Ursula Häberling

Suizidversuch ins Leben

Ursula Häberling
Ursula Häberling hat bereits als junge Frau zahlreiche Verluste zu verarbeiten; mit 25 den Tod ihres vier Tage alten Töchterchens. Später in ihrer Ehe wird sie erneut stark herausgefordert. Was gab und gibt ihr die Kraft zu leben?

«Seit ich denken kann habe ich nach einem guten Gefühl im Leben gesucht. Als Teenager fand ich dies im Leistungssport oder in der Musik», steigt die gelernte Primar-, Turn- und Sportlehrerin ins Interview ein. Ihre Geschichte beginnt Ursula Häberling mit dem härtesten Schicksalsschlag in ihrem Leben.

1983, aufgrund eines Sonnenstichs mit starkem Unwohlsein, sucht die damals 25-Jährige den Arzt auf. Dieser eröffnet Ursula: «Sie sind schwanger, etwa in der 16. Woche.» Wilde Gedanken rasen der jungen Frau durch den Kopf: «Das darf nicht sein, ich bringe mich um, ich wandere aus...» Doch als Ursula die Herztöne des werdenden Kinds hört, erwacht ihr Mutter- und Beschützerinstinkt. Einige Wochen zuvor hatte ihr damaliger Freund die Beziehung beendet.

Kurz darauf der zweite Schock: Zwillingsschwangerschaft! Ursula befindet sich auf der Zielgeraden zur Ausbildung als Sportlehrerin und hat letzte Prüfungen vor sich.

Frühgeburt und Albträume

In der 29. Schwangerschaftswoche landet sie ungeplant im Spital in Bern und bringt ihre Zwillinge zur Welt. Die «Frühchen», zwei Mädchen, werden sogleich isoliert und beatmet. Bereits nach vier Tagen heisst es Abschied nehmen. Die schwer geprüfte Mutter darf ihre kleine Nina ein erstes und letztes Mal in die Arme schliessen; kurz darauf schläft das Baby für immer ein. «Es war, als ob mir jemand das Herz aus dem Leib reissen würde», beschreibt Ursula den unfassbaren Schmerz, der sie damals ereilte.

Auch das Leben von Kathrin, der zweiten Tochter, hängt lang am seidenen Faden. Wird sie überleben? Albträume verfolgen die junge Mutter in dieser Zeit. In einem Traum muss sie sämtliche Geleise des Zürcher Bahnhofs überqueren, während alle Züge losfahren. Kommt sie heil an, wird ihr Kind überleben. Immer geht es darum, mit Leistung das Leben des Mädchens zu «verdienen». Zeit, um zu trauern und den Verlust zu verarbeiten, fehlt.

Zwei weitere Todesfälle

Kathrin überlebt schliesslich ihren schwierigen Lebensstart. In jener Zeit wird in der Familie des Bruders der kleine Roland geboren – mit einem Herzfehler. Neun Monate später muss dieser operiert werden; das Büblein stirbt. Erneut bricht für Ursula eine Welt zusammen. Ihr Bruder, der Vater des verstorbenen Kindes, ist es, der sie tröstet und von dem Frieden und der Hoffnung erzählt, die er bei Gott fand, trotz der vielen Tränen. Ursula ist beeindruckt, sagt sich: «Das muss echt sein, das ist nicht gespielt...» Im Herbst, kurz nach seiner Pensionierung, stirbt Ursulas Vater bei einem Reitausflug. Ein weiterer Schlag in ihrem Leben.

Suizidversuch und Neuanfang

Ihre neue Beziehung erweist sich als sehr schwierig. Der Freund zeigt wenig Verständnis für die Nöte der Alleinerziehenden und bagatellisiert das Erlebte. Gewalt und Alkohol sind im Spiel. Irgendwann sagt sich Ursula klar: «Ich kann nicht mehr. Ich werde mir Tabletten besorgen und meinem Leben ein Ende setzen.» Dazu kommt es nicht. Am tiefsten Punkt ihres Lebens angelangt, beendet Ursula ihre Beziehung und beginnt, sich Gedanken über Gott zu machen.

Die Worte aus der Bibel, aus Jesaja, Kapitel 43, Vers 19, beschreiben ihren sehnlichsten Wunsch: «Schaut nach vorne, denn ich will etwas Neues tun! Es hat schon begonnen, habt ihr es noch nicht gemerkt? Durch die Wüste will ich eine Strasse bauen, Flüsse sollen in der öden Gegend fliessen.» Ihr Bruder nimmt Ursula mit an eine christliche Veranstaltung. Dort folgt sie dem Aufruf des Pastors und lädt Jesus in ihr Leben ein. Was sie nach diesem Gebet empfindet, beschreibt Ursula heute wie folgt: «Ich fühlte mich wie verwandelt; trotz gleichbleibender äusserer Umstände erfüllten mich tiefe Freude und Zuversicht. Ich war angekommen.»

Vom Neben- zum Miteinander

Ursula beginnt für einen Ehepartner und Vater zu beten und lernt bald darauf Christoph, einen Zahnarzt, kennen. Er ist introvertiert, am Leben leidend und unsportlich – das pure Gegenteil von ihr. Kann und wird das gutgehen? Bezüglich einer gemeinsamen Zukunft ringt Ursula mit Gott um eine Antwort, auch weil sie kaum Verliebtheitsgefühle spürt.

Schliesslich heiratet sie Christoph. Drei weitere Kinder kommen zur Welt, das Miteinander ist herausfordernd. Die Führung der Zahnarztpraxis, der Umgang mit den Patienten, die lebhafte Familie zu Hause... Christoph fühlt sich auch seelisch permanent überfordert, Ursula hingegen alleingelassen und unverstanden. Dennoch hält sie am Ja zueinander fest, sucht bei Gott Kraft, spricht ihm immer wieder ihr Vertrauen aus. Ursulas Zuversicht hilft auch Christoph, dennoch bricht er mit 50 Jahren zusammen, kann nicht mehr arbeiten.

Ursula übernimmt die Führung der Zahnarztpraxis. Nach zwei Klinikaufenthalten wird klar, dass die Praxis verkauft werden muss. Christoph spürt langsam wieder Boden unter den Füssen. In einer Ehetherapie wird das Thema «Asperger» angesprochen, eine Autismus-Spektrum-Störung. Christoph fühlt sich sofort verstanden: «Das bin genau ich», erkennt er. Viele Fragen und Konfliktpunkte klären sich, aus dem jahrelangen Nebeneinander wird ein vertrauensvolles Miteinander. Unterdessen ist das Paar 35 Jahre verheiratet.

Schwungvoll in die Zukunft

Während der Genesungsjahre ihres Mannes entdeckt Ursula Häberling das Trampolin und entwickelt gemeinsam mit einem Physiotherapeuten ein Bewegungskonzept für gesundheitsorientiertes Trampolintraining. Seit zwölf Jahren bietet sie begeistert PMT SwingWalking®-Kurse und Seminare an und erfährt dabei wertvolle Unterstützung durch ihren Ehemann. Abschliessend sagt sie: «Durch all die Tiefen meines Lebens hindurch habe ich Gott erfahren und in ihm ein erfülltes Leben gefunden. Er hat mich immer begleitet. Ich bin ihm für jeden Abschnitt meines Lebensweges dankbar – auch für die schweren.»

Dieser Artikel erschien zuerst  in der Hope-Regiozeitung.

Sehen Sie sich hier eine Talk mit Ursula Häberling an:
 

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Datum: 04.03.2023
Autor: Rolf Frey
Quelle: HOPE-Regiozeitungen

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