Die Apostel: 12 Freunde sollt ihr sein
Es gibt Jünger, die kennen praktisch alle: Petrus, zum Beispiel. Und es gibt solche, die den meisten nicht spontan einfallen, wie zum Beispiel Lebbäus. Was kann man über diese Männer wissen, die zwei bis drei Jahre lang eng mit Jesus zusammengelebt und -gearbeitet haben? Gerade weil die Quellenlage über die zwölf Apostel sehr dünn ist, halten etliche sogar die scheinbaren Fakten über sie für zweifelhaft.
Weil nur die Bibel von ihnen erzählt, teilen etliche die Ansicht des Autors Tom Bissell, der in einem Interview mit «National Geographic» erklärte: «Es wurde nicht zwischen evangelistischer Propaganda und dem, was die Autoren für die Realität hielten, unterschieden. Aus einer modernen Perspektive fällt es schwer, das Evangelium als ungeschönten, wahrheitsgetreuen Bericht anzusehen.» Für ihn scheint klar zu sein: «Ein paar Namen aus dem Neuen Testament beziehen sich wahrscheinlich auf echte Menschen.» Ist das so?
Nicht einmal die Namenslisten stimmen überein
Tatsächlich sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob sich die vier Evangelisten keine besondere Mühe mit den Namen der Zwölf gegeben hätten. Matthäus stellt sie bei ihrer Berufung folgendermassen vor: «Dann rief Jesus seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Macht, böse Geister auszutreiben und alle Kranken und Leidenden zu heilen. Das sind die Namen der zwölf Apostel: zuerst Simon, den man auch Petrus nannte, und sein Bruder Andreas; dann Jakobus und sein Bruder Johannes, die Söhne von Zebedäus; dazu Philippus und Bartholomäus; Thomas und Matthäus, der ehemalige Zolleinnehmer; Jakobus, der Sohn von Alphäus, und Thaddäus; Simon, der ehemalige Freiheitskämpfer, und Judas Iskariot, der Jesus später verriet.» (Matthäus, Kapitel 10, Vers 1-4)
Ein Nathanael kommt nicht vor, viele gehen aber davon aus, dass es der eigentliche Name von Bartholomäus war. Ähnliches gilt auch für Thaddäus, den Lukas als Judas bezeichnet. Die Jüngerlisten sind sich zwar ähnlich, aber sie stimmen nicht überein. Das scheinbare Durcheinander hat allerdings Gründe: In der vielsprachigen Umgebung hatten viele einen hebräischen Namen, aber auch einen griechischen Beinamen. Hätten die Evangelisten hier etwas verschleiern wollen, hätten sie sicher auf korrekt abgeglichene Namenslisten geachtet.
Kirchengeschichtliches Wissen entstand erst viel später
Dass bis auf den Apostel Johannes alle anderen eines gewaltsamen Todes starben, wurde erst viel später berichtet. Tatsächlich erzählt die Bibel selbst nur davon, dass Jakobus, der Bruder von Johannes, ermordet wurde (Apostelgeschichte, Kapitel 12, Vers 2). Genauso legendär ist es, dass Thomas bis nach Indien und Matthäus sogar bis Kirgisistan gewandert sein sollen. Auch die zahlreichen Wundererzählungen über die einzelnen Apostel zählen in diese Kategorie.
Was sich heute wie eine nette Geschichte anhört, wurde damals oft vehement abgelehnt. So berichten zum Beispiel die apokryphen Andreasakten über sensationelle Wunder, bei denen der Apostel Andreas mithilfe eines Engels ein ganzes Heer besiegte. Eusebius, der als «Vater der Kirchengeschichte» bezeichnet wird, meinte zu diesen Andreasakten nur: «Man darf sie daher nicht einmal zu den unechten Schriften zählen, sondern muss sie als vollendeten Unsinn und als religionswidrig verwerfen.» Offensichtlich ist nicht jede zusätzliche Quelle eine echte Bereicherung.
Die Evangelien sind einzige Quelle zu den Jüngern
Wie sieht es nun aus mit der Quellenlage zu den zwölf Jüngern? Petrus wird auch ausserhalb des Neuen Testaments bezeugt, andere Jünger erscheinen nur mit ihren Namen in den Jüngerlisten, ohne dass wir irgendetwas von ihnen erfahren. Was Tom Bissell und andere als höchst spekulativ und unsicher bewerten, ist allerdings kaum anders möglich. Zur Zeitenwende lebten im heutigen Portugal die Lusitanier, von denen man allerdings keinen einzigen Herrscher mit Namen kennt. Es gibt Funde von ihnen und sie scheinen historisch belegt zu sein, doch in der Geschichtsschreibung tauchen sie praktisch nicht auf.
Bei den Jüngern von Jesus sprechen wir nun nicht von Königen oder Herrschern, sondern von Zöllnern, Fischern und Handwerkern. Wenn diese in zahlreichen Quellen erwähnt würden, dann wäre wohl etwas faul. So erscheinen die zwölf engsten Vertrauten von Jesus nicht «nur» in den Evangelien, sondern überhaupt in historischen Quellen wie den Evangelien. Und diese sind nicht von schlechterer Qualität als Rechenschaftsberichte römischer Feldherren gegen die Lusitanier.
Tatsächlich unterstreichen scheinbare Ungereimtheiten in der Berichterstattung über die Apostel deren Authentizität. Wer sie als prinzipiell erfunden einordnet, müsste einen grossen Teil der geschichtlichen Ereignisse aus der Antike als unglaubhaft ablehnen. So spricht vieles dafür, dass die zwölf Apostel nicht nur tatsächlich mit Jesus unterwegs waren, sondern auch noch so hiessen, wie sie laut Bibel hiessen.
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Datum: 21.04.2023
Autor:
Hauke Burgarth
Quelle:
Livenet