Goldenes Handwerk in Kanada
Thomas Feuz besuchte Fritz und Christine Kaiser in Kanada.Beinahe erscheinen sie mir wie Lichtgestalten: Fritz und Christine Kaiser tragen den obligaten Plastikmantel über weissen Hosen, Hemd und Gummistiefeln. In der grossen Halle wieseln die Angestellten flink hin und her, auch sie im obligaten weissen Berufsoutfit. Die fast «himmlisch» anmutende Atmosphäre wird nur vom leisen Surren der vollelektrischen Produktionsmaschinen gestört. Ab und zu tritt ein Mitarbeiter auf leisen Sohlen zum Chef. Dessen Unternehmen verarbeitet heute 25'000 Liter Milch täglich. Diese wird in zwei Silos von 27'000 und 38'000 Litern gelagert. Der Betrieb liegt «mitten in der Prärie» und weit weg vom Schuss. Für den Verkaufsladen ist die Lage kein Nachteil; die Qualität der Kaiser-Käse hat sich herumgesprochen. Am Wochenende verbinden viele Kunden ihren Ausflug mit einem Einkauf «chez Kaiser».
Leben zwischen zwei Welten
Die Geschichte von Fritz und Christine Kaiser reicht weit zurück. Sie beginnt wie alle bisher präsentierten Auswandererporträts: mit Abschiedsschmerz, harten Aufbaujahren, Rückschlägen und neuen Hoffnungen. Fritz Kaisers Vater emigrierte kurz nach dem Krieg von Süddeutschland in den Kanton Zürich, war dann als Karrer auf einem Hof im Emmental tätig und baute sich schliesslich mit seiner Familie eine neue Existenz in Kanada auf. Nach 14 Tagen Kanada reiste Fritz 1975 in die Schweiz zurück und absolvierte eine vierjährige Ausbildung als Molkerist bei der Firma Toni. In der Westschweiz machte er ein einjähriges und in der Weichkäserei Uster ein dreimonatiges Praktikum. Sein Chef Walter Regez lud ihn an eine IVCG-Veranstaltung ein. Die Begegnung mit überzeugten Christen war prägend für den jungen Berufsmann. 1981 zog es auch Fritz nach Kanada. Hier setzte er um, was er seinem Vater als Knirps versprochen hatte: Käser werden – und nicht Koch.
Von der Pike auf
Mit viel Einsatz und der richtigen Frau an seiner Seite baute Fritz Kaiser einen blühenden Betrieb auf, der weit über die Bezirksgrenzen hinaus einen sehr guten Ruf geniesst. Auch heute noch legt der Chef über 20 Angestellte immer wieder selber Hand an. Erst kürzlich hat er in eine zukunftsgerichtete Wärmerückgewinnungsanlage investiert.
Der Betriebsstart in Kanada erfolgte mit bescheidenen Mitteln: «Am Anfang produzierten wir in einem 180-Kilo-Käsekessi», erinnert er sich. «Als Heizquelle diente Propangas.» In den Pionierjahren fuhr er jeweils mit zwei Käselaiben ins rund 60 Kilometer entfernte Montreal. Heute nehmen die Kunden teils eine lange Anreise auf sich, um bei Fritz Kaiser Produkte aus Kuh- und Ziegenmilch einzukaufen. «Menschen mit einer Kuhmilchallergie fahren heute weit für guten Ziegenkäse», erklärt er. Bereits werden fünf verschiedene Käse aus Ziegenmilch angeboten.
«Die meisten Rezepturen sind ‹home made›», erklärt der Patron. Kaisers Käseköstlichkeiten haben einige Medaillen errungen. Trotz dem Erfolg sind Stolz und Überheblichkeit nicht Kaisers Ding. Die Belegschaft weiss, dass ihr Patron Christ ist. «Das verpflichtet», ist Fritz Kaiser überzeugt. «Ich will bewusst einen Unterschied machen. Nie käme ein Fluch über meine Lippen.» Diese Gradlinigkeit schätzt das Team, auch den gesunden Humorund die sprichwörtliche Ruhe des Chefs.
Christine Kaiser hat seinerzeit eine Handelsschule besucht. Die 4-fache Mutter ist jeden Tag im Betrieb anzutreffen. Sie und ihr Mann bilden ein gutes Team. Neben ihrem Beruf ist ihnen die christliche Gemeinde wichtig: «Gottes Wort muss Hände und Füsse bekommen. Wir wollen unseren Glauben im Alltag leben.» Auch ihre Geschichte zeigt, dass auf dieser Grundlage manch gutes Handwerk gedeihen kann.
Diesen Artikel hat uns freundlicherweise «ideaSpektrum Schweiz» zur Verfügung gestellt.
Datum: 10.08.2012
Autor: Thomas Feuz
Quelle: ideaSpektrum Schweiz