(Un)Sinn hitziger Diskussionen

Es ist Zeit, den Glauben zu pflegen

Christian Haslebacher
«Die Feuerwehr wartet die Schläuche nicht erst dann, wenn es brennt.» Mit diesen Worten illustriert Christian Haslebacher die Wichtigkeit, in ruhigen Zeiten in den Glauben zu investieren und alte Konflikte zu bereinigen.

«Uns eint mehr als uns trennt», ist Christian Haslebacher überzeugt. Als Regionalleiter der Viva Kirche (früher Chrischona Schweiz) kommt er mit vielen Gemeinden in Kontakt und bedauert, wenn Meinungsverschiedenheiten unter Christen zu unüberbrückbaren Differenzen führen.

Einander die Füsse waschen und nicht die Köpfe

Christian empfindet, dass in Kirchen oftmals entweder über viele Details gestritten wird oder Meinungsverschiedenheiten gar nicht ausgetragen werden. Deshalb plädiert er dafür, mit einer demütigen Grundhaltung über unterschiedliche Sichtweisen zu diskutieren.

«Während Corona sagte ich, dass wir den Satz 'Sorry, ich habe mich bezüglich Corona geirrt' gut einüben sollten. Wir sollten uns so verhalten, dass wir später bei Bedarf ohne Gesichtsverlust zurückrudern könnten.» Und letztlich gäbe es oft Wichtigeres, als die eigene Meinung durchzusetzen. «Es ist unsere Berufung, einander die Füsse zu waschen und nicht die Köpfe.»

Es darf auch mal hitzig werden

Auf die Frage, ob zu gewissen Fragen auch mal hitzig diskutiert werden darf, meint Christian: «Unbedingt. Ich habe nichts gegen Diskussionen. In zu vielen Kirchen gibt es ein übertriebenes Harmoniebedürfnis.» Er ist überzeugt, dass auf dem Boden einer gesunden christlichen Einheit Meinungsverschiedenheiten ausgetragen werden dürfen und auch sollen. «Es gibt wesentliche Fragen, bei denen wir unterschiedlicher Ansicht sein können: Wie gehen wir mit der Natur um? Wie gehen wir mit gescheiterten Menschen um?»

Es sei aber auch wichtig, sich immer wieder aufs Wesentliche zu besinnen. «Während der Coronazeit wurde mir das Apostolische Glaubensbekenntnis sehr wichtig», erzählt Christian. «Das Bekenntnis stammt aus dem Jahr 180 n.Chr. Damals ging es darum, was man glauben muss, um getauft werden zu können. Es ist der minimale Konsens um Christ zu sein.» Heute könne das Bekenntnis helfen, das Wesentliche hochzuhalten. «Und es kann mir in Zeiten des Hin-und-Her-Schwankens helfen, einer jahrhundertealten bewährten Glaubenstradition mehr zu vertrauen als meinen Zweifeln.» Das Glaubensbekenntnis sei also eine Bestätigung für Leute mit starkem Glauben und gleichzeitig eine Stütze für Leute mit quälenden Fragen, ergänzt Christian, der beides erlebt hat.

Über die zentralsten Glaubensfragen sollte in der Kirche also nicht diskutiert werden müssen. Über anderes sollte gesprochen oder sogar gestritten werden dürfen. «Es hat etwas mit Reife zu tun, nicht alle Themen gleich hoch zu gewichten. Es gibt zentrale Themen, bei denen wir eins sein müssen, während wir bei anderen verschiedener Meinung sein können. Wenn wir einer Nebenfrage aber zu viel Gewicht geben, nehmen wir den Hauptfragen das Gewicht.»

Die Coronazeit aufarbeiten – und das Gute behalten!

«Ich würde es gut finden, wenn wir mit etwas emotionalem Abstand noch einmal auf die Coronazeit zurückblicken und uns fragen, wo wir über das Ziel hinausgeschossen sind.» Dieses Reflektieren sollte einen persönlichen Charakter haben. Noch einmal Argumente für und gegen die Impfung aufzuführen, erachtet Christian nicht als zielführend. «Wenn wir uns aber ehrlich überlegen, wo wir aneinander schuldig geworden sind, könnte das ein gutes Gespräch ergeben.»

Unbedingt sollten aber auch positive Aspekte erwähnt werden. «In der Coronazeit haben wir viel Gutes gelernt. Das wollen wir festhalten, denn vieles haben wir fälschlicherweise wieder verloren oder aufgegeben.» Christian berichtet von Gemeinden, die sehr kreative Wege gegangen und geistlich gewachsen sind.

«Es erscheint mir wichtig, gut zu reflektieren, wie wir uns während Corona verhalten haben. Dabei gibt es bei uns allen konstruktive und weniger konstruktive Anteile.» Christian betont, dass man selbst die einzige Person ist, die man verändern kann. «Es ist auch wichtig, uns als Kollektiv zu betrachten und zu fragen, ob wir gestärkt aus der Krise herausgegangen sind. Falls wir es bisher nicht sind, haben wir noch die Chance, dies zu ändern.»

Fit machen für die Zukunft

Christian betont, wie wichtig es ist, nach vorne zu blicken und sich für die Zukunft – gerade auch für kommende Krisen – fit zu machen. «Es ist alternativlos, sich in die persönliche Nachfolge und Jüngerschaft zu investieren.» Er betont, wie hilfreich ein gesundes und reifes Christsein für die nächste Krise ist. «Eine Feuerwehr kann sich nicht erst dann um den Zustand ihrer Schläuche kümmern, wenn das Feuer brennt. Wenn wir unseren Glauben verkümmern lassen, haben wir ein Problem, wenn eine Krise kommt.»

«Jetzt ist der Moment, um unseren Glauben zu warten», sagt er. «Wir müssen uns als Kirche stärken, uns auf nächste Krisen vorbereiten. Es ist nicht die Frage, ob ein nächster Regenguss kommt, sondern wann. Und dann gilt es, bereit zu sein.»

Zum Thema:
Spannungsfelder in Gemeinden: Umgang mit Konflikten
Livenet-Talk in Schaffhausen: Gemeindebau in Extremsituationen
Gemeindeberater Marcus Weiand: «Ohne Konflikt gibt es keinen Frieden»

Datum: 06.04.2023
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung