"Ich träume gern von einer anderen Welt …"

Christoph Silber
Good Bye Lenin - Der Film

Christoph Silber ist 32 Jahre alt und Drehbuchautor. Zusammen mit zwei weiteren Autoren arbeitete er am Film "Good Bye, Lenin", der von der deutschen Wende erzählt, und soeben mit dem europäischen Film- und Publikumpreis ausgezeichnet wurde. Aufgewachsen in der früheren DDR, lebt er auch heute noch am Prenzlauer Berg im Ost-Teil Berlins, träumt gerne von einer anderen Welt und ärgert sich über leidenschaftslose Menschen im Filmbusiness. Livenet.ch hat mit ihm gesprochen.

Christoph Silber, Sie haben das Drehbuch zu "Good Bye, Lenin" überarbeitet. Wie lief's dann praktisch?
Christoph Silber: Ich hatte lange davon geträumt, einmal mit Regisseur Wolfgang Becker zusammenzuarbeiten. Er ist ein ungewöhnlicher und sehr kluger Mensch mit einem grossen Herzen, der enorm hohe Ansprüche an die Arbeit stellt. Ich kann nur sagen: Meine Träume sind nicht enttäuscht worden.

Sie haben einen aussergewöhnlichen Job. Was gefällt Ihnen ganz besonders daran? Und worüber können Sie sich ärgern?
Ich erzähle leidenschaftlich gern Geschichten, träume gern von einer anderen Welt. Im Filmgeschäft trifft man Menschen mit guten Geschichten und grossen Träumen. Das macht mir Spass. Leider trifft man auch Leute ohne Leidenschaft, die über ganze Filmprojekte entscheiden können. Das nervt gelegentlich.

Als Drehbuchautor arbeitet man oft alleine. Macht Ihnen das keine Mühe? Oder schätzen Sie das sogar?
Eigentlich bin ich gar nicht so allein, ich arbeite viel mit Regisseuren und Produzenten zusammen, mache Projekte mit Co-Autoren. Angenehm finde ich, dass man sich als Autor oft aus dem Wirbel des Geschäfts heraushalten kann. Aber einsam fühle ich mich nicht. Höchstens, wenn ich an meinem ersten Roman arbeite, der im nächsten Jahr erscheinen soll.

Der Film "Good Bye, Lenin" thematisiert die Wende im Jahr 1989: Eine Sozialistin liegt im Koma und bekommt darum den Fall der Mauer gar nicht mit. Als sie aufwacht, versucht ihr Sohn, die Wende zu verheimlichen. Er erfindet Ausreden und lässt sie Nachrichten vom Band sehen, die er selber inszeniert hat. Der Film geht ans Herz, ist aber auch sehr witzig, obwohl eine tiefere Problematik dahintersteckt. Interessiert Sie die West-Ost-Problematik grundsätzlich? Sie ist ja in Deutschland immer wieder ein wichtiges Thema.

Natürlich. Ich denke, diese Problematik reicht wesentlich tiefer in unserer Geschichte. Sie ist wichtig für jeden, der in diesem Land lebt. Das erlebe ich immer wieder an den Reaktionen bei Publikumsveranstaltungen zu ”Good Bye, Lenin”..

Hatten Sie selber in der DDR gelebt?
Ja, ich bin in Ostberlin geboren und aufgewachsen.

Wie erleben Sie die Menschen aus Ostberlin? Sind sie enttäuscht, weil nun doch nicht alles so rosig läuft wie anfangs erhofft?
Rein materiell geht es der grossen Mehrheit der Ostdeutschen wohl besser als zuvor. Was sie nach meiner Beobachtung vermissen, ist das Heimatgefühl, das sie aus der DDR kennen. Es gab dort keinen Leistungsdruck, keinen Konkurrenzkampf, die Menschen waren wärmer zueinander. Natürlich gab es auch genauso viel Unschönes, aber in der Rückschau sieht man die Dinge eben gern ein wenig verklärt.

Suchen die Leute wieder einen Glauben an Gott, weil die Hoffnungen aufs neue Deutschland enttäuscht wurden?
Da sehe ich keinen direkten Zusammenhang. Fakt ist, dass die Kirchen vor dem Ende der DDR wesentlich besser besucht waren. Sie waren Stätten der Begegnung abseits der staatlichen Ordnung. Allerdings sehe ich genau in der Sehnsucht der Menschen nach Wärme, nach einem Zuhause eine grosse Chance für die Kirchen, ihre Mission zu erfüllen.

Was bedeutet Gott für Sie?
Gott ist die Nummer Eins in meinem Leben. Er hat mir beigebracht, was Liebe ist und wo ich hingehöre. Seitdem bin ich ein glücklicher Mensch.

Wie sind Sie zu so einem Glauben gekommen?
Durch eine ganz existentielle Begegnung mit Gott im dunkelsten Moment meines Lebens. Ich war in New York, hatte mein Leben satt. Da habe ich erlebt, wie ich plötzlich an die Hand genommen wurde. Ich verstand zum ersten Mal, dass sich Gott wirklich für mich interessiert. Unmittelbar danach fand ich meine Frau und durch sie auch die Adventgemeinde, zu der ich heute gehöre.

Gelingt es Ihnen, Ihre Arbeit und Gott manchmal auch zusammenzubringen?
Genau das habe ich lange vergeblich versucht. Dann wurde mir klar, dass ich einfach loslassen muss. Im 23. Psalm steht: "Der Herr ist mein Hirte." Je mehr ich lerne, das zu leben, umso weniger muss ich mich mühen, Gott nach dem Weg zu fragen. Er ist ja der Weg.

Worüber würden Sie am liebsten ein Drehbuch schreiben, unabhängig von Produzenten, Regisseur usw.?
Da gibt es vieles. Ich hätte sehr gern ein Buch über Luther geschrieben, aber da ist mir jemand zuvorgekommen.

Das Interview führte Iris Muhl.
"Good Bye, Lenin" ist als DVD oder Video in Fachgeschäften erhältlich und sehr zu empfehlen.

Datum: 01.05.2004
Autor: Iris Muhl
Quelle: revolution-one.ch

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