Ich bin der Sohn eines Lehrers. In meinen Papieren ist 1946 als Geburtsjahr vermerkt. Doch ich wurde erst 1948 geboren; man trug mit dem Vorvorjahr meinem erstaunlich hohen Wuchs Rechnung. Mein Urgrossvater gehörte zu den ersten Christen im Land. Das Bekenntnis zu Jesus gab unserer Familie das Gepräge. Nachdem ich ab 1963 im Dorf meiner Eltern Kinder unterrichtet hatte, besuchte ich von 1967 an die Bibelschule in Savannaketh; der Unterricht fand zwischen dem Reisanbau und der Ernte statt. Nach dem Diplom 1970 konnte ich während einiger Monate in Nordthailand weiterstudieren. Die Mission ermöglichte mir anschliessend einen Sprachaufenthalt in der Schweiz und den Besuch des Instituts Emmaus in St-Légier VD. 1973 kehrte ich nach Laos zurück, um die Leitung der Bibelschule zu übernehmen. 1975 zogen mit dem kommunistischen Sieg in Vietnam dunkle Wolken auf. In Laos dauerte die Revolution länger. Im Herbst 1976 wurde ich vom Provinzgouverneur vorgeladen. Er forderte mich auf, die Schule übergeben. Zwei Soldaten mit Gewehr standen hinter mir. Beim ersten Verhör machte er nur Druck. Beim zweiten Gespräch, eine Woche später, erklärte er, der Staat brauche die Schule. Da ich nicht nachgab, stellte er beim dritten Verhör, wiederum nach einer Woche, am frühen Nachmittag ein Ultimatum: Bis Mitternacht müsse die Schule übergeben sein! Der Gouverneur äusserte, er wolle die Übergabe der Schule für die Zwecke der neuen (kommunistischen, also gottlosen) Epoche in der Öffentlichkeit als noble Geste hinstellen. Doch dann wurden die evangelischen Christen im Radio als Feinde der Nation hingestellt und ich als ein Handlanger der Franzosen und der USA. Uns blieb nur die Flucht. Wenige Tage nach dem Verhör, im November 1976, brachte mein Neffe meine Frau und mich und unser Baby in einem Boot über den Mekong. Zehn Monate verbrachten wir in einem Camp in Thailand; dann wurden wir von Frankreich angenommen und konnten übersiedeln. Seit Dezember 1977 leben wir in Bourges; hier habe ich die laotische Gemeinde aufgebaut, die ich als Pastor betreue. 1986 bildeten die sechs exil-laotischen Gemeinden in Frankreich eine Vereinigung. Als die Michelin-Pneufabrik in der Stadt ihre Tore schloss, haben viele Laoten ihre Arbeit verloren. Familien, die zu uns gehören, verliessen uns. Die meisten Jungen sind weggezogen, weil sie anderswo bessere Perspektiven haben. Wir haben auch ‚Reischristen' unter uns gehabt: Sie distanzierten sich, nachdem ihre materielle Lage sich gebessert hatte, von uns und ordneten sich wieder in die buddhistische Kultur ein, welcher ihre Verwandten noch anhangen. Manche Christen waren unter Druck gesetzt worden; andere wollten sich des Schutzes der Geister versichern, welche in althergebrachten Ritualen wie dem baci-Ritual gebunden werden. In Frankreich haben unsere Kinder zunehmend Kontakte zu einheimischen Christen; es ist eine grosse Aufgabe, Brücken zwischen den Kulturen zu bauen, ohne das Kostbare, das wir mitbringen, zu vergessen.Der Gouverneur und die Gewehre
Über den Mekong
Was in Europa bleibt
Datum: 12.01.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch