Geldgier

Warum wir immer mehr wollen

Die jüngste Finanzkrise scheint verdrängt. Trotz unvorhersehbarer Kursschwankungen und instabiler Finanzmärkte gehen Anleger wieder hohe Risiken ein. Warum? Hirnforscher antworten: Die Hoffnung, ein Vermögen zu machen, reizt Menschen wesentlich stärker als realer Besitz.
Hand mit Banknoten

Neurowissenschaftler um Brian Knutson von der Stanford University in Kalifornien werteten 21 experimentelle Untersuchungen aus, die den neuronalen Wurzeln der Geldgier auf den Grund gingen. Ergebnis: In allen Versuchen reagierten Probanden besonders stark auf einen erwarteten finanziellen Gewinn – Geldbeträge, die sie tatsächlich ihr eigen nennen konnten, hatten einen wesentlich geringeren Effekt auf das Belohnungssystem im Gehirn, das für Glücksgefühle zuständig ist.

Die Aussicht auf einen möglichen Geldsegen, ruft laut Knutson also trotz der einhergehenden Risiken ein deutlich grösseres neuronales Feuerwerk hervor als vorhandenes Eigentum.

Nervenkitzel attraktiv

«Risiken halten Menschen nicht vom Pokern ab», meint auch die Psychologin Barbara Mellers von der University of California in Berkeley. Im Gegenteil, der Nervenkitzel mache das «Spiel» mit dem Geld sogar noch attraktiver. Der Reiz der Ungewissheit gepaart mit der intuitiven Lust auf mehr bewirke einen unstillbaren Hunger.

Allerdings ist die intuitive Gier nach immer grössere Wohlstand aus Sicht des Psychologen Aron Ahuvia von der University of Michigan-Dearborn eigentlich widersinnig: Er veröffentlichte Studie, die den Zusammenhang von Geld und Lebenszufriedenheit nachging. Demnach streben die meisten Menschen nach mehr Kapital, obwohl ein grösseres Vermögen sie in Wirklichkeit nicht glücklicher macht.

Auch statistische Analysen zeigen: Zumindest in Westeuropa spielt Reichtum für die persönliche Lebensfreude kaum eine Rolle. Sind die Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem Kopf ausreichend befriedigt, macht der Faktor Geld nur fünf Prozent der individuellen Zufriedenheit aus.

Gier in den Genen?

Ein anderer Ansatz weist auf den Zusammenhang zwischen den Genen und der Profitgier hin. Die genetische Ausstattung entscheide zu einem grossen Teil darüber, ob man sich gegenüber seinem Handelspartner fair verhalte, oder ob man den schnellen Profit einheimsen wolle.

So sei es zumindest zum Teil vererbt, ob man von einem Handelspartner Fairness erwartet, berichtete die Zeitschrift «Bild der Wissenschaft». Gezeigt hat das ein schwedisches Forscherteam mit Hilfe von Zwillingsstudien. Deren Ergebnis: Nur zu etwa 60 Prozent sind Erziehung, Erfahrung und die Umwelt dafür verantwortlich, wie viel Wert man auf Fairness legt – der Rest ist angeboren.

Gen für Grosszügigkeit?

Der Verhaltensgenetiker Richard Ebstein aus Jerusalem und der Biologe David Rand von der Harvard University haben zwei Kandidaten für die verantwortlichen Gene identifiziert. Kandidat eins hört auf den sperrigen Namen AVPR1a, kommt in einer normalen und einer verkürzten Varianten vor und könne darauf Einfluss nehmen, ob man bereitwillig etwas abgibt.

Der andere Gen-Kandidat, wird als DRD4 bezeichnet, trägt den Bauplan für ein Protein, das auf den Gehirnbotenstoff Dopamin reagiert. Hier geht es um das Belohnungssystem des Gehirns. Auch hier gibt es verschiedene Varianten und eine davon soll die Risikobereitschaft zu erhöhen, wie David Rand nachweisen konnte.

Interessant ist, was die Bibel zum Thema sagt: «Denn alles Böse wächst aus der Habgier. Schon so mancher ist ihr verfallen und hat dadurch seinen Glauben verloren. Wie viel Not und Leid hätte er sich ersparen können!» (1Timotheus, Kapitel 6, Vers 10). Hier scheint es, dass nicht nur Neuronen oder Gene eine Rolle spielen. Auch der Wille wird hier angesprochen.

Datum: 28.01.2011
Quelle: Gehirn & Geist / Bild der Wissenschaft / Livenet

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