war. Da «Chesslete» war, hörte ich überhaupt nichts, ausser das Tosen der Treicheln, und es war nur dunkel um mich. Ich schrie zu Gott: «Hilf mir!» Und als sie mich dann irgendwo aus dem Sack liessen, waren starke Arme bereit, die ich sofort erkannte – in meinem Leiter. Er war ihnen nachgerannt und hatte sie gestellt, während die anderen Leiter und Lagerteilnehmer auf uns warteten. In diesem Lager erkannte ich, dass Gott mich regelrecht sucht und er an mir interessiert ist und habe Ernst gemacht mit einem Leben mit Jesus.

Was kommt Ihnen zum Thema schwierige Lebensphasen in den Sinn?
Schlatter: Da ich mit allem versöhnt bin, ist es schwierig, mich wieder zu erinnern. Aber ja, mein Lebensthema war «Heimat» beziehungsweise Heimatlosigkeit, da ich sehr oft Entwurzelung erlebt hatte. 

Sie machen auch eigene Musik, welche Bands und Interpreten inspirieren Sie?
Schlatter: Verschiedene französische Interpreten aus der Chanson-Szene wie Jacques Brel und andere, Soul-Gospel-Grössen wie Mahalia Jackson (sie alle aufzuzählen würde zu weit führen). Aus der Mundart-Szene haben mich geprägt: Jackie Leuenberger, Polo Hofer aber auch Xavier Naidoo (der Fels), Konstantin Wecker, Pippo Pollina, Albino Montisci und so weiter…

Wie lautet Ihre wichtigste Botschaft, die Sie Ihren Zuhörern und den Lesern hier mitgeben möchten?
Schlatter:
Es gibt eine Kernbotschaft, die mich immer wieder beschäftigt und auch mein kommendes Album prägt. Darauf wird ein Lied mit dem Titel «Entfaltung» sein und die dazugehörende Bibelstelle aus 1. Mose Kapitel 1 Vers 31: «Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte und siehe da, es war sehr gut.» Gott hat keinen Fehler gemacht, als er Dich/Sie schuf, denn er freut sich über seine Schöpfung.

Zur Person:
Wohnort:
 Eriswil

Familie:
 verheiratet, 2 erwachsene Töchter
Alter:
  52
Beruf, Ausbildungen:
Buchhändlerin, später Grundausbildung zum Coach, jetzt angestellt an einer Musikschule für Solo-Gesang und Kinderchor.
Hobbys:
Musik und Songwriting in verschiedenen Sprachen, Fotografieren (analog), Exkursionen in der Natur mit ihrem Hund. Beziehungen pflegen.

Zur Webseite:
Roswita und Band

Zum Thema:
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Datum: 08.07.2021
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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