Ruth Menzi und Willy Wunderli kannten sich bereits seit einigen Jahren. Die pensionierte Köchin besuchte die Bibelstunden und Gottesdienste, die der pensionierte Prediger im Altersheim Tabor in Wald hielt. 2002 war er mit seiner kranken ersten Frau Rösli ins Tabor gezogen, wo er sie drei Jahre lang pflegte und daneben geistliche Aufgaben wahrnahm. Im Jahr 2005 starb Rösli, mit der Willy 49 Jahre verheiratet gewesen war. Sein Bruder bot dem Witwer eine Dachwohnung in seinem Haus an und Willy zog an den Zürichsee. Von Meilen aus übte er weiter geistliche Dienste im Haus Tabor in Wald aus. Im Februar 2008 sollte Willy Andachten in einem Ferienheim in Deutschland halten. Mangels Gästen wurde die Woche abgesagt. Willy hatte deshalb in jenem Monat lediglich einen Seniorentreff zu halten.«Da erkannte ich: das Alleinsein macht mir zu schaffen», erzählt Willy Wunderli. Zudem würden die Dienste im Tabor im Frühjahr 2008 ganz wegfallen. Sein Nachfolger war bereits bekannt. «Ich stand vor meiner zweiten Pensionierung.» Willy betete: «Herr Jesus, wenn das nun mein Dauerzustand werden soll, musst du mir Zulagen geben, um die Einsamkeit durchzustehen. Solltest du einen anderen Plan mit mir haben und mir nochmals eine Frau schenken, dann soll dein Wille für sie und für mich geschehen. Du müsstest mir zeigen, wer es ist. Ich habe keine Ahnung, wer es sein könnte.» Am 29. Februar kam Ruth in die Bibelstunde. Willy konnte sich ihren Nachnamen schlecht merken. Sie schlug vor, einander zu duzen. Zudem lud sie ihn vor der nächsten Bibelstunde 14 Tage später zum Mittagessen ein. Der Hausarzt meinte nach einer Untersuchung humorvoll zu Willy: «Du bist ja noch so fit, willst du nicht noch einmal heiraten?» Das löste ein Gespräch in der Praxis aus. Der Witwer erhielt vier Tage später eine schriftliche Einladung von Ruth zu einem Seniorentreff. Willy besuchte sie am selben Tag, und sie sprachen lange miteinander. Danach erhielt er den Eindruck: «Jesus hat mein Gebet erhört.» Bis zum geplanten Mittagessen blieben den beiden zehn Tage, um über eine gemeinsame Zukunft nachzudenken. «Ich entschloss mich, sie zu fragen, ob sie meine Lebensgefährtin werden wolle», erzählt Willy. Mitte März wussten sie es: «Jesus hat uns zusammengeführt.» Sie entdeckten nicht nur geistliche Gemeinsamkeiten: Ruth war auf einem Bauernhof am Lützelsee in Hombrechtikon aufgewachsen. Willy wuchs auf einem Hof auf dem Hosenruck in der Ostschweiz auf. Ruth wollte bald heiraten und dachte: «Ach du liebe Zeit. Jetzt sind wir schon so alt und müssen noch warten bis im November ...» Doch Willy hatte bereits im Jahr 2007 die Feier zu seinem 80. Geburtstag auf den 1. November 2008 festgelegt, weil sein ältester Sohn Samuel mit seiner Familie aus Thailand anreisen würde. Er war im Juli 50 Jahre alt geworden und würde am 2. und 3. November auf St. Chrischona das 25-jährige Jubiläum seiner Ordination als Prediger feiern. Samuel Wunderli betreut als Feldleiter der Überseeischen Missionsgemeinschaft (ÜMG) rund 200 Missionare in verschiedenen asiatischen Ländern. So planten Ruth und Willy ihr Hochzeitsfest auf den 1. November. Mit ihrer Beziehung begann für beide ein neuer Abschnitt. «Es ging alles so schnell, dass ich mich frage: Träume ich oder ist es Wirklichkeit?», berichtet Willy. «Es ist auch für mich eine grosse Veränderung», ergänzt Ruth in ihrer Wohnung in der Sunnmatt mit Blick auf Wald. «Ich hatte als junge Frau eine Freundschaft, die nach zwei Jahren auseinanderging. Seither lebte ich alleine.» Im Freundes- und Verwandtenkreis lösten die Hochzeitspläne Freude aus. Willy hat vier Söhne und eine Tochter mit Ehepartnern und 16 Enkelkinder. Ruth hat eine Schwester mit Ehemann und drei Kindern. Im September und Oktober sortierte Willy Bücher und Ordner, hatte er doch alle Predigten aufbewahrt. Es galt, loszulassen und Möbel wegzugeben. Am 21. Oktober zog Willy zu Ruth nach Wald und am 24. Oktober liessen sie sich standesamtlich trauen. Pläne für die Zeit zu zweit haben Ruth und Willy keine geschmiedet. Nach den turbulenten Wochen wünschen sie sich Ruhe, um einander und ihr gegenseitige Beziehungsnetz besser kennenzulernen. Autor: Manfred KienerVor der zweiten Pensionierung
Gebet erhört
Jesus wirkte
So lange warten?
Träume ich?
Viel loslassen
Datum: 01.12.2008
Quelle: ideaSpektrum Schweiz