Jesus-Grab: „Fantasie statt Fakten“

Die Filmemacher Simcha Jacobovici (l.) und James Cameron (m.) mit den zwei Särgen, die die Überreste von Jesus und Maria Magdalena beinhaltet haben sollen. (Bild:EPA)
Der Eingang zu der 1980 im Jerusalemer Stadtteil Talpiot entdeckten Grabhöhle, in der Jesus bestattet worden sein soll.
Wer die Knochenkästen nüchtern betrachtet, wird vielleicht eine ganz simple Frage stellen: Konnten die Knochen Jesu überhaupt in einer Kiste landen?

Der mit grossem Aufwand produzierte und vermarktete Dokumentarfilm über das angebliche Grab Jesu in Jerusalem ist in Israel durchgefallen. Nach der TV-Ausstrahlung brachten die grossen Zeitungen vernichtende Kritiken.

Auch die archäologische Fachwelt zeigte sich enttäuscht bis empört. Das hiesige Publikum wird auf die Enthüllungen von Hollywood-Regiseur James Cameron noch einige Wochen warten müssen. Der deutsche Privatsender Pro7 zeigt den Film am Karfreitag (6. April).

Ungenauigkeiten und Betrügereien

"Der Film enthält viele Ungenauigkeiten und sogar Betrügereien", sagte der israelische Archäologe Amos Kloner der Presseagentur Kipa in Jerusalem. Kloner hatte das Grab 1980 im Jerusalemer Stadtviertel Talpiot entdeckt, erforscht und 1996 den Fund mitsamt Inhalten wissenschaftlich publiziert.

Er fand keine wissenschaftlich tragfähigen Anhaltspunkte für die Grundthese des Films, dass in der Grabhöhle Jesus und seine Familie - inklusive Ehefrau und Sohn - bestattet worden seien.

„Film ist Flop“

Auch der vor Jahren an der Untersuchung der Knochenreste beteiligte US-israelische Archäologe Joe Zias lässt an der Dokumentation des Discovery Channel nichts Gutes. "Trotz allen Presserummels erweist sich der Film als Flop, weil er eine Zumutung an die Intelligenz der Zuschauer ist", sagte Zias nach der TV-Ausstrahlung. Auch in den USA, wo "Das Grab Jesu" am Wochenende lief, habe er nur eine Einschaltquote von rund drei Prozent erzielt.

Versuch eines seriösen Anstrichs

Zusammen mit Kloner und einem weiteren Archäologen sollte Zias auf Einladung des Senders zu einer Pressekonferenz nach Washington eingeflogen werden, um dem Film einen seriöseren Anstrich zu geben, berichtete Zias weiter. Doch die drei Wissenschaftler weigerten sich, mit den Filmemachern zu kooperieren - auch weil ihren Angaben zufolge ein im Film befragter israelischer Archäologe heimlich und gegen seinen Willen gefilmt worden sein soll.

"Da-Vinci-Code" lässt grüssen

Die Tageszeitung " kritisierte die Machart des Streifens. "Mit ganz grossen Löffeln füttert Produzenten Simcha Jacobovici die Zuschauer mit seinen Thesen", schreibt der Filmkritiker des Blattes. "Vor lauter Sensationsgehabe um jeden Namen und Glockenläuten um jedes Detail zerstört er die ganze Geschichte." So moniert das Blatt etwa die lange Szene einer DNA-Prüfung von winzigen Knochenresten, deren Ergebnisse dem Zuschauer eigentlich schon vor dem Ergebnis der Analyse nahe gelegt werden: Die sterblichen Überreste von "Jesus Sohn des Josef" und einer gewissen "Maria Mara" zeigen keine Verwandtschaft.

Damit ist für die Filmemacher "einwandfrei bewiesen": Jesus und Maria Magdalena waren verheiratet und hatten ein gemeinsames Kind namens "Jose", das in der Grabhöhle einen eigenen Sarkophag habe.

"Da werden Fantasiegebilde als Fakten präsentiert. Das kann niemand ernst nehmen", urteilt Amos Kloner lapidar. Dan Browns "Da-Vinci-Code" lässt grüssen.

„Eine absurde Theorie“

Sowohl der Neutestamentler Max Küchler von der Universität Freiburg (Schweiz) als auch sein Fachkollege deutscher Wolfgang Stegemann hinterfragen auch die angebliche Entdeckung der Grabesstätte von Jesus.

Alle seriösen Wissenschaftler, die er in Jerusalem kenne, so Küchler, schüttelten über die These von Cameron bloss den Kopf. Dessen Film "Das verlorene Grab Jesu" spiele bestehende archäologische Evidenzen mit angeblich wissenschaftlichen Argumenten zu "unhaltbaren Thesen" hoch, so Küchler.

Beklagenswert ist für Küchler der Trend, dass seit einigen Jahren zu Ostern Wissenschaftler oder Pseudo-Wissenschaftler mit angeblich sensationellen Funden zu Gestalten der Bibel aufwarten.

These wird untergehen

Das amerikanische Forscherteam habe ihre "gewitzte" Interpretation der Entdeckung eines Kammergrabes mit zehn Knochenkästen von 1980 in Jerusalem eher aus Dan Browns Krimi "Sakrileg" geschöpft als aus antiken Quellen, schreibt Neutestamentler Wolfgang Stegemann in der "Neuen Zürcher Zeitung". Stegemann ist Professor für Neues Testament an der Universität Neuendettelsau, der Kirchlichen Hochschule der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern.

In Browns Krimi hätten die "Hobbyarchäologen", so Stegemann, die Hypothese von einer Ehe Jesu mit Maria Magdalena gefunden und diese auf "zwei Knochenkästen" angewendet. Camerons Interpretation werde wohl genau so untergehen, wie die angeblich unsinkbare "Titanic", spottet Stegemann

Mehr zum Thema: Kopfschütteln über Jesus-Grab-Film

Datum: 08.03.2007
Quelle: Kipa

Werbung
Livenet Service
Werbung