„Ich wusste sofort, diesen Mann würde ich heiraten“
Silvana: Die Jahre 2003/2004 brachten mir wenig Glück. Alles, was mir im Leben wichtig war, verlor ich von einem Tag auf den andern Tag. So machte ich mir Ende 2004 viele Gedanken über mein Leben und meine Zukunft.
Sollte ich mich noch einmal ganz neu orientieren, mein Leben noch einmal ganz neu organisieren und aufbauen? Ein Missionseinsatz in Afrika? Oder nochmals eine Ausbildung? Und wenn ja, auf welchem Gebiet? Wollte ich irgendwann einmal eine Familie haben? Wohin sollte mich meine Zukunft führen? Ich war unsicher.
Das neue Jahr begann. Ich schloss mit Gott einen Deal. Ich würde in der Partnersuche einen letzten Anlauf nehmen. Sollte ich im Sommer 05 noch immer alleine sein, würde ich das Thema Familie für mich begraben und mich auf eine Zukunft alleine ausrichten.
Tagelang rang ich mit mir selbst. Sollte ich wirklich über eine Kontaktanzeige einen Mann suchen? Eigentlich war es mir viel zu peinlich. An einem Sonntagabend beschloss ich, es nicht zu tun und die 50 Franken anderweitig auszugeben. Doch in mir war weiterhin dieses ständige Drängen, diese Unruhe.
Am Montagmorgen im Büro nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und schaltete auf Livenet eine Kontaktanzeige. Dabei verfolgte mich die Angst bis in die Träume, niemand würde sich darauf melden und ich mich bis auf die Knochen blamieren.
Eigentlich gab ich der Sache kaum eine Chance; im Herzen war ich bereits an der Planung meines weiteren Lebens alleine. Am Montag dem 31. Januar 2005 nachmittags war es dann soweit: Meine Anzeige war online. Minuten später meldete die Mailbox: Sie haben eine neue Nachricht. Gespannt las ich die kurzen, eher allgemein gehaltenen Zeilen durch …
Michael: Nach einem Auf und Ab in Beziehungen glaubte ich mittlerweile nicht mehr an die „Richtige“. Einige Male war ich enttäuscht worden; zudem hatte ich einigen Frauen Unrecht getan und sie ebenfalls enttäuscht. So war ich mit meinem Latein am Ende.
Ich traf mit Gott eine Abmachung: Ich würde noch einmal versuchen, die „Richtige“ zu finden, ansonsten würde ich das Thema Beziehung an den Nagel hängen und mich ganz auf mein Leben konzentrieren. Dieses war eben sehr spannend, da ich ein Studium in Theologie machen wollte und bereits alles gekündigt und verkauft hatte. Nun liess ich mich führen und war gespannt, wo Gott mir wohl die richtige Partnerin herholen würde.
Am 31. Januar 2005 stolperte ich über die Site Jesus.ch und sah, dass es dort Kontaktanzeigen gab. Nun, meine Einstellung gegenüber ihnen war reserviert: Occasionen, welche nicht mehr gehen, werden im Internet verhökert … Ich hatte es bereits einmal probiert, ohne Erfolg.
Naja, was soll‘s, dachte ich mir und las die Anzeigen durch. Ich stiess auf einen knappen Vier- oder Fünfzeiler. Er war so kurz und knackig geschrieben, dass er meine Aufmerksamkeit zu 100 Prozent beanspruchte. Ich konnte gar nicht anders, ich musste antworten. Kurz und knapp schrieb ich einen nicht sehr spezifischen, sondern eher allgemein gehaltenen Text. Jetzt mal abwarten, wahrscheinlich höre ich nie wieder etwas ….
Silvana: Ich war total aus dem Häuschen. Es hatte sich jemand auf meine Anzeige gemeldet! Und nicht nur das. Da war auch plötzlich diese totale Sicherheit, diesen Mann wollte Gott mir zur Seite stellen. Ich wusste sofort: Das ist er. Diesen Mann würde ich heiraten!
Um nicht zu aufdringlich und interessiert zu erscheinen, wartete ich zwei Stunden, bis ich antwortete. Von da an lief es wie von selbst. Die Mails wurden länger und länger und immer mehr. Schnell waren wir bei einem Durchschnitt von acht bis zehn Mails, immer mindestens eine Seite lang, täglich. Es entwickelte sich ein richtiges Gespräch. Nie musste ich nach Themen suchen. Ich schrieb oder fragte etwas und wenige Stunden später hatte ich eine ausführliche Antwort.
Am zweiten Tag unseres Kennenlernens beschlossen wir, bis auf weiteres keine Fotos auszutauschen und nicht zu telefonieren. Für mich war das eine ungemein wichtige Abmachung, die mir sehr viel Sicherheit vermittelte. Endlich war da einmal ein Mann, der mich kennenlernen wollte, so wie ich war. Der sich für mein Denken und mein Sein interessierte, ohne gleichzeitig auf das Aussehen zu schielen.
Und da von Anfang an eine unerklärliche Vertrauensbasis bestand, machte ich mir nicht eine Minute lang Sorgen, das Geschriebene könnte nicht der Wahrheit entsprechen.
Auf die Kontaktanzeige hin bekam ich erstaunlich viele Antworten, was meinem Selbstwert sicher nicht abträglich war. Doch mit keinem andern entwickelte sich ein ausführlicher Kontakt - auch, weil ich in meinen Antworten ehrlich schrieb, ich hätte bereits einen interessanten Mann kennengelernt. Ich war mir so sicher: Dieser Mann hinter dem Kontaktnamen Mimue war der Richtige.
Michael: Unglaublich erstaunt war ich, als ich bloss 2 Stunden nach meiner Kontaktaufnahme eine Antwort erhielt. Das hätte ich nicht gedacht. Eine junge Christin hatte also tatsächlich Interesse an mir.
Irgendwie war in mir ein Gefühl von Sicherheit und so wollte ich unbedingt Beziehung bauen, aber auf biblische Weise. Also machten wir ab, dass wir einander vorerst keine Bilder senden und auch nicht telefonieren würden. Bisher war ich sehr auf Äusserlichkeiten ausgerichtet. Dies wollte ich nicht mehr. Kennenlernen war nun angesagt.
Und ich entwickelte mich zu einem richtigen Schreiberling. Das Warten auf die nächste Antwort war manchmal schon fast unerträglich. Dabei handelte es sich ja oft nur um wenige Stunden. Diese Zeit war wirklich äusserst interessant.
Silvana: Bereits nach wenigen Tