«Soziale Stabilität gefährdet»

Abgetrieben, weil sie Mädchen sind

Eine Studie zeigt, dass immer noch in diversen Ländern Babies abgetrieben werden, nur weil sie Mädchen sind. Diese Praxis hat schwerwiegende Folgen für die Weltbevölkerung.
Ultraschallbild eines Fötus (Bild: Bigstock)

Wie die Evangelische Nachrichtenagentur IDEA meldet, zeigt eine Studie, die am 2. August im Online-Journal «BMJ Global Health» veröffentlicht wurde, dass bis 2100 jährlich zwischen 5,7 und 22,1 Millionen weniger Mädchen als Jungen geboren werden, weil sie wegen ihres Geschlechts abgetrieben werden. Die Forscher haben dazu Datensätze von rund 3,3 Milliarden Geburten in 204 Ländern untersucht und die Entwicklung der vergangenen Jahre auf die kommenden Jahrzehnte projiziert.

Selektive Abtreibung

Seit es möglich ist, das Geschlecht durch Ultraschalluntersuchungen vor der Geburt zu bestimmen, wird in China, in indischen Bundesstaaten (Punjab, Delhi, Gujarat), Südkorea und im Südkaukasus (Aserbaidschan, Armenien, Georgien) ein sehr starker Überhang an registrierten Geburten von Jungen gegenüber Mädchen festgestellt, der nur durch (meist illegale) gezielte Abtreibung weiblicher Föten erklärbar ist, wie «Wikipedia» erklärt.

Die «normale» menschliche Geschlechterverteilung bei der Geburt – die bemerkenswert stabil ist – liegt bei etwa 104 bis 107 Jungen auf 100 Mädchen. Kommen mehr als 108 Jungen auf 100 Mädchen, ist von einer selektiven Abtreibung von Mädchen auszugehen, bei weniger als 102 Jungen von einer Selektion von Jungen. Es gibt allerdings in der Forschung unterschiedliche Ansätze, die Abweichungen von der «normalen» Geschlechterverteilung zu erklären.

Kulturelle Gründe

In vielen Ländern ist ein Mädchen weniger erwünscht als ein Sohn. Das hat – wie in Indien – zum Beispiel wirtschaftliche Gründe (Aussteuer). In China gehören Frauen der Familie des Ehemanns; einem alten chinesischen Sprichwort zufolge sind Frauen «wie Wasser, das man wegschüttet». Auf der anderen Seite ist ein «männlicher» Nachfolger in vielen Kulturen erwünschter als ein Mädchen.

Die Forscher fordern darum mehr Kommunikationskampagnen und Massnahmen, um die geschlechtsspezifische Voreingenommenheit zu bekämpfen. Nach intensiven Kampagnen ist in den letzten 30 Jahren etwa in Indien und Südkorea die geschlechtsspezifische Abtreibung zurückgegangen. Dennoch fehlen im Zeitraum von 1970 bis 2017 nach der Studie aufgrund von pränataler Geschlechtsselektion rund 45 Millionen Mädchen – mehr als 95 Prozent davon in China und Indien. Ein UN-Bericht aus dem Jahr 2010 verzeichnete sogar 85 Millionen verhinderte Frauenleben allein in Indien und China.

Langfristige soziale Folgen

Prognosen zufolge könnten 15 bis 20 Prozent der chinesischen Männer im heiratsfähigen Alter keine Partnerin finden. Laut «Wikipedia» wird darum z.B. von Frauen aus Vietnam, Myanmar und Nordkorea berichtet, die für Zwangsheiraten nach Festlandchina gehandelt werden. Die eingangs erwähnte Studie hält fest, dass es zu Gewalt und antisozialem Verhalten führen und die langfristige Stabilität sowie die nachhaltige soziale Entwicklung beeinträchtigen könne, wenn permanent mehr Jungen als Mädchen geboren werden.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat bereits 1997 eine Resolution erlassen, die «alle Staaten nachdrücklich auf(forderte), Gesetze zu erlassen und durchzusetzen, die Mädchen vor jeglicher Form der Gewalt schützen, namentlich vor der Tötung weiblicher Neugeborener und der vorgeburtlichen Geschlechtsselektion». Demgegenüber fordern radikale Kreise (wie z.B. Amnesty International) die völlige Freigabe und Straflosigkeit jeder Art von Abtreibung weltweit, egal aus welchen Gründen.

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Datum: 11.08.2021
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / IDEA / Wikipedia

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