Sie schlief im Auto auf dem Kirchenparkplatz
«Ich habe bewusst getrunken, um zu sterben. Das war meine Absicht. Und jedes Mal, wenn ich doch wieder aufwachte, war ich so wütend, weil das bedeutete, dass ich mich all dem stellen musste, wovor ich davonlaufen wollte.»
Sheri Palmers Leben war nicht immer so trostlos gewesen. Bis in ihre frühen Vierziger hatte sie einen guten Job, ein schönes Zuhause, und alles lief gut. Sheri Palmer erinnert sich: «Ich fühlte mich grossartig. Ich hatte das Gefühl, angekommen zu sein und genau das zu tun, was ich mit meinem Leben tun wollte.»
Sheri Palmer wuchs in der Kirche auf und hatte ihr Leben mit 30 Jahren neu Gott gewidmet. Doch fünf Jahre später kaufte sie eine Eigentumswohnung, welche zunehmend Priorität bekam. «Ich ging nicht mehr so oft zur Kirche. Ich machte keine Andachten mehr. Ich dachte an Dekoration und Reisen – und so kam es, dass ich mich nach und nach, ganz unbewusst, von Gott entfernte.»
Plötzlich zerrinnt alles
Unabhängig und stolz genoss sie ihr Leben. Dann änderte sich innerhalb von 18 Monaten alles. Sheri Palmer erinnert sich, was schiefging: «Mein Bruder bekam eine seltene Krankheit. Mein Vater verlor sein Augenlicht und fing an, mit dem Rollator zu gehen. Ich begann, Krampfanfälle zu bekommen. Schliesslich wurde Epilepsie diagnostiziert, ich war arbeitsunfähig.» Sie verlor ihren Job und ihren Führerschein.
Während ihre Unabhängigkeit schwand, stürzte das Gefühl des Kontrollverlusts sie in eine emotionale Abwärtsspirale. «Ich hatte Angst. Und dann wurde ich wütend. Was würde wohl als Nächstes passieren, was würde von uns erwartet werden? Ich konnte nicht mehr schlafen… Das hatte ich vorher nie erlebt.»
Eine Zeit lang funktionierte der Alkohol
Sie bekam Medikamente gegen die Epilepsie und fand einige Monate später einen neuen Job. Doch nichts half gegen ihre Schlaflosigkeit – bis sie eines Tages beim Einkaufen am Spirituosenregal vorbeiging und eine Flasche Tequila mitnahm. «Ich nahm ein paar Shots und schlief wie ein Baby. Da dachte ich: Das ist die Lösung. Ich kann arbeiten gehen, nach Hause kommen, ein paar Shots nehmen und schlafen wie ein Baby. Und eine Zeit lang funktionierte das.»
Innerhalb weniger Monate ging sie von einem abendlichen Drink zum Tageskonsum über. Sheri Palmer sagt: «Ich wollte nichts mehr fühlen, ich hatte Angst vor Schmerz. Ich hatte Angst, meinen Bruder zu verlieren. Angst vor Demütigung. Angst davor, alles zu verlieren und wieder von vorne anfangen zu müssen. Ich ging nicht zurück zu Gott, weil ich irgendwann wütend wurde. Ich wollte, dass Gott heilt und alles wieder gut macht. Ich wollte, dass er etwas tut – und das passierte nicht.»
Insolvent
Sie verlor ihren Job erneut. Zuhause versteckte sie ihren Alkoholkonsum. «Ich wollte nicht, dass die Leute wissen, wie schlimm es war. Eines der grössten Probleme waren die finanziellen Schwierigkeiten, die unbezahlten Rechnungen. Ich war jemand, der immer alles pünktlich zahlte – und dann musste ich Insolvenz anmelden.»
Das führte dazu, dass sie noch mehr trank. «Ich wollte einfach nicht mehr mit diesen Problemen aufwachen. Also beschloss ich, genug zu trinken, um zu sterben, damit ich nicht mehr aufwachen und mich dem stellen musste. Jedes Mal, wenn ich aufwachte, war ich so wütend, weil das bedeutete, dass ich mich all dem stellen musste, wovor ich davonlief.»
Am Tiefpunkt angelangt
In den folgenden Jahren ging der Teufelskreis weiter. Sheri Palmer war jede Nacht bis zur Bewusstlosigkeit betrunken und wachte nur auf, um weiterzutrinken. Sie konnte keinen Job halten und verlor ihre Wohnung. Gelegentliche Reha-Aufenthalte verstärkten nur ihr Gefühl des Scheiterns, wenn sie wieder zur Flasche griff. «Ich schämte mich, weil ich inzwischen wusste, dass ich abhängig war – und ich wusste nicht, wie ich jemals aufhören sollte oder ob ich überhaupt wollte.»
Dann, eines Tages im April 2013, ging Sheri nach einem Abend in einer Bar mit einem Fremden nach Hause. Am nächsten Morgen wachte sie verkatert und beschämt auf. «Ich musste ihn fragen, was wir getan hatten, und er half mir, alles zusammenzusetzen. Ich erinnerte mich nicht einmal daran, dass wir Sex hatten. Das war genug. An diesem Punkt ergab ich mich Gott. Als ich ihn endlich rief, war er sofort da. Ich war erleichtert, weil ich wusste, dass das der Schritt war, den ich tun musste.»
Schlafen auf dem Parkplatz der Kirche
Sie hörte auf zu trinken, fand eine Gemeinde und bekam einen neuen Job. Dann, sagt Sheri Palmer, hörte sie Gott zu ihr sagen, sie solle «ihre vier Wände verlassen». Also packte sie und lagerte ihre Sachen bei ihrer Mutter ein. Ohne dass ihre Gemeinde etwas wusste, lebte Sheri Palmer zehn Monate lang in ihrem Auto und schlief auf dem Parkplatz der Kirche.
Sie lernte, sich auf Gott zu stützen und ihre Angst- und Kontrollprobleme loszulassen. Über das Leben im Auto sagt sie: «Ich konnte zur Arbeit gehen und zu Treffen der ‘Anonymen Alkoholiker’. Das Gebäude, in dem ich arbeitete, hatte ein Fitnessstudio, also konnte ich dort trainieren und duschen.» Danach parkte sie ihr Auto vor dem Kreuz auf dem Parkplatz der Kirche und schlief dort. «Alles loszulassen, was ich kannte, alles Vertraute, die Kontrolle – das war sehr, sehr beängstigend. Aber ich wusste, dass ich lernen musste, Gott zu vertrauen.»
«Dieser Weg lohnt sich»
Nach den zehn Monaten fand Sheri Palmer eine neue Wohnung und konzentrierte sich darauf, Gott näherzukommen, während sie ihr Leben Stück für Stück wieder aufbaute. Fünf Jahre später traf sie eine weitere Tragödie: Ihr Vater, ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder starben innerhalb von elf Monaten.
Dieses Mal griff sie nicht zur Flasche, sondern sie ging damit zu Gott. «Ich habe gelernt, dass Angst mich von Gott wegtreibt. Er möchte, dass ich näher zu ihm komme, damit ich, wenn all diese Dinge passieren, ich auf ihn schaue. Auf einen grossen, liebevollen Gott, der sich um die Probleme um mich herum kümmert.»
Heute lebt Sheri Palmer nicht mehr in Angst, weil ihr Vertrauen in Gott liegt – etwas, das sie mit jedem teilt, dem sie begegnet. Sie sagt: «Ganz gleich, was in deinem Leben passiert, ganz gleich, womit du heute, an diesem Tag, zu kämpfen hast: Bitte Gott um Hilfe. Er ist direkt da und wartet auf dich. Vertrau ihm! Der Weg lohnt sich.»
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