Mercy Ships Schweiz

Medizinische und chirurgische Versorgung für Afrika

Vor wenigen Wochen wurde mit der «Global Mercy» das grösste zivile Spitalschiff der Welt eingeweiht. René Lehmann spricht über seine Leidenschaft, lädt ein zum Tag der offenen Tür und berichtet vom Mangel an Volontären mit nichtmedizinischen Berufen.
René Lehmann, Leiter von «Mercy Ships Schweiz» (Bild: zVg)
Mercy Ships im Hafen (Bild: zVg)
Mitarbeiter von «Mercy Ships» ermöglichen Operationen in Afrika (Bild: zVg)

Der Traum von einem schwimmenden Spital wurde 1978 in Lausanne wahr: Ein Passagierschiff wurde gekauft und stand unter dem Namen Anastasia 30 Jahre lang im Dienst für die Ärmsten der Welt. Um Menschen in Afrika medizinische und insbesondere chirurgische Versorgung zugänglich zu machen, nahm die Organisation Mercy Ships weitere Schiffe in Betrieb.

«Global Mercy»: Das grösste zivile Spitalschiff der Welt

Ende Mai 2022 wurde in Dakar (Senegal) mit der «Global Mercy» das weltweit grösste zivile Spitalschiff der Welt in Betrieb genommen. Damit kann Mercy Ships die Kapazität an medizinischer Hilfeleistung mehr als verdoppeln. Für den Spitaltrakt stehen 7'000 m2 zur Verfügung und die Besatzung besteht aus bis zu 641 Personen.

Die Feierlichkeit zur Einsetzung der «Global Mercy» war bedeutend, die offizielle Einweihung des Schiffes geschah durch Senegals Präsidenten Macky Sall. Ebenfalls vor Ort war René Lehmann, Geschäftsführer von Mercy Ships Schweiz. Er freut sich, dass auf dem Schiff gerade 260 medizinische Fachpersonen aus Senegal und den umliegenden Ländern weitergebildet werden können.

Der Geschäftsführer von Mercy Ships Schweiz

Seit bald zehn Jahren führt René Lehmann (62) die Geschäfte von Mercy Ships Schweiz. Nachdem er sich im Jahr 2000 dem christlichen Glauben zuwandte, begannen sich seine Wertvorstellungen zu verschieben, was letztlich dazu führte, dass er sich in seinem grundsätzlich spannenden Job nicht mehr wohl fühlte. In einem Bereich zu arbeiten, den er mit seiner Ethik nicht mehr vereinbaren konnte, war schwierig. «Unter anderem betraf dies das Fördern des Konsumverhaltens der damaligen Kunden, was letztlich zu globaler Ungerechtigkeit führt.» Das Jobanagebot von Mercy Ships Schweiz passte perfekt, und so entschied sich der ursprüngliche Emmentaler für einen beruflichen Neuanfang.

Damals bestand das Team nur gerade aus zwei oder drei Leuten. «In den letzten zehn Jahren bestand meine Aufgabe darin, Mercy Ships in der Schweiz bekannt zu machen und Strukturen zu schaffen, um zu wachsen und effizient zu funktionieren.»

Volontäre für Einsätze auf den Schiffen rekrutieren

Heute sind 26 Mitarbeiter bei Mercy Ships Schweiz beschäftigt. Neben dem Hauptsitz in Lausanne ist Mercy Ships seit sechs Jahren mit einer Niederlassung in Belp für die Deutsch-Schweiz vertreten. Eine der wichtigsten Aufgaben ist das Rekrutieren von Volontären. «Das Ziel ist, in der Schweiz 250 Volontäre pro Jahr zu gewinnen», sagt Lehmann. Dieses Ziel ist noch lange nicht erreicht. Aktuell werden in der Schweiz in einem «normalen Jahr» jährlich um die 80 Volontäre rekrutiert. «Weltweit erfordert die Arbeit auf den Schiffen rund 3'000 ehrenamtliche Mitarbeiter.»

Trotz des grossen Bedarfs an Ehrenamtlichen gibt es aktuell bei Ärzten und Pflegefachpersonen eine Warteliste, was sich sicher mit dem vollen Einsatz von zwei Schiffen in Zukunft sehr schnell ändern wird. Anders sieht es bei anderen Berufen aus. «Wir brauchen dringend Elektriker, Schlosser, Schreiner und Köche. Für unsere Schule auf dem Schiff brauchen wir entsprechende Lehrer und auch Pastoren sind gefragt.»

Leidenschaftlicher Einsatz für Bedürftige

«Zwei Drittel der Menschheit hat keinen Zugang zu chirurgischer Versorgung», berichtet René Lehmann. «Dies führt jährlich zu 17 Millionen Menschen, die aufgrund dieses Mangels sterben.» Diese Zahlen spornen ihn an, am meisten begeistert es ihn jedoch, wenn er in Afrika Menschen treffen und deren Geschichten hören kann.

So erzählte ihm einmal ein Afrikaner, wie er mit einem kleinen Lieferwagen seine Familie ernähren konnte. Eine wachsende Ziste am Hals schränkte seine Bewegungsfähigkeit immer mehr ein, bis er seiner Arbeit nicht mehr nachkommen konnte und seine Familie mittelos dastand. Zu hören, wie der Mann nach einer erfolgreichen Operation seine Familie wieder versorgen kann, berührt und motiviert zum Weitermachen. Für viele Patienten ist der Besuch auf dem Schiff die letzte Chance.

Würde zurückgeben

«Wenn ich in Afrika bin, stelle ich eine weiter zunehmende Ungleichheit und Ungerechtigkeit fest.» Es gibt also viel zu tun. Neben der direkten Behandlung von Patienten investiert Mercy Ships viel in die Weiterbildung einheimischer Fachkräfte. Es wird angestrebt, dass Mercy Ships, nach den mehrmonatigen Einsätzen mit dem Schiff, langfristig unterstützend und beratend zu Seite steht. Heute werden einheimische Fachkräfte auch über Zoom weitergebildet.

«Grundsätzlich führen wir nur Operationen durch, welche im Land für die Bevölkerung nicht verfügbar sind.» Eingriffe bei Tumoren, orthopädische Eingriffe oder gynäkologische Eingriffe gehören zu üblichen Operationen. Bei letzteren kann Frauen ihre Würde zurückgegeben werden. «Wir sind offen für alle Patienten, unabhängig ihrer finanziellen Möglichkeiten und Hintergründe.»

Tag der offenen Tür

Am 25. Juni begrüsst Mercy Ships Schweiz zu einem Tag der offenen Tür. Dabei werden unter anderem auch die Einsatzmöglichkeiten und Schulungsprojekte für nachhaltige Landwirtschaft vorgestellt. Verschiedene Personen berichten aus unterschiedlichen Perspektiven von der Tätigkeit von Mercy Ships und dazwischen gibt es Gelegenheit, sich beim Afrikanischen Food Truck zu verpflegen.

Weitere Infos zum Tag der offenen Tür unter Tag der offenen Tür 2022 in Belp – BE – NGO Mercy Ships Schweiz.

Zur Webseite:
mercyships.ch

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Datum: 23.06.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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