Streitkultur

Ein christliches Schiedsgericht einrichten

Wegen meines Berufs werde ich gelegentlich als Experte für Streitigkeiten angesehen. Tatsächlich ist die Streitbeilegung und Aussöhnung eine der schöneren Aspekte meiner Beschäftigung. Regelmässig landen auch Konflikte unter Christen auf meinem Schreibtisch.
Gericht
Daniel Albietz

Dies überrascht im ersten Moment, denn wir Christen halten uns gemeinhin für konfliktfähig und hätten mit einem gerechten Gott sowie mit den Werkzeugen «Vergebung» und «Versöhnung» eigentlich auch die besten Voraussetzungen dazu. Paradoxerweise haben wir dennoch nicht die beste Streitkultur. Denn in einer falsch verstandenen Pflicht, mit allen Menschen Frieden zu halten sowie sanft- und demütig zu sein, gehen viele Christen einer offenen Auseinandersetzung aus dem Weg. Und dies, obwohl ein gründliches und sachliches Inventar aller Streitpunkte einer Aussöhnung oft erst den Weg bereitet. Der weltliche Gesetzgeber hat dies begriffen und in der neuen schweizerischen Zivilprozessordnung die Pflicht zur Durchführung einer Schlichtungsverhandlung verbindlich vorgeschrieben. Sinnigerweise hiess sie in einigen Kantonen früher «Aussöhnungsverhandlung».

Womit wir bei der Frage wären, was zu tun ist, wenn zwei Parteien mit christlichem Hintergrund und einem handfesten Streit (etwa über eine Geldforderung) sich nicht einig werden. Sollen sie diesen Streit vor Gericht austragen? Nach unserer Staatsordnung wäre dies der richtige Weg, um ein abschliessendes Urteil zu erhalten.

Der Apostel Paulus hatte, was «Rechtssachen unter Christen» betrifft, klare Ansichten (siehe 1. Korinther 6). Kurz zusammengefasst findet er: Man solle sich eher Ungerechtigkeit und Übervorteilung gefallen lassen, als seinen Bruder vor ein weltliches Gericht zu ziehen. Und er ist der Ansicht, Streitigkeiten unter den «Heiligen» seien durch diese selber zu beurteilen. Allerdings braucht die Durchführung eines solchen Verfahrens nebst Weisheit auch ein Minimum an juristischem Sachverstand.

Aus diesem Grund äussere ich an dieser Stelle erstmals öffentlich die Idee, in absehbarer Zeit (zum Beispiel auf Stufe der Evangelischen Allianz) ein christliches Schiedsgericht einzurichten, welches die vornehme Aufgabe hat, zivilrechtliche Streitigkeiten unter Christen zu schlichten und zu entscheiden. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Einrichtung einer solchen Institution liegen längst vor.

Wer ist bereit, diesen Gedanken aufzunehmen und zu entwickeln?

Der Autor ist Anwalt und Gemeinderat (Exekutive) in Riehen BS.

Webseite:
Albietz Anwälte

Datum: 10.04.2012
Autor: Daniel Albietz
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

Werbung
Livenet Service
Werbung