Entschleunigen

Weshalb ich sonntags offline bin

Handy-freie Zeit
Auf der Suche nach Ruhe und Entschleunigung wagt Madeleine Ramstein mit ihrer Familie das Selbstexperiment: jeden Sonntag ohne technische Geräte. Hier beschreibt sie, wie die Auszeit ihren Alltag verändert.

Es ist Samstagabend und die Kinder schlafen bereits. Ich freue mich schon auf mein Buch und mein kuscheliges Bett. Doch zuvor suche ich meine technischen Geräte auf. Im Büro fahre ich meinen Laptop herunter, im Wohnzimmer schalte ich das Tablet aus, und schliesslich stelle ich mein Handy und meine Smartwatch ab. Hätten wir noch einen Fernseher oder andere technische Geräte, würde ich sie auch ausschalten. Diese Routine, die mein Mann und ich für unsere Familie gemeinsam beschlossen haben, markiert den Beginn unseres technikfreien Sonntags – wir sind ab jetzt offline.

Am Sonntagmorgen wache ich erholt auf. Kein einziges Display leuchtet auf und ruft nach meiner Aufmerksamkeit. Ich setze mich an den Tisch und schlage meine Bibel auf. Es gibt nur mich, meine Gebetszeit und den friedlich prasselnden Regen, während die Welt noch ruhig schläft. Der gegenwärtige Moment steht im Vordergrund, was ich an den Sonntagen schätze. Später, wenn die Kinder aufwachen, geniessen wir ein gemütliches Frühstück, bevor es gemeinsam zur Kirche geht – Handys bleiben selbstverständlich zu Hause. Schliesslich kennen wir ja den Weg und treffen einige unserer Freunde und Verwandten dort.

Der Nachmittag verläuft ruhig. Er gestaltet sich je nach Wetter: Spielen zu Hause im Familienkreis, ein Buch auf dem Sofa, tiefe Gespräche, erholsame Spaziergänge oder ein Besuch von Freunden, ohne die ständige Präsenz von technischen Geräten. Die Zeit scheint stillzustehen. So ruhig wie der Sonntag begonnen hat, geht er auch wieder zu Ende. Und ich habe das Gefühl, wirklich erholt zu sein.

Einfach mal offline

Die Idee, jeden Sonntag offline zu sein, entstand aus einem Selbstversuch im Sommer 2023. Permanent war ich von meinen Geräten abgelenkt. Ich griff ständig zu meinem Smartphone, nur um zu checken, ob jemand geschrieben hat. Am Computer konnte ich mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren, sondern ging meinen E-Mails nach oder schaute mir «nur kurz» ein Video an. Diese beständige Ablenkung erreichte ein bedenkliches Ausmass, weshalb ich einen Selbstversuch wagte: Für fünf Tage verbannte ich alle meine technischen Geräte – mein Handy, meinen Computer, meine Smartwatch und mein Tablet. Ich wollte einfach mal offline sein.

Während diesen Tagen erlebte ich so viel Frieden und Ruhe in meinem Alltag wie noch nie zuvor. Plötzlich hatte ich viel mehr Zeit und der gegenwärtige Moment rückte in den Vordergrund. Diese Erfahrung war so prägend für mich, dass ich mich kurzerhand dazu entschloss, von diesem Moment an keine Filme und Serien mehr zu schauen, was damals meine tägliche Gewohnheit am Abend war. Social Media-Apps löschte ich von meinem Handy und greife darauf seitdem von meinem Laptop aus zu. Generell hat sich meine Zeit am Smartphone seit diesem Selbstversuch drastisch reduziert. Eine weitere der Änderungen, die ich damals eingeleitet habe, war, jeden Sonntag komplett offline zu sein. Es ist eine Entscheidung, die bis heute mein Leben prägt und unsere Familie bereichert hat.

Ich habe das Gefühl, an diesem Tag so richtig zur Ruhe zu kommen. Ich gönne mir eine Pause von der Welt mit all ihren Nachrichten, Forderungen und Einflüssen. Endlich kann mein Herz aufatmen, weil es nicht mehr ständig mit Einflüssen von aussen bombardiert wird. Es fühlt sich an wie ein Tag Ferien in der Woche, wie ein Ruhepol, den ich ganz leicht erreichen kann.

