Treue ist mehr als ein Wort
Vor Jahren hörte ich einen Vortrag über Verbindlichkeit in der Ehe. Der Referent zeigte das Modell der Ehekurve – eine Kurve, die die Qualität einer Beziehung darstellt: beim Kennen lernen von zwei Menschen steigt sie stark an. Das ist die Phase des Verliebtseins, in der durch die berühmte rosarote Brille alles perfekt aussieht. Die Kurve klettert bis zu dem Tag, an dem das Ganze verbindlich wird: dem Hochzeitstag.
Nur noch bergab
Doch von da an gehts bergab. Unterschiede, die vorher kaum ins Gewicht fielen, werden jetzt zur Last. Dabei sind es meist Kleinigkeiten, die das Miteinander belasten: Der eine möchte nachts mit offenem Fenster schlafen, der andere kann sich nur bei geschlossenem gut erholen. Das Ehepaar diskutiert darüber, wie es sich wann mit welchen Freunden trifft, wie der Kontakt zu den Schwiegereltern aussehen soll. Die Ehekurve stürzt weiter bergab. Doch wie tief die Krise auch sein mag, es ist immer möglich, die Unterschiedlichkeiten aufzuarbeiten. Wenn dies geschieht, verzeichnet die Kurve wieder eine positive Entwicklung der Beziehung.
Treue und Verbindlichkeit
Bei der Vorstellung dieser Ehekurve sass ein Mitarbeiter neben mir, der gerade geheiratet hatte. In der Fragezeit meldete er sich zu Wort: „Wie lange dauert denn so eine Talphase?“ Talwanderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen, besonders in der Ehe, können unterschiedlich lang anhalten. Aber ob kurz oder lang – sie sind nur durchzustehen, wenn Treue und Verbindlichkeit die Grundlage der Beziehung bilden.
Trend zum Ausprobieren
Da Treue so entscheidend ist, hat Gott in der Bibel festgelegt, dass die Beziehung zwischen Mann und Frau in einer Ehe eine lebenslange sein soll. Scheidung war eigentlich nicht vorgesehen. Der Trend der heutigen Zeit geht immer mehr hin zum unverbindlichen Ausprobieren. Wenn die Gefühle nicht mehr stimmen, ist die Beziehung scheinbar doch nicht „das Richtige”. Und das ist ein Grund, sich zu trennen. Aber gewisse Dinge im Leben lassen sich nicht testen. Dazu gehört die Treue. Treue und Liebe haben zwar beide etwas mit Gefühl zu tun, sind aber primär Willensentscheidungen.
Fester Halt in Krisenzeiten
Gott verteilt nicht willkürlich Gebote. Er möchte uns nicht erdrücken, sondern helfen. Er will unser Bestes. Was denkt sich Gott nun dabei, wenn er den Menschen auffordert, treu zu sein? Er wünscht sich liebevolle Beziehungen, die auch in Krisenzeiten fest bleiben. Die Partner sollen sich immer mehr lieben, vertrauen und einander näher kommen. Dafür ist Treue die Grundlage:
1. Treue gibt den Freiraum, den die Liebe braucht, um zu wachsen. Liebe ist lebendig und nicht statisch. Sie entwickelt sich nur in der Geborgenheit der Treue.
2. Treue bildet die Grundlage, um zwischenmenschliche Spannungen in Ruhe aufzuarbeiten.
3. Treue schenkt die Zeit, um Korrekturen im Leben vorzunehmen. Fehler können jedem passieren, und da, wo Treue das Fundament bildet, kann Vergebung Fuss fassen.
4. Treue führt zu der Einheit, die zwischen Mann und Frau bestehen soll.
5. Treue gibt die Zeit, um die Stärken und Schwächen des Partners kennen – und damit umgehen zu lernen.
6. Treue hilft, den anderen schätzen und lieben zu lernen – in der Jugend wie im Alter.
7. Treue bildet den Rahmen, in dem wir Erfahrungen machen können, die unseren Charakter formen. Diese Erfahrungen, auch schmerzhafte, lassen uns barmherziger mit uns und anderen werden.
8. Treue gibt auch die Möglichkeit, eine erkaltete Liebe wiederzubeleben.
Ganz gewiss leben wir in einer Zeit, in der Verbindlichkeit und Treue nicht grossgeschrieben werden. Und doch ist es etwas, wonach wir uns alle sehnen. Nicht nur in der Ehe, sondern in allen zwischenmenschlichen Beziehungen. Treue ist mehr als ein Wort. Treue ist ein Versprechen. Und so ist auch Gottes Treue für uns eine unumstössliche Garantie und Hoffnung.
Autor: Wilfried Schulte, Evangelist und Herausgeber des Magazins „Neues Leben“. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne.
Datum: 06.02.2006
Quelle: Neues Leben