Roma-Feindschaft in Europa

Christen können einen Unterschied machen

Die Ausgrenzung und Feindseligkeit gegenüber Roma ist nach wie vor ein grosses Problem in Europa geblieben. Roma-Pastor Miguel Palacios ermutigt dazu, sich des Themas anzunehmen und er stellt fest, dass der christliche Glaube geeignet ist, um Gräben zu überwinden.
Roma tanzen auf dem «Abbey Medieval Tournament» (Bild: Wikipedia)
Razzia von Sinti- und Roma-Wohnwagen, Deutschland, Winter 1937
Miguel Palacios

«Wie steht es um das Wesen der Menschlichkeit, wenn jeden Tag Roma von der Gesellschaft ausgeschlossen werden?», fragte Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, in ihrer Rede zur Lage der Nation. Innerhalb der EU sei dies eine tägliche Realität.

Kurz zuvor hatte der deutsche Roma-Europaabgeordnete Romeo Franz einen Bericht betreffend der Integration der Roma-Bevölkerung und gegen diskriminierende Haltungen vorgelegt. Die Roma seien einer anhaltenden Anti-Roma-Gesinnung ausgesetzt, einer, so ist im Dokument festgehalten, «spezifischen Form des Rassismus. Trotz kontinuierlicher sozioökonomischer Entwicklung in der EU und Bemühungen, die Eingliederung der Roma sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene zu gewährleisten, hat sich die Gesamtsituation der Roma in der EU nicht verbessert.»

Grösste ethnische Minderheit Europas

Mit bis zu zwölf Millionen Menschen stellen die Roma die grösste ethnische Minderheit in Europa dar. Im Jahr 2019 verliessen 68 Prozent der Roma die Schule vorzeitig. Rund 80 Prozent der Roma leben – diese Daten gehen auf das Jahr 2016 zurück – unter der Armutsgrenze. Und die Anzahl von Roma, die nicht studiert haben, stieg von 56 Prozent im Jahr 2011 auf 63 Prozent im Jahr 2016.

«Es ist eine Schande, dass das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten auch 2020 noch auffordern muss, in der Frage der Zigeunerfeindlichkeit aktiv zu werden», bedauert Miguel Palacios, evangelischer Pastor von «Philadelphia» (der spanischen christlichen Konfession der Roma) sowie Professor an der «Philadelphia Evangelical Bible School» und Direktor der «Vereinigung zur Erinnerung an den Völkermord an den Roma».

«Es braucht einen Plan»

Nötig sei ein «klarer Zeitplan mit verbindlichen Zielen, Massnahmen und Vorgaben». Er bedauert, dass die Gesamtsituation der Roma stagniert sei. Die Europäische Kommission hat einen neuen Zehnjahresplan zur Förderung der Integration der sechs Millionen innerhalb der EU lebenden Roma angekündigt. Das Hauptziel ist die Halbierung des Armutsgefälles zwischen den Roma und der übrigen Bevölkerung in den verschiedenen Mitgliedstaaten.

Miguel Palacios: «Es gibt Leute im Europäischen Parlament, die wissen, was vorgeht. Wir haben hart dafür gekämpft, dass die Geschichte der Roma gelehrt wird. In Spanien zum Beispiel gibt es in den Schulbüchern keine einzige Seite, die die Präsenz der Roma seit dem 15. Jahrhundert dokumentiert.»

«Geschichte muss unterrichtet werden»

Es sei wichtig, dass das Europäische Parlament bei diesem Thema eine Spitzenreiter-Rolle einnehme. «Anders als beim Antisemitismus ist es uns nicht gelungen, die Anerkennung der Roma-Feindlichkeit durchzusetzen. Rassismus in all seinen Formen ist eine Geissel, ob gegen Juden, Schwarze oder Roma.»

Nötig sei, dass die Geschichte der Roma in den Schulen unterrichtet wird. «Wenn unsere Geschichte bekannt gemacht wird, werden Jahrhunderte und Jahrhunderte grossen Leides durch dieselben Täter entdeckt. Deshalb müssen wir damit beginnen, die Realität des leider vergessenen Holocausts der Roma zum Beispiel auf verschiedenen Ebenen des Bildungssystems zu lehren.»

Dieser wurde bekannt als Porajmos («Verschlingen»), Ziel war während des Zweiten Weltkriegs ebenfalls die kollektive Vernichtung dieser Volksgruppe. Je nach Quelle liegt die Anzahl der Opfer bei 500'000 bis über eine Million Menschen.

Genauer hinsehen

Miguel Palacios ermutigt dazu, genauer hinzusehen: «Es wurden Bücher über Antisemitismus geschrieben, es wurden Filme gedreht, es wurden spezifische Studien durchgeführt, aber nicht über Feindlichkeit gegenüber Zigeunern.» Wichtig sei zum Beispiel «die Schaffung eines Observatoriums gegen die Zigeunerfeindlichkeit als konkrete Massnahme».

Ein weiterer Punkt sei die Bildung: «Vor einigen Jahren organisierten wir eine Reise nach Auschwitz mit Roma-Kindern aus der evangelischen Kirche von Philadelphia und Nicht-Zigeuner-Schülern. Und wir hatten ein sehr beeindruckendes Erlebnis, denn am Ende der Reise umarmten die Nicht-Roma-Kinder die Zigeuner, weinten und baten sie um Verzeihung.»

Selektive Medien

Ein skurriles Erlebnis zeigt, dass auch bei den Meiden ein Umdenken nötig ist, Miguel Palacios erinnert sich: «Vor einiger Zeit erhielt ich einen Anruf von einem Fernsehsender, der einen Roma-Jungen für eine stereotype Sendung suchte. Ich empfahl ihnen zwei Jungen; einer hatte Chemie studiert und war blond, der andere war Historiker und hatte rote Haare. Der TV-Sender sagte mir, dass sie nicht interessiert seien und dass keiner von ihnen ihrem Ansatz entspräche.»

Unter evangelischen Christen habe er sich nie diskriminiert gefühlt. «Eines der Prinzipien aller Evangelikalen ist die Liebe zu allen Menschen. Vor Jahren wurde ich, ohne darum zu bitten, für den Vorstand des Evangelischen Rates von Madrid vorgeschlagen, und dafür bin ich sehr dankbar.»

Die Bibel biete die Grundlage, die Feindseligkeit zu überwinden. «Das Evangelium ist ein gutes Mittel zur Integration.»

Zum Thema:
Aufbruch unter Roma: «Gottes Fingerabdruck auf meinem Herzen»
52 liessen sich taufen: Erweckung unter Roma in Bulgarien
5'000 Obdachlose in Bratislava: «Abenteurer müssen nicht nach Afrika, sie können zu uns kommen»

Datum: 19.11.2020
Autor: Jonatan Soriano / Daniel Gerber
Quelle: Evangelical Focus / Übersetzung: Livenet

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung