Unsichtbar verlinkt - global

«Das hat es noch nie gegeben»

Das hat es in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben: Heutzutage beeinflusst jede unserer Alltagshandlungen das Leben aller andern Menschen. Mit jedem Schritt und Tritt hat mein Handeln Auswirkungen rund um den Erdball!
Erde
Ökonom und Philosoph Dominic Roser.

Woher haben wir auf einmal so viel Einfluss? Der Grund sind die sogenannten Treibhausgase. Jede Autofahrt, jede Dusche, jedes Stück Fleisch bewirkt den Ausstoss dieser unsichtbaren Gase. Diese Gase sammeln sich in der Atmosphäre an, verteilen sich rund um den Globus und verändern das Klima. Seit ein paar Jahrzehnten wissen wir, dass der Klimawandel leider mehrheitlich schädliche statt nützliche Auswirkungen hat: Hitzewellen, Überschwemmungen, Ernteverluste. Die Menschen in Armut trifft es ganz besonders hart. So unfassbar es tönt: jede Autofahrt, jedes Stück Fleisch, jede Dusche trägt dazu bei.

Der Klimawandel zwingt uns zum Umdenken

Unser Hirn ist zu klein für diese Vorstellung. Meine Dusche trägt zu Überschwemmungen in Bangladesch bei? Das kann doch nicht sein! Früher konnten wir vor allem den Menschen in unserem Dorf Gutes oder Schlechtes antun. Eine Königin konnte vielleicht das Wohlergehen eines ganzen Landes steuern, aber auch sie konnte nicht die ganze Welt auf einmal beeinflussen. Heute aber hat jede und jeder von uns diese Macht! Wir sind uns einfach noch nicht gewohnt, so zu denken. Der Klimawandel zwingt uns hier zum Umdenken.

Aber, gehen mich die Menschen am anderen Ende der Welt überhaupt etwas an? Manche sagen, unsere Verantwortung gelte zuerst einmal den Menschen vor der eigenen Haustür: meiner Familie, meiner Kirche, meinem Land. Erst danach kommen die Menschen am andern Ende der Welt.

Doch eine Geschichte der Bibel hinterfragt dieses Denken. Ein frommer Mann fragte Jesus: Wer ist denn mein Nächster, den ich lieben muss? Jesus erzählt daraufhin die Geschichte vom barmherzigen Samariter. Die Samariter waren für die Juden Fremde, und das ist wichtig für die Pointe der Geschichte: Ausgerechnet ein Fremder hat geholfen. Er hat weiter als bis vor die eigene Haustür geschaut. Jesus sagt damit: Der Samariter war zwar nicht der Nächste, aber er ist dem Opfer zum Nächsten geworden.

Wer ist mein Nächster?

Wir können allen Menschen dieser Welt zum Nächsten werden! Diese biblische Sicht ist genau die Einstellung, die wir in Zeiten des Klimawandels brauchen. Es macht keinen Unterschied, wie viele Kilometer zwischen mir und meinem Mitmenschen liegen. Wenn meine Treibhausgase meinem Mitmenschen die Lebensmöglichkeiten abschneiden, dann will ich meinen Lebensstil ändern. Ist unser Hirn denn wirklich zu klein, um diese globale Zusammenhänge wahrzunehmen? Als Christinnen und Christen wissen wir, dass wir alle Kinder Gottes – und somit Schwestern und Brüder – sind. Es ist für uns eine vertraute Vorstellung, dass auch ein unsichtbarer Link zwischen Menschen trotzdem ganz wirklich sein kann. Dieses christliche Gefühl der Verbundenheit rund um den Globus bietet eine Lösung für die vertrackte Klimasituation.

Es ist nicht schwierig, unsere Treibhausgase zu senken. Das Problem ist gelöst, wenn wir Politikerinnen wählen, die all den Fortschritt unserer Zeit in radikalen Umweltschutz statt in Wirtschaftswachstum investieren. Wenn wir dann auch im Alltag ein Ja zu einem Lebensstil haben, der mit dem heutigen Lebensstandard glücklich ist, statt immer mehr haben zu wollen, können wir unseren Mitmenschen mit gutem Gewissen in die Augen schauen. Auch den Mitmenschen, die zu weit weg sind, als dass unsere Blicke sich je treffen werden.
 
Der Autor
Dominic Roser arbeitet als Ethiker und Ökonom an der Universität Oxford zum Thema Klimagerechtigkeit und ist Co-Autor des Buches «Ethik des Klimawandels. Eine Einführung». Am 18. Oktober spricht er an der StopArmut-Umweltkonferenz zum Thema «Wem gehört der Himmel? Klimawandel und Gerechtigkeit».


Datum: 29.09.2014
Autor: Dominic Roser
Quelle: Livenet/Stop Armut

Werbung
Livenet Service
Werbung