In der Kirche wie in der Familie

Väter und Söhne brauchen einander

In der Versöhnungs- und Heilungskonferenz von New Holland (Pennsylvania) brach der Wunsch nach Gemeinschaft durch. Er war stärker als der stolze Eigensinn, der nicht nur Generationen trennt, sondern sich auch in der Zersplitterung des Täufertums (und der evangelischen Kirchenlandschaft insgesamt) zeigt.
Die Buggies der Amischen haben ihren eigenen Speed.
Ohren geöffnet: Ben Girod
Lloyd Hoover leitete die Konferenz.
Adhoc-Chor mit Frauen aus verschiedenen Täufer-Kirchen
Es braucht beides: Liebe und Gehorsam: Paul Veraguth
„Wir brauchen euch Väter“: Jonathan Jacobs
Bereit für Neues: jüngere Teilnehmer der Konferenz
Schulterschluss: Albert Zehr und Mark Buckwalter
Tradition kann zum Joch werden: Amisch-Leiter Robert Mast

Am letzten Tag der Konferenz wies Ben Girod, Leiter einer charismatisch erneuerten Gruppe von Amischen im Bundesstaat Montana, auf eine Weichenstellung in der Geschichte der Täufer hin: Als sie, im 17. Jahrhundert aus der Schweiz vertrieben, in der Pfalz Aufnahme fanden, verpflichteten sie sich, das Evangelium nicht mehr nach aussen zu tragen.

„Wir wurden die Stillen im Land. Unsere Ohren wurden unempfindlich. Wir sagen das Evangelium nicht mehr weiter.“ Sein eigenes beschädigtes Gehör sei ein Ausdruck der geistlichen Taubheit, sagte Girod. Er bat den Konferenzmoderator Keith Yoder, für Heilung und Freisetzung zu beten.


Heilender Balsam aus Gilead

John Doe, ein Arzt, brachte eine Flasche auf die Bühne, die mit „Balsam aus Gilead“ etikettiert war. Sein Vorfahr hatte diese als Schiffskapitän über den Ozean transportiert (die in der Bibel genannte Region Gilead, für ihren Balsam bekannt, liegt östlich des Jordan).

„Es gibt Balsam“, sagte Doe. „Wenn wir Christen aneinander Kritik üben, werden wir geistlich taub und stumm. Doch es gibt Hoffnung für den Leib von Christus. Der Balsam aus Gilead fand Verwendung, um Ohren zu heilen.“ Doe, der in der Kongregationalistenkirche beheimatet ist, übergab die Flasche den Leitern der Mennoniten und Amischen.


Ammann und Reist nicht mehr Gegner, sondern – Brüder!

Darauf kamen Leiter von täuferischen Gemeinden nach vorn und empfingen, Arm in Arm stehend, Tropfen des Öls. Sie umarmten sich und sprachen einander Segen zu. Ben Girod proklamierte dabei die Befreiung von der Macht des „taubstummen Geistes“.

Aaron Lapp Jr., ein Lehrer der Amish Mennonite Church in Weavertown, rief aus: „Nun stehen Reist und Ammann nicht mehr gegeneinander – nun sind sie als Brüder vereint!“ (Von Jakob Ammann, einem strikten Emmentaler Täuferführer, haben die Amischen den Namen; sein täuferischer Gegenspieler bei der Abspaltung nach 1693 war Hans Reist.)

Mennoniten, Brüder, Amische: Rivalität wie unter Geschwistern

„Wir haben uns zueinander nicht immer richtig verhalten.“ Der Konferenzleiter Lloyd Hoover brachte sein Empfinden zum Ausdruck, dass Christus nun einen Strom der Heilung freisetze.

Hoover hatte zur Vorbereitung der Konferenz 52 verschiedene täuferische Gemeinschaften im Lancaster County besucht und ihnen Versöhnung ans Herz gelegt. Mit den Echos könnte er ein Buch füllen, sagte er; regelmässig sei dabei einfach „Rivalität unter Geschwistern“ zum Ausdruck gekommen.

Botschafter des Frieden sein können nur Versöhnte

Der Einsatz für den Frieden, der Mennoniten auszeichne, gehe Hand in Hand mit dem Dienst der Heilung, sagte Hoover, einer der 25 Bischöfe der Lancaster-Mennonitenkirche. „Die Welt soll sehen, dass das Volk der Täufer ein Volk des Friedens ist – weil sie Frieden in ihren Gemeinschaften und Familien leben.“

Die reformierten Brüder und Schwestern aus der Schweiz hätten mit ihrer Bitte um Vergebung etwas sehr Bedeutsames ausgedrückt: „480 Jahre sind nicht genug, um etwas wirklich zu begraben. Jesus hat uns einen besseren Weg gezeigt: es unter das vergossene Blut von Jesus zu bringen und Vergebung zu erlangen.“ (1525 trennten sich Zwingli und die Täufer in Zürich.)

Nicht nur Täufer und Reformierte seien eigene Wege gegangen – auch Mennoniten und Amische hätten sich auseinander gelebt und einander verachtet, sagte Hoover. Wie rasch ärgere man sich in der Autokolonne über einen gemächlich trottenden amischen Buggy, fügt er an, und komme sich selbst fortschrittlicher und besser vor. „Vergebt uns“, bat der Konferenzleiter die anwesenden Amischen.

Stolz wegwaschen

Carla Martin, eine junge Frau, schilderte ein Bild, das sie einen Monat zuvor in einer Gebetszeit geschaut hatte. Wie ein Wasserfall stürzte Wasser auf Leiter von mennonitischen und Amisch-Gruppen nieder, die zusammen standen und mit gesenkten Häuptern beteten. „Es ging um Stolz: Die Wassermassen trafen den Stolz.“ Sie zitierte Gottes Zusage, Neues zu schaffen.

Am Ende der dreistündigen Versammlung betete Lloyd Hoover mit den Teilnehmenden: „Herr, du hassest einen stolzen Geist. Er hat die Wasser gestaut. Herr, vergib uns. O Gott, befreie uns von unserem Stolz, dass wir einander mit einem reinen Herzen sehen können. Nimm die Wurzeln dieses Stolzes weg. Wir bitten darum, dass du deine Ströme über deine Kirchen fliessen lässt. Segne uns in unseren Besonderheiten.“

Liebe und Gehorsam

In der Abschlussveranstaltung am Abend gaben die Veranstalter zuerst dem Schweizer Pfarrer und Buchautor Paul Veraguth (Wattenwil BE) das Wort. In seiner Predigt verglich er das Ringen der Christen um Einheit mit den Doppelschleifen, einer liegenden Acht vergleichbar, die Fliegen fliegen, wenn sie eine Glühbirne umschwirren. „Die erste Schleife ist Gehorsam; in der zweiten lernen wir einander lieben. Liebe wird uns zu tieferem Gehorsam leiten und Gehorsam die Liebe vertiefen.“

Der Pfarrer aus dem Gürbetal rief die Anwesenden auf, von anderen zu lernen. „Es tut uns gut, andere Sprachen zu lernen, andere Visionen und Berufungen wahrzunehmen.“ Er ermahnte die Gemeindeleiter, in Liebe und Gehorsam zusammenzustehen und so Einheit für die Christinnen und Christen vorzubilden.

„Wir brauchen euch Väter“

Jonathan Jacobs, ein junger Mann, kam nach vorn und bat ums Mikrofon. „Gott lässt eine Gruppe junger Männer aufwachsen, die Väter brauchen. Wir sind darauf angewiesen, dass Väter uns umarmen. Wir sehen anders aus, haben eine andere Sprache – aber wir brauchen euch, die Väter. Wir brauchen euch nicht weniger, als unsere Vorfahren, die Täufer, Väter brauchten. Wir brauchen alle die Umarmung durch unsere Väter.“

Jacobs erinnerte an die Zeit der Verfolgung, in der Väter, da unterwegs, die Kinder nicht aufgezogen hatten. Die Kinder hätten sich nicht bei ihnen bergen können. Stellvertretend für die Söhne appellierte er an die Väter im Saal: „Ich kann es nicht machen, dass du mich liebst. Aber du kannst mich nicht daran hindern, dich zu lieben. Ich will nicht ablassen, bis du mich segnest.“

Heilung des Vater-Sohn-Verhältnisses

Wie bei manchen Vorrednern flossen auch bei Jacobs Kirchen- und Familiengeschichte ineinander. „Unsere Väter mögen uns verraten haben, wie Zwingli es mit Manz (dem ersten Sprecher der Täufer) tat. Es gibt Wunden im Herzen eines Vaters, die nicht heilen können als durch die Umarmung eines Sohnes. Zugleich gibt es Wunden im Sohn, die nur der Vater heilen kann. Wir haben eine Wüste in unseren Herzen geschaffen – und sie Frieden genannt“, rief Jacobs in den Saal.

Lloyd Hoover fragte die Konferenz, ob sie bereit sei, von Gott das geistliche Erbe anzunehmen (in der Stellung des Kindes) und es an die nächste Generation weiterzugeben (Verantwortung des Vaters). Er lud die unter 40-Jährigen ein, sich vor der Bühne zu sammeln. Die Älteren bat er, sich für ein Segensgebet um sie zu scharen.

Der Schweizer Pfarrer Geri Keller wies auf die Beziehung zwischen Gott Vater und Sohn hin, das vollkommene Vorbild für alle Vater-Sohn-Beziehungen. „Der Sohn gab sein Leben hin, wie eine Salbe, um die Wunde im Herzen des Vaters zu heilen. Er liess sich schlachten wie ein Lamm. Der Vater heilte ihn und gab ihm den Namen, der über alle Namen ist.“

Die Söhne kontrolliert statt motiviert

Albert Zehr, ein älterer Pastor aus Kanada mit täuferischen Vorfahren, wandte sich als Sprecher der Väter an die Jüngeren: „Es tut uns leid, dass wir nicht wussten, wie wir Väter sein sollten. Wir haben euch Söhne nur belohnt, wenn ihr genau tatet, was wir euch sagten. Wenn ihr euch auflehntet, verlort ihr unseren Schutz.“

Zehr äusserte Trauer über das Verhalten seiner Generation. „Doch wir wurden selbst so aufgezogen von unserern Vätern: entweder Kontrolle oder Trennung.“ Das Beharren der Väter auf Traditionen habe Stagnation über die Gemeinden gebracht.

„Bleibt mit uns verbunden!“

Fast flehentlich fügte er an: „Wir sind bedürftig; wir lernen erst, Väter zu sein. Lasst uns nicht allein.“ Sein siebenjähriger Enkel vermöge besser im Geist zu beten als er selbst, sagte Zehr und schloss mit einem Appell an die Söhne: „Wir wollen es für euch sicher machen, Risiken einzugehen. Wir wollen euch anleiten, aber nicht kontrollieren. Wir wollen, dass ihr weiter geht, als wir je gegangen sind. Bleibt mit uns verbunden – aber geht voran! Wir segnen euch.“

Mark Buckwalter, einer der jüngeren Organisatoren der Konferenz, antwortete darauf stellvertretend, indem er den Vätern Vergebung zusprach. Seine Generation rief er auf, sich Väter zu suchen. An die Väter appellierte er, den Söhnen ihre Geschichte zu erzählen, sie in ihr Herz zu lassen. „Helft uns, unser Herz aufzutun. Helft uns, dass wir uns ausdrücken können. Zeigt uns, wie wir euch, unsere Väter, umarmen können.“

Die dreitägige Konferenz schloss mit einem Segensgebet. Ein Amtskollege Hoovers, der sie verfolgt hatte, drückte in einer Bilanz die Erwartung aus, dass Täufer infolge der Versöhnung nun einander leichter vertrauen, einander schätzen und zusammenarbeiten können – „auch wenn wir in verschiedenen Häusern leben und einander nicht kontrollieren können.“


Weitere täuferische Beiträge
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/346/23287/

Beiträge der reformierten Gäste zur Versöhnung
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/23127
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/23172/

Überblick über die Konferenz
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/23020/

Datum: 03.05.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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