«Wir leben immer noch in dieser Welt»
Arne Kopfermann: Es fing alles 2008 an, mit dem Album «Geheimnisvoller Gott». Das Release-Konzert dazu wollte ich nicht nur für «Fromme» in Gemeinderäumen machen, sondern auch Leute dazu einladen, die mit Jesus nichts am Hut haben. So veranstalteten wir das Konzert bei uns daheim. Ich dachte mir: Wenn ich es nicht schaffe, diese Mischung aus Party, Konzert und Botschaft hinzukriegen, dann muss ich mir mal Gedanken machen, ob meine Songs schon gut genug sind.
Es war ein denkwürdiges Konzert mit 60 Leuten, vielfach ohne Gemeindehintergrund, die von der Musik extrem berührt waren. Einige hatten Tränen in den Augen. Doch als kleines Seitenstatement kam: Wenn du jetzt noch paar Geschichten aus dem Leben erzählst, die in Beziehung zu unserem Alltag stehen, dann wäre das perfekt. Das war für mich der Auslöser zu dem Album «Storys».
Was erwartet einen auf dem Album?
Wer mich kennt, weiss, dass ich in den 90er Jahren schon viele Songs geschrieben habe, die Geschichten erzählen. Die Titel «Maria» und «Schrift an der Wand» sind zum Beispiel aus dieser Zeit. Für «Storys» habe ich weitere Geschichten aus unterschiedlichem Kontext gesucht. Einige kommen von Menschen aus meinem Umfeld, manche wurden durch TV-Reportagen inspiriert, andere durch Bibelgeschichten. Es sind Themen, die uns im täglichen Leben begegnen, berühren oder traurig machen. Klar, wir sind von Gott erlöst, aber wir leben immer noch in dieser irdischen Welt.
Für mich sind diese Lieder eine zur Welt hingewandte Seite der Anbetung. Vordergründig ist das Album nicht so Christo-zentrisch. Aber obwohl erst im siebten Song das Wort «Gott» auftaucht, steckt er überall zwischen den Zeilen.
Und wie klingt «Storys»?
Es ist akustische, handgemachte Musik, mit alternativen Gitarren-Tunings und eigentümlichen Sounds. Zum Beispiel habe ich bei den Liedern «Schrift an der Wand», «Komm zu mir», «Wo gehör’ ich hin» oder «In meines Vaters Haus» versucht, in der Kompositionsweise ein klein wenig gegen den Strich zu bürsten. Es gibt so viel Musik da draußen, da sollte diese CD meine eigene Handschrift haben. Zusammen mit Stefan Weyel, der ein grossartiger Soundtüftler ist, ist uns das, glaub ich auch ganz gut gelungen.
Und dann hatten wir Kosho, von den Söhnen Mannheims an Seiteninstrumenten wie Mandoline oder einer elektrischen Sitar; den Gregor-Meyle-Geiger Christian Herzberger an Cello, Bratsche und E-Geige, dessen Sounds wir durch diverse Effekte gejagt haben. Klaus Bittner hat wieder grandiose elektrische Gitarren beigesteuert und Ralf Gustke – der sonst bei Xavier Naidoo spielt – sorgt für den kreativen Beat. Die akustischen Gitarren spiele ich größtenteils selbst.
Hast du ein Lieblingslied auf dem Album?
Das wechselt monatsweise, aber es gibt ein paar Lieder, die starke Rückmeldung bringen und einen dann selbst auch noch mehr bewegen. Zum Beispiel die Songs mit familiären Themen, wie «Wo gehör ich hin?», oder «Maria». Für viele sind diese Lieder wie ein Spiegel, in der sie ihre eigene Geschichte wieder finden. Sie sind wie ein Mahnmal: Will ich wirklich für meine Wünsche die heile Welt meiner Kinder opfern?
Dabei will ich nicht moralisch werden oder Leuten, die sowieso schon durch schwere Zeiten gehen, auch noch ein schlechtes Gewissen machen. Aber wir alle gehen im Leben durch Höhen und durch Tiefen. Ich möchte Mut machen, durchzuhalten, denn interessanterweise finden wir gerade in den Tälern zu Gott.
Wie gehst Du ans Songwriting ran?
Ich bin ein Vielschreiber und konnte schon immer Songs auf Knopfdruck schreiben. Meistens komme ich vom Text und versuche dann, dem ganzen einen besonderen musikalischen Anstrich zu geben. Ich mag auch ausgefallene Ideen, die dann mit einer Hookline (dem Ohrwurm) kombiniert werden.
Das Feilen an den Texten dauert oft Wochen. Ich arbeite so lange, bis die Kanten abgeschliffen sind, wie ein Stein, der durch die Strömung glatt wird.
Und ich frage Freunde und Musiker um Rat. Bei «Storys» habe ich zum Beispiel Albert Frey gebeten, die Songs im Einzelnen kritisch zu kommentieren.
Was macht eine gute Produktion aus?
Wenn es einen Künstler gibt, der eine eigene Handschrift hat, dann muss das erkennbar sein. Man sollte nicht das Gefühl haben, die Platte schielt danach, einen Sound zu kopieren. Wenn ich ein Künstleralbum produziere, versuche ich als erstes, zu verstehen, wer der Künstler ist.
Manchmal ist der Spagat zwischen dem Album und dem, was auf der Bühne passiert, zu gross. Dann hört man dann: «Habt ihr nicht irgendwas da, das so klingt, wie das, was ihr live macht?» Mir hat mal einer gesagt: «Die Leute wollen nach dem Konzert ein Polaroid Eurer Musik mitnehmen; ihr gebt ihnen aber stattdessen ein Gemälde.»
Andererseits ist die CD aber auch ein künstlerisches Mittel, das produziert klingen darf und Klangwelten schafft. Das hat meiner Meinung nach seine vollkommen eigenständige Berechtigung. Aber die Welt schreit in erster Linie nach Authentizität und Leidenschaft. Hochglanz wird nicht mehr im gleichen Maße geschätzt.
Ich vergleiche das gerne mit einem Fotoshooting. Du würdest jemanden nicht in ein schlechtes Licht zu stellen. Mit Schminke und Fotoshop wird alles geschönt. Aber der Charakter der Person muss erhalten bleiben, sonst ist es am Ende kein gutes Bild. Ähnlich sehe ich das bei einer Musik-Produktion. Wenn man ein Album so produziert, dass man hinterher das Gefühl hat, man erkennt den Künstler nicht mehr wieder, hat man seinen Job verfehlt.
Gibt es künftig keine Lobpreisalben mehr von Arne Kopfermann?
Ich werde in absehbarer Zeit wohl kein Soloalbum mit Lobpreisliedern herausbringen. Lieber schreibe ich im Moment zu unterschiedlichen Anlässen einzelne Songs, und wenn die dann in den Gemeinden die Runde gemacht haben, nehme ich sie vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal als Lobpreisalbum auf. Aber jetzt gehe ich erst mal auf Tour mit meinem Album und mit anderen Projekten. Bei meinen Konzerten versuche ich aber immer, den ersten Teil Story-bezogen konzertant zu gestalten, und im zweiten Teil mache ich Lobpreis im klassischen Sinne.
Webseite:
Webseite von Arne Kopfermann
Video:
Live Aufnahme des Songs "Maria" aus dem Album "Arne Kopfermann - Storys"
Datum: 29.03.2011
Autor: Miriam Hinrichs
Quelle: Livenet.ch