«Ein Mensch ist vergänglich wie Gras»
Sie arbeiten beide in einer Branche, die von der Pandemie
besonders hart getroffen wurde. Wie haben Sie wirtschaftlich überlebt?
Astrid Künzler (AK): Ich arbeite stark projektbezogen.
Einige meiner Projekte sind pandemie-unabhängig und laufen so oder so weiter.
Abgesagte Workshops oder Performances konnte ich im Rahmen der Ausfallentschädigungen
des Kantons abfedern. Bei Festivalprojekten haben glücklicherweise alle Unterstützenden
mitgezogen, und es wurden sowohl Fördergelder wie auch Sponsoringbeiträge
beibehalten. Es wird sich nun zeigen, wie es weitergeht.
Willy Graf (WG): Wir haben trotzdem geplant, hielten das Hotel geöffnet, machten Werbung, obwohl wir danach alles annullieren mussten. Wir buchten das als Image-Werbung ab. Wir haben ein restriktives Schutzkonzept eingeführt und konsequent angewandt. Das kommunizierten wir aktiv – vor allem in den sozialen Medien. Dadurch wurde der Ausbildungsverantwortliche einer Institution auf uns aufmerksam, der seine Module nur unter grössten Sicherheitsvorkehrungen durchführen darf. Seither sind wir die bevorzugte Location für diese Gästegruppe. Für das finanzielle Überleben brauchte es die Unterstützung der Eigentümerschaft in Form eines Darlehens und die Kurzarbeitsentschädigungen.
Wann haben Sie sich gesagt, jetzt mache ich «trotzdem»
oder «erst recht» weiter?
WG: In der ersten Corona-Welle schlossen wir unseren
gesamten Betrieb für knapp zwei Monate. Die Aussichten auf die Sommermonate
sahen für Stadthotels nicht gut aus. Weil ich jedoch absolut überzeugt bin von
unserer Daseinsberechtigung, beantragte ich unserer Trägerschaft, jetzt
antizyklisch zu investieren und die vorgesehene Umbauetappe der Hotelzimmer im
Sommer zu realisieren. Dies wurde umgesetzt, und so waren wir bereit für 2021!
AK: Die Frage nach dem «trotzdem» weitermachen stellte sich bei mir nicht. Künstlerin ist man oder ist man nicht. Ich kann nicht nicht-kreativ sein und es ist mein Beruf. Es stellten sich aber Fragen wie: Was ist jetzt meine Aufgabe? Welche Inhalte brauchen jetzt welche Formen? So war mir am Tag eins des Lockdowns klar, dass ein Festival nicht wie geplant stattfinden würde. Also machten wir als Team ein Lockdown-Tanzvideo-Festival daraus. Später haben wir Tanzbesuch-Videos in Kulturinstitutionen produziert, um sie ein wenig zu unterstützen.
Welche positiven Aspekte sehen Sie in dieser Krisenzeit?
AK: Ich denke, dass uns diese Pande-mie wieder klarmacht,
wie verletzlich wir als Gesellschaft sind. Wir sind nach wie vor Winzlinge im
Universum. Zu erkennen und zu merken, dass wir immer noch Geschöpfe sind, tut
manchmal ganz gut. Es gibt uns die Chance zu überdenken, wo wir stehen, was wir
wirklich wollen und wohin und zu wem wir uns ausrichten.
WG: Man wird sich wieder stärker bewusst, dass wir Menschen eben nicht alles so gut im Griff haben, dass Luxus, Reichtum und eine florierende Wirtschaft vergänglich sind. Viele begannen neu zu realisieren, dass das Leben endlich ist und wir trotz modernster Medizin nicht Gott sind.
Not macht erfinderisch: Welche kreativen Wege haben Sie
gefunden?
WG: Wir verstärkten unsere Präsenz in den sozialen
Medien. Ich habe interne Workshops mit meinen Mitarbeitenden sowie mit meinen
Vorgesetzten gemacht, um kreative Lösungen oder zeitgemässe Angebote zu finden.
Daraus entstanden innert Kürze das «Hotel Office» und «Das Businesshotel für
Hybrid-Meetings und Video-Konferenzen».
AK: Wir haben Online-Tanzgebete kreiert und ich habe eine neue Performance mit dem Titel «Himmel auf Erden» entwickelt. Mit dem Festival-Team haben wir neue Formate kreiert, wie eine Online-Challenge. Und mit einem anderen Team arbeite ich an der Umsetzung eines neuartigen, hybriden Spielformats im Bereich der Tanzvermittlung. Da werden Spielende via App durch eine Stadt an Kulturorte geführt. Dort müssen sie mit Bewegungsrätseln den «Mad-Man» aufhalten.
Wie haben Sie Ihre Beziehung zu Gott erlebt?
AK: Wie sonst auch: essenziell, intensiv, real, nah.
WG: Eine Beziehung wird in Krisenzeiten herausgefordert und auf ihre Haltbarkeit getestet – so auch die Beziehung zum Vater im Himmel. Ich bin schon Jahrzehnte mit ihm unterwegs, glaube und vertraue ihm, pflege durch Beten und Bibellesen den täglichen Kontakt mit ihm. Ich weiss aufgrund meiner Erfahrungen, dass er «verhebt»! Somit konnte ich weiterhin meine Sorgen oder mein Unverständnis Gott im Gebet abgeben. Im Vertrauen auf diesen allmächtigen Schöpfer konnte ich trotzdem gut schlafen.
Was ist Ihnen besonders bewusst geworden?
AK: Dass Gott immer noch gut ist und dass es nicht
darum geht, dass wir möglichst keine Probleme oder Herausforderungen haben,
sondern wie wir mit ihnen umgehen.
WG: Wie kurzlebig und zerbrechlich eigentlich unser Leben, unsere Lebenssituation ist. Nicht umsonst steht im Psalm 103: «Gott weiss, was für Geschöpfe wir sind. Er kennt uns doch: Wir sind nur Staub! Ein Mensch ist vergänglich wie das Gras...».
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
AK: Den schon vollbrachten Himmel auf Erden.
WG: Gerne ein Leben ohne solche Einschränkungen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es künftig immer wieder neuartige Herausforderungen geben wird. Ich wünsche mir aufgrund der neu vor Augen geführten Endlichkeit des Menschseins wieder ein stärkeres Gottvertrauen in der Gesellschaft, ein Umkehren von Individualismus und Ichbezogenheit auf allen Gebieten zurück zur Beziehungs- und Konfliktfähigkeit, zur Akzeptanz des Gegenübers, letztlich eine Rückkehr vieler Menschen zum Glauben an den Gott der Bibel!
Zu den Personen: Astrid Künzler (*1970) ist Gründerin und Leiterin von dance.motion und «Kunst im Depot», Performerin, Choreografin und Kulturschaffende. Sie hat in London Tanz und an der Uni Bern Performing Arts und Vermittlung studiert. Zudem hat sie einen Master in Dance Education.
Willy Graf (*1961) hat nach einer kaufmännischen Ausbildung Theologie studiert und wechselte nach zwei Vikariatsjahren in die Hotellerie. Er schloss ein Nachdiplomstudium in Hotelmanagement ab und ist heute Geschäftsführer des Dialoghotels Eckstein in Baar.
Dieser Artikel erschien zuerst in der «viertelstunde für den glauben».
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Datum: 08.06.2021
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: viertelstunde für den Glauben