Bald geht es im ehemaligen Partytempel in Gifhorn um Jesus
Noch ist das Ganze Zukunftsmusik, aber der Kaufvertrag ist bereits unterschrieben. Zum 1. April übernimmt die Freie Christengemeinde Gifhorn das örtliche Brauhaus und wird es als neues Gemeindezentrum umbauen. Das Motto: «Kirche im Brauhaus – wir lieben das Leben». Bis dahin finden die Gottesdienste der wachsenden Gemeinde in den alten Räumlichkeiten noch im «Schichtbetrieb» statt: es kommen zu viele Besucher. Doch das war nicht immer so.
Vom Einbruch zum Aufbruch
Gifhorn ist ein 40'000-Einwohner-Städtchen zwischen Hannover und Wolfsburg. Also da, wo nie eine pietistische Erweckung hinkam. Die Kleinstadt ist so unspektakulär, dass der Videospieljournalist Erik Range – bekannt als «Gronkh» – irgendwelche nichtssagende Städte in Computerspielen Gifhorn nennt.
Die Freie Christengemeinde Gifhorn wurde bereits vor 60 Jahren gegründet. Wie so viele Kirchen und Gemeinden ging sie im Laufe der Jahre durch Hochs und Tiefs – und seit einigen Jahren eher durch Tiefs. Mitgliederschwund, Perspektivlosigkeit und Krisen beherrschten ihren Alltag. Für viele schien es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Traditionsgemeinde ihre Pforten schliessen würde.
2014 kam Lothar Krauss als Pastor in die Gemeinde. Nicht, weil er unbedingt aufs Land wollte – im Gegenteil! –, sondern weil er meinte, Gottes Stimme zu hören: «Zieht nach Gifhorn, ich habe hier Grosses vor.» Tatsächlich stiess der Pastor einen spannenden Veränderungsprozess an, über den er unter anderem im Buch «Mission Zukunft», herausgegeben von Michael Diener und Ulrich Eggers, berichtet. Bei diesem Prozess standen Besucherzahlen überhaupt nicht im Fokus. «Die stärkste Veränderung fand in uns statt», resümiert Krauss. Aber sie wurde nach aussen sichtbar – und das war attraktiv für viele andere. Heute kommen 350 bis 400 Besucher in den Gottesdienst, zu besonderen Veranstaltungen auch schon mal 600.
Nah bei Gott und nah am Menschen
In seinem «Leiterblog» zitiert Krauss Stimmen von Besuchern. «Ich habe erstmals überhaupt eine Predigt verstanden», meint jemand nach dem Gottesdienst. «Wieso muss man weinen, wenn hier gesungen wird?», fragt ein anderer. «Gott redet zu mir!» und «Noch nie bin ich so aufgenommen worden, ihr seid so freundlich, so interessiert an euren Gästen.»
Äusserungen wie diese unterstreichen, dass der Weg nach innen für die norddeutsche Gemeinde gleichzeitig ein Weg nach aussen geworden ist. Alles begann mit ihrer Haltung, mit einem neuen «Feuer». Und es veränderte auch das Drumherum. Krauss unterstreicht: «In der Folge renovierten wir unsere Räume gründlich und veränderten den Style der FCG. Die Leute, die wir erreichen wollten, sollten sich bei uns wohlfühlen. Auch den Gottesdienst mit seinen Angeboten im Umfeld bauten wir um … Jeder Gottesdienst sollte sowohl für Gäste verständlich als auch für Christen inspirierend und zur Nachfolge herausfordernd sein.»
Leidenschaftlich unperfekt
Trotz aller Innovationen, Veränderungen und dem Wachstum der Gemeinde, bleibt Lothar Krauss sehr realistisch: «Eigentlich ist alles sehr unspektakulär bei uns. Andere Kirchen machen das bestimmt noch viel, viel besser als wir. Man kann sogar enttäuscht sein, wenn man uns mit bekannten Adressen vergleicht. Wir haben keine superbegabten Musiker, Künstler, Videografen oder Redner am Start.» Leidenschaftlich sind sie in Gifhorn, aber perfekt? Fehlanzeige. Warum ist die Gemeinde trotzdem besonders? Noch einmal Lothar Krauss: «Wir vermuten, dass es an Gott liegt. Und an dem Team der FCGler, die sich auf seinen Weg mit Leidenschaft eingelassen haben. Leute, die Gottes Prioritäten zu ihren gemacht haben und sich seinem Auftrag verpflichten. Nicht nur in der Theorie, sondern wirklich. Und gemeinsam.»
Auf zu neuen Ufern
Zu all diesen Veränderungen passt das Brauhaus. Es war einmal ein Restaurant und Partytempel. Jetzt soll es im Traditionsgebäude um Jesus gehen. Als «Kirche im Brauhaus» will die Gemeinde ihren Glauben auch in Zukunft alltagsrelevant weitergeben. Das Motto «Wir lieben das Leben» passt zu den zahlreichen Ideen – von Vorträgen und Konzerten über ein Kinder- und Jugendzentrum bis hin zu einem möglichen Café-Betrieb. Krauss unterstreicht: «Jesus ass, trank und feierte. Er war abenteuerlustig und revolutionär, aufbrausend und scharfsinnig. Er erlebte Einsamkeit und Geborgenheit, Freund- und Feindschaft, Brutalität und Zärtlichkeit. Er kannte Angst und Schmerz, Arm und Reich… und verblüffende Antworten. Und er steht zu uns – auch künftig im Brauhaus!»
Was ist eigentlich das Besondere an dieser Entwicklung in Gifhorn, kann man sich am Schluss fragen. Eben, dass sie in Gifhorn stattfindet und nicht in Chicago oder Berlin. Denn wenn Gott mit normalen Menschen in einer durchschnittlichen Kleinstadt so etwas Aussergewöhnliches hinbekommt, dann funktioniert es überall.
PS: Lieber Gronkh, wenn du das nächste Mal ein nichtssagendes Dorf in einem Computerspiel Gifhorn nennst, dann vergiss nicht, eine Kirche einzubauen.
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Datum: 16.02.2019
Autor: Hauke Burgarth / Uwe Stadtlich
Quelle: Livenet / Aller-Zeitung / FCG Gifhorn