Echte Auszeit

Seit geraumer Zeit versuche ich, einen Tag der Woche als Ruhetag einzuhalten. Ich mache keinen Haushalt und wir essen Reste vom Vortag. Es ist ein Tag der Entschleunigung, in der Gott und die Familie ins Zentrum rücken. Aber eine ganz neue Dimension bekommt die Sabbatruhe ohne technische Geräte. Von der Arbeit zu ruhen ist eine Sache, aber auch innerlich Abstand von allem zu gewinnen, bringt uns in eine noch viel tiefere Entspannung. Die Erholung, die ich erlebe, ist intensiver und nachhaltiger. Nicht nur nehme ich mir eine Auszeit von meinen Tätigkeiten, sondern auch von der Welt und dem Gefühl, erreichbar sein oder auf dem neuesten Stand sein zu müssen. Kein Social Media, keine Schlagzeilen und kein Onlineshopping. Wie entspannt das Leben doch sein kann! Diese Erfahrung macht jeder, der einmal offline war.

Ich versuche nicht, eine neue Regel einführen. Aber meine persönliche Erfahrung und meine Entscheidung, offline zu gehen, hilft mir dabei, den Sonntag als wahre Auszeit und Bereicherung für mein Leben zu erfahren. Dieser Ruhetag lässt mich entspannen und bereitet mich auf die kommende Woche vor. Es fühlt sich an wie ein Neustart, wobei mein Gehirn und die Geschwindigkeit meines Lebens auf null gestellt werden und ich gestärkt und aufgetankt in den Montag starten kann.

Mein neuer Lieblingstag

Es gibt aber auch Ausnahmen zu unserer selbstgesetzten Grenze. Wenn wir als Familie ausnahmsweise einen Ausflug am Sonntag machen oder irgendwo eingeladen sind, benutzen wir eines unserer Handys für die Navigation im Auto. Diese Tage sind aber selten, da wir sonntags hauptsächlich in der Kirche sind und die Nachmittage zu Hause oder mit Freunden und Familie verbringen. Ich finde es wichtig, dass diese Grenze uns dazu verhilft, zur Ruhe zu kommen und nicht noch mehr Stress hinzufügt, weil wir dadurch bei Ausflügen den Weg nicht finden.

Als wir unserer Familie unsere neue Gewohnheit kommunizierten, waren die Reaktionen vielfältig. Manche waren skeptisch, fragten nach Notfällen und wie wir dann erreichbar sein würden. Wir betonten, dass sie in solchen Ausnahmesituationen jemanden, der bei uns in der Nähe wohnt, anrufen könnten. Aber vor allem vertrauen wir darauf, dass der Heilige Geist uns leitet, wenn jemand unsere Gebete benötigt. Andere Familienmitglieder fanden die Idee erfrischend, dass wir uns für einen Tag in der Woche von der Welt verabschieden, um uns zu erholen.

Der Sonntag ist mittlerweile einer meiner Lieblingstage in der Woche. Es ist ein Tag, an dem ich mich ganz Gott, dem Moment, meiner Familie und meinen Büchern widmen kann, ohne jegliche Ablenkung. In dieser Zeit verlangsamt sich mein Leben und ich kann wirklich auftanken und das tun, was mir Freude bereitet. Ich kann es jeder Person empfehlen, einen Tag in der Woche offline zu gehen. Und dabei muss es nicht ein Sonntag sein. Einige arbeiten am Sonntag oder müssen anderen Verpflichtungen nachgehen. Aber wem es möglich ist, sich einen Tag oder ein paar Stunden in der Woche eine Auszeit von seinen technischen Geräten und damit von der Welt zu gönnen, dem kann ich diese Gewohnheit sehr empfehlen!

Ähnliche Impulse gibt es im Magazin Aufatmen. Infos zum günstigen Jahresabogutschein des Magazins findest du hier.

Zum Thema:
Abschalten, um aufzuwachen: Ein gewagtes Experiment
Zwischen den Jahren: Abschalten und Ausruhen
Zutiefst christlich: Einfach mal zur Ruhe kommen

Datum: 01.03.2025
Autor: Madeleine Ramstein
Quelle: Magazin Aufatmen 01/2025, SCM Bundes-Verlag

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung