Blinde können Internetseiten lesen
Aus sechs Punkten bestand ursprünglich die Schrift, mit der in Kombination mit Leerstellen das Alphabet nachgebildet werden konnte. «Damit war Bildung für Blinde und Sehbehinderte überhaupt erst möglich», sagt Lehrer Achim Lang, den Brailles System fasziniert. Lang unterrichtet an der Stuttgarter Betty-Hirsch-Schule. Sie gehört zur evangelischen Nikolauspflege, der nach eigenen Angaben grössten Seh- und Blindeneinrichtung Baden-Württembergs.
Euro-Brailleschrift
Die Schüler der Nikolauspflege lernen die Euro-Brailleschrift. Sie besteht aus acht Punkten, also zwei Punkten mehr als die Original-Brailleschrift. Damit haben sie 254 Kombinationsmöglichkeiten statt der 64, die Louis Brailles Schrift bot. Sie können damit nicht nur Bücher lesen. Auch Zugang zum Internet ist kein Problem. So gibt es PCs für Blinde, die den Text vorlesen. «Das funktioniert wie ein Navigationsgerät», erklärt Lang.
Ausserdem gibt es spezielle Rechner mit der Braille-Zeile. Aus acht Stiften bestehen sie, die in Reihen auf dem Computer angebracht sind. Jede Reihe kann einen Buchstaben auf dem Bildschirm als fühlbare Blindenschrift darstellen.
Doch das World Wide Web hat seine Tücken. Verknüpfungen, Werbung oder Buttons werden nicht gelöscht und machen es für Blinde schwierig, den Netztext zu entziffern. «Am besten lesbar ist ein reiner Fliesstext wie etwa eine Word-Datei», berichtet Lang. Inzwischen gibt es sogar Tageszeitungen in Internet- und Punkte-Fassungen.
Portraits für Blinde sichtbar
Blinde können Portraitfotos zwar nicht sehen, jedoch Umrisse und spezielle Charakteristika ertasten, falls sie von einem Stanzapparat vorgegeben werden. Eine Software, die Gesichtsfotos automatisch in ein Spezialdruck-fähiges Bild umwandelt, haben nun Forscher der Arizona State University präsentiert. Damit könnten Profilbilder in Social Networks auch für Blinde relevant werden.
Details: Nicht zu viel, nicht zu wenig
«Portraitbilder haben besonders hohe Bedeutung für das Sozial- und Gefühlsleben», sagt Forschungsleiter Baoxin Li. Bisherige Ansätze, um solche Fotos für Blinde zu visualisieren, haben noch keine befriedigende Lösung geliefert. Der jetzige vielversprechende Vorschlag konvertiert Fotos und bereitet sie für Drucker vor. «Wichtig ist eine Balance in der Darstellung, dass nämlich die wichtigsten Gesichtsmerkmale gut wiedergegeben werden, ohne zu detailreich zu sein und den Tastenden zu verwirren», erklärt Li.
Papierlos
Für die Zukunft hoffen die Forscher auf die Entwicklung taktiler Displays, für die kein Papier mehr nötig ist - auch hier könne die Software eine gute Übersetzungsarbeit leisten.
Ein Konzept für ein derartiges Display haben Forscher der North Carolina State University präsentiert. Punkte von elektroaktiven Polymeren sind dabei in ihrer Höhe hydraulisch steuerbar und können somit nicht nur fühlbaren Text, sondern auch Bilder wiedergeben. Ein Novum, das herkömmliche Braille-Zeilen und Screen-Reader-Programme nicht schaffen.
«Auf den Markt bekommt man neben statischen Ausgaben für ertastbare Grafiken wie etwa Spezialdrucker bereits auch dynamische Modelle», erklärt Peter Albert vom Hilfsmittel-Anbieter Handy Tech Elektronik. «Finger können Bilder allerdings nie so schnell lesen wie Augen, zudem dauert das sequenzielle Erfassen entsprechend lange», so Albert.
Datum: 23.02.2011
Quelle: epd / pte