Gott anbeten im Krankenbett

Spital
Andreas Steiner, Burgdorf

Ich liege im Spital mit beinahe unerträglichen Schmerzen. Krampfhaft klammere ich mich an den Bettbügel, um meine Schmerzen zu lindern. Ich spüre die Ratlosigkeit der Krankenschwestern, weil die Medikamente keine Wirkung zeigen. Die Ärzte haben auf Nierensteine getippt, aber keine gefunden. Was gibt es in dieser Situation anzubeten? Sicher nicht in dem Sinn, wie wir es uns am Sonntagmorgen gewöhnt sind. Ein neuer Schmerzschub bewirkt, dass ich innerlich seufze: "Herr hilf!" Ist das nicht auch Gebet im Sinn vom Seufzen des für uns eintretenden Geistes?

Ich versuche mich abzulenken, indem ich einen Gegenstand oder einen Baum vor dem Fenster fixiere. Wenn die Schmerzen mörderisch werden, probiere ich bei jedem Atemausstoss "Jesus" zu seufzen. Einfach "Jesus", weil er meine Situation und meine Schmerzen kennt.

Irgendwann habe ich das Gefühl, es ist genug. Ich halte das nicht mehr aus. Ich möchte einfach sterben, um von diesen Schmerzen befreit zu sein.

Ob er mich hört? Er hört mich! Er umgibt mich, ob ich es spüre oder nicht. Die Hilfe kommt in Form der Anästhesie-Ärztin, die mir wie ein Engel erscheint. Eine starke Spritze bewirkt, dass ich mich fast wie im Himmel fühle und keinen Schmerz mehr empfinde. Auch eine Art von Gebetserhörung.

Nach der Operation liege ich im Überwachungssaal. Die Ärzte haben einen Nierenkrebs diagnostiziert und ihn erfolgreich herausoperiert. Ich bin am Leben! Aber die Schmerzen kehren zurück. Wieder nur noch das Seufzen: "Jesus, Jesus!"

So nebenbei erlebe ich, wie die sanfte Berührung einer Hand und die Aufmerksamkeit einer Pflegeperson oder eines Besuchers mir bis ins Innerste wohl tun. Ich mag nicht reden. Ich liege einfach da, aber jemand ist an meinem Bett, reicht mir die Hand und betet für mich. Das tut gut. Ich hab keine Kraft. Ich liege meist bewegungslos und bete meine tägliche Liturgie, die ich in gesunden Tagen eingeübt habe. Sie ist gefüllt mit Bibeltexten und Gebeten. Ich kann sie auswendig, sie dauert 2 Minuten. Sie beginnt mit dem Text: "Sei still und erkenne, dass ich der Herr bin." Sie endet mit dem Segen: "Der Herr erhebe sein Angesicht vor uns her und schenke uns seinen Frieden." Diesen Frieden spüre ich auch in der MRI-Röhre, auf dem Weg in den Operationssaal, oder nach dem Gespräch mit dem Arzt, an dem er mir und meiner Familie eröffnet, dass ich einen Nierentumor habe und sie noch nicht wissen, ob er operierbar sei, oder ob mein Leben relativ bald zu Ende gehe.

Heute bin ich wieder gesund. Ich kann andere Menschen am Krankenbett besuchen, um mit ihnen zu beten oder sie mit Öl zu salben. Oft ist es schon gut, ein Psalmwort zu lesen oder nur da zu sein, im Bewusstsein der Gegenwart des Allmächtigen, der unser Seufzen versteht.

Andreas Steiner

Datum: 27.11.2002
Quelle: online/BewegungPlus

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