Warum schon Adam schwieg …
Gott hat den Mann (die Frau gab es noch nicht) dazu geschaffen, dass er den Garten Eden bebaue und bewahre und seiner Schöpfung Namen gebe (1. Mose, Kapitel 2, Verse 15 und 19). Er hat den Mann begabt, kreativ zu reden, das heisst, dann etwas zu sagen, wenn er nicht weiss, was er sagen soll. Sein Wort hat Autorität: «Denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heissen.» Noch bevor Gott die Frau schafft, bekommt Adam einen Auftrag, den er für sich und für die ihm Anvertrauten umsetzen soll: «Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen, denn an dem Tag, da du von ihm issest, musst du des Todes sterben» (1. Mose, Kapitel 2, Verse 16b,17). Das konnte er nicht leicht nehmen; immerhin stand auf der Zuwiderhandlung die Todesstrafe. Adam gibt dieses Wissen weiter an Eva, setzt es aber nicht durch. Wo ist er, als Eva von der Schlange versucht wird? 1. Mose, Kapitel 3 legt nahe, dass er die ganze Zeit bei Eva war. «Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und ass und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon, und er ass» (1. Mose, Kapitel 3, Vers 6).
Warum schweigt er?
Er hört, was die Schlange sagt, er hört, wie Eva die Worte Gottes falsch zitiert und er schweigt. Warum? Wäre es nicht angebracht gewesen, Eva zu korrigieren und die Schlange zu stoppen? Was hat ihn bewogen zu schweigen? Wollte er mal sehen, was mit Eva passiert, wenn sie von der Frucht isst? Hat er in Kauf genommen, dass sie vor ihm tot zusammenbrechen könnte?
Wir wissen es nicht. Sicher aber ist, dass die Schlange bei ihm mindestens den Zweifel streuen konnte, dass Gott allenfalls nicht gut genug sein könnte und es vielleicht doch etwas noch Besseres als das Paradies und die Gottesgemeinschaft geben könnte. Das will er nicht verpassen. Adam verliert im Zulassen des Zweifels das reine Herz, das allein Gott schauen kann. Ohne völlig auf ihn konzentriert zu sein, verliert er seine Kreativität und die Fähigkeit zur treffenden Benennung. Er wird sprach- und tatenlos.
Das Vertrauen darauf, dass Gott das einzige Gute ist, lässt uns kreativ und die Dinge benennend aufblühen. Der Zweifel daran lässt uns sprachlos werden und führt in die Verzweiflung.
Wir leben in einer Welt, die vorgibt, die Menschen mit vielen Errungenschaften und mit Selbstverwirklichung glücklich zu machen. In den 70er bis 80er-Jahren sollte an Glück und Befriedigung alles Platz haben, was frühere Generationen in diesem Leben und in der Freude auf eine Ewigkeit im Himmel erhofften. Wer hier missionieren wollte, musste radikal davon überzeugt sein, dass dies der Weg des Verderbens ist und dass nur die Umkehr zu Gott wirklich sinnstiftend, lohnend und der einzige Weg zur Errettung und Erfüllung ist.
Zweifel hindern, Liebe belebt
Der Prophet Jeremia hat diese Überzeugung gelebt, wurde aber durch die ständige Ablehnung seiner Botschaft, durch die Verspottung und Misshandlung, die er erleiden musste, müde. Er zog sich ins Schweigen zurück, um nicht mehr Spott und Verfolgung ausgesetzt zu sein. Seiner starken Überzeugung und seiner Nähe zu Gott wegen, hielt er es aber nicht aus. Er musste das kreative Wort ausrichten, auch wenn ihm weiterhin niemand glaubte. Die Liebe Gottes nötigte ihn, das Wort Gottes auszurichten (Jeremia, Kapitel 20, Verse 7-13).
Der Prophet Jona wählte die Sprachlosigkeit, weil er den Assyrern, von denen er durch Hosea und Amos wusste, dass sie Israel vernichten würden, weder Umkehr gönnte, noch ihnen predigen wollte.
Petrus wurde sprachlos aus Angst (Lukas, Kapitel 22, Verse 54-62) und David, weil er seine Schuld verstecken wollte (Psalm 32).
Bin ich sprachlos, wenn es um Mission geht? Wenn ja, warum? Was bewerte ich höher als das, was Gott getan hat und was er anbietet? Womit nähre ich Zweifel, die mich daran hindern, die Liebe Gottes in Jesus Christus freimütig zu bezeugen?
Hans Ulrich Wenger ist Pfarrer des EGW in Bärau.
Datum: 10.06.2013
Autor: Hansueli Wenger
Quelle: wort+wärch, April 2013