Antoine Davis

Im Gefängnis, aber frei

Antoine Davis
Manche Lebensgeschichte scheint zu Ende zu sein, bevor sie angefangen hat. Das gilt auch für Antoine Davis aus Seattle. Aber obwohl bei ihm scheinbar alles danebenging, begegnete ihm Gott.

Antoine E. Davis ist 36, verheiratet und Vater zweier Kinder. Er arbeitet als Pastor und Journalist. Und er sitzt im Gefängnis. Antoine wuchs auf ohne echte Chance auf ein normales Leben. Und zunächst war er auch auf diesem scheinbar vorgezeichneten Weg nach unten unterwegs. Doch alles änderte sich, als er im Knast eine Bibel in die Finger bekam. Dem christlichen Webportal «Christianity Today» erzählte er seine Geschichte.

8 Jahre und keine Zukunft

Wenn Antoine an seine Kindheit in Seattle zurückdenkt, fallen ihm Bilder ein, wie er sich als achtjähriger Grundschüler um seine kleineren Geschwister kümmerte, wenn sein betrunkener Stiefvater wieder einmal die Mutter verprügelte. Sie versuchte, dies den Kindern und Nachbarn gegenüber zu verstecken, indem sie ihre blauen Flecken überschminkte. Ihrerseits bekam sie nicht mit, dass ihr Mann Antoine verprügelte, wenn sie zum Arbeiten unterwegs war. Mit zahlreichen Jobs verdiente sie das Geld, um die Familie über Wasser zu halten. Ihr Mann beschuldigte sie jedoch, in diesen Zeiten fremdzugehen – wahrscheinlich, weil er es selbst immer wieder tat. Wenn er dann spät nachts heimkam, drehte sich die Gewaltspirale von Neuem. 

Da Antoine nicht sein eigener Sohn war, war er automatisch Teil seiner Verdächtigungen, er war Gegner und nicht Sohn. Geborgenheit erfuhr er in diesem Zuhause nicht. Die ständige Angst und der vergebliche Versuch, seine Geschwister und die Mutter zu schützen, zerstörten das, was bei anderen in seinem Alter die Kindheit war. Irgendwie glaubte Antoine trotzdem an Gott, doch im Überlebenskampf seines Alltags schien er keine Rolle zu spielen.

13 Jahre und ein harter Hund

Mit 13 verbrachte Antoine jede freie Minute mit seinen grossen Cousins und anderen Teens aus der Nachbarschaft. Rauchend und Bier trinkend spielten diese Domino. Ihre Kleidung und die blauen Bandanas wiesen sie als Gang aus. Als die anderen einen Joint in die Runde gaben, zögerte Antoine zunächst, doch er wollte kein Baby sein und rauchte mit. Seine Sehnsucht nach Annahme übertönte die innere Stimme, die ihm sagte: «Das ist falsch!» Das Marihuana schmeckte ihm nicht, genauso wenig wie das Bier, doch das war für ihn der Preis, dazuzugehören. Irgendwann trug auch Antoine ein blaues Bandana. Da fühlte es sich für ihn längst normal an, den Tag high von Alkohol und Drogen mit seinen Kumpels zu verbringen. Schule, Hobbys, Sport – all diese normalen Dinge spielten keine Rolle in seinem Leben. Er hatte längst die Weichen in Richtung Zerstörung gestellt.

21 Jahre, Vater und Mörder

Antoine zog früh mit seiner Freundin zusammen und wurde bald Vater, in einen normalen Arbeitsalltag fand er jedoch nicht. Als Schwarzer mit Bandenvergangenheit waren ihm solche Türen verschlossen. Schon in der Schulzeit wurde er mehrfach bedroht, angeschossen und verlor Freunde durch Gewalttaten. Eine Weile hatte er sein Geld als Drogendealer verdient und auch die eigene Leere wollte er mit Ecstasy füllen. Mit 21 hatte er als Zuhälter mehrere Prostituierte. Sein Leben war in etwa so verlaufen, wie er und andere das erwarten konnten. Trotzdem erinnert er sich, dass er in dieser Zeit immer wieder zu dem Gott betete, dem er noch nie wirklich begegnet war. 

Antoines Leben kam an einen Wendepunkt, als seine Lebensgefährtin ihn anrief, um ihm mitzuteilen, dass sein bester Freund angeschossen worden war. Sie erklärte ihm: «Er wird es wohl nicht schaffen.» Mit dem Täter hatte Antoine früher schon Probleme gehabt. Jetzt stand es für ihn fest: Er musste seinen Freund rächen. Zusammen mit Kumpels stieg er ins Auto. Alle waren bewaffnet. Als sie den Wagen ihres Feindes sahen, stiegen sie aus und eröffneten das Feuer. Im Rückblick sagt Antoine heute: «Durch Gottes Gnade klemmte meine Waffe. Mir war nicht bewusst, dass auf der anderen Seite der getönten Scheiben ein zweijähriges Kind sass.» Die Männer wurden verhaftet und Antoine fand sich im Untersuchungsgefängnis wieder. Als sein Fahndungsfoto im Fernsehen ausgestrahlt wurde, zeigte es das Klischee eines Mörders: einen 21-jährigen, betrunkenen Schwarzen mit Zöpfen und wirrem Blick. Ungläubig fragte er sich, wie es so weit hatte kommen können. Was sollte sich jetzt noch ändern?

63 Jahre hinter Gittern und doch frei

Es begann damit, dass der spätere Zellengenosse von Antoine eine Bibel hatte. «The Message» stand auf dem Cover und darauf waren Hände abgebildet, deren Handschellen zerbrochen waren. In seiner Angst und Depression gab ihm das etwas Mut und er begann, darin zu lesen. Stundenlang. Und das Wunder geschah. Zum ersten Mal hörte er von Gott, der selbst Menschen wie ihn liebte. Das Gelesene hielt ihm einen Spiegel vor und er erkannte, dass er nicht nur jahrelang an der Gewalt anderer gelitten, sondern dieselbe Gewalt auch weitergegeben hatte. Irgendwann verstand er, dass Jesus ihm am Kreuz Heilung anbot. Konnte Gott einen Mörder lieben? Antoine betete: «Gott, wenn es dich wirklich gibt, will ich dieses neue Leben, das du durch deinen Sohn anbietest. Bitte vergib mir die Dinge, die ich getan habe, und mach mich zu dem Menschen, zu dem du mich geschaffen hast.» Er sass im Gefängnis und war dabei so frei wie noch nie. Von diesem Tag an studierte er das Wort Gottes, als hinge sein Leben davon ab. Die Heilung begann.

Antoines Umkehr war nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stand das Gericht, das ihn im September 2011 in allen Anklagepunkten für schuldig erklärte und zu 63 Jahren Haft verurteilte. Inzwischen sitzt Antoine seit 16 Jahren im Gefängnis. Es bleibt eine schwere Zeit, aber er klammert sich an Gottes Versprechen: «Es ist zu deinem Besten!» Er studierte am «Urban Ministry Institute», wurde als Pastor zugelassen und arbeitet nun in der Freedom Church in Seattle und in einer Gefangenenhilfe. Immer wieder erlebt Antoine, dass Menschen mit traumatischen Erfahrungen radikal verändert und heil werden. Früher hätte er sich nicht vorstellen können, dass Gott jemanden gebrauchen kann, der so verkorkst war wie er – jetzt erlebt er sogar im Gefängnis, dass Gott Leben schenkt und eine Freiheit, die nicht durch Gitter aufgehalten werden kann.

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Datum: 16.04.2025
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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