«Klare Botschaft» an die islamischen Fundamentalisten
Am Freitag, 21. Oktober 2011 führen Kopten in Genf eine Solidaritäts- und Protestkundgebung durch. Auf dem Place des Nations erheben sie von 12 bis 16 Uhr ihre Stimme für die Unterdrückten in ihrer Heimat. Organisiert wird der Anlass vom schweizerisch-ägyptischen Autor Medhat Klada, der auch Präsident der europäischen Kopten-Dachorganisation «Union of Coptic Organisation Europa» ist. Livenet.ch traf Klada zum Hintergrundgespräch in Zürich.
Medhat Klada, was geschieht jetzt, ein Monat vor den geplanten Wahlen, aus koptischer Sicht in Ägypten?
Medhat Klada: Leider ist die Situation sehr schlecht. Gerade ist dieses Massaker geschehen, in dem fast dreissig Menschen in Maspiro*) am Nil starben. Sie demonstrierten friedlich gegen den Fundamentalismus. Dann brachte das Militär mit Panzern und Schüssen fast dreissig Menschen um. Wir kennen die Zukunft nicht. In den Wahlen haben die Moslembrüder eine grosse Chance und wir wissen nicht, in welche Richtung Ägypten geht.
Nun wird noch in dieser Woche, am Freitag, in Genf eine Kundgebung durchgeführt. Was geschieht da?
Wir führen am 21. Oktober 2011 eine Kundgebung vor dem UNO-Gebäude durch. Das muss sein, die ganze Welt muss wissen, wie schlecht die Lage der Kopten in Ägypten ist. Es ist eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Maspiro-Massakers. Wir wollen, dass eine Fact-Finding-Mission eingesetzt wird, die den Fall untersucht und die Urheber findet.
Die Wahlen sollen am 28. November 2011 beginnen – was ist Ihre Einschätzung, startet der Urnengang dann?
Ich bin skeptisch, ich denke, dass es dann keine Wahlen gibt. Das Klima in Ägypten ist sehr heikel und unruhig. Bei einer Wahl wird bei allen Parteien viel Blut fliessen. Die Moslembrüder, die Salafisten und die al-Dschmama’a al-Islamiyya kämpfen gegen Andersdenkende – ich denke, dass die Wahlen nicht stattfinden.
Vor einem Jahr wäre es undenkbar gewesen, dass Christen mit Kreuzen auf die Strasse gehen und sagen: «Wir wollen nicht mehr Bürger zweiter Klasse sein.» Andererseits ist der Druck gestiegen. Wo stehen die Kopten heute?
Die Kopten haben an der Revolution teilgenommen. Dabei kamen rund hundert Christen ums Leben, als Märtyrer. Natürlich erhalten wir nun mehr Rechte, wir haben etwas getan für diese Revolution. Wir fordern unsere Rechte mit lauter Stimme. Aber die Stimme Fundamentalisten ist lauter. Die Situation für die Kopten ist schlimmer als früher.
100‘000 Kopten sollen das Land verlassen haben, was ist von dieser Zahl zu halten, gibt es einen Exodus?
Dazu fehlen mir genaue Angaben, ich glaube nicht, dass diese Zahl stimmt. Vielleicht hat das jemand gesagt und alle Medien haben es übernommen. In sämtlichen ägyptischen Konsulaten für Europa und Amerika haben Muslime die Macht. Wenn ein Christ nach einem Visum fragt, wird das oft blockiert. 100'000 Ausgewanderte ist sicher zu viel.
Werten Sie es als Propaganda?
Das halte ich für möglich. Es kann auch sein, dass sie von christlicher Seite kommt, um eine klare Botschaft zu senden, nämlich dass wir Angst haben vor den Fundamentalisten.
Gibt es auch Kopten, die zu Mubaraks Zeiten im Exil lebten, die nun zurückgekehrt sind?
Ja, die koptischen Aktivisten kehren aus dem Ausland zurück. Sie kehren zurück in ihre Heimat und versuchen den Menschen Mut zu machen. Ich selbst bin 1993 in die Schweiz gekommen und habe nun heuer in Ägypten eine Konferenz organisiert um die Christen zu motivieren.
*) Maspiro liegt rund hundert Meter vom Tahrir-Platz entfernt. Der Ort beheimatet das Fernsehgebäude, und hier demonstrieren die Kopten seit Ausbruch der Revolution regelmässig.
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Datum: 20.10.2011
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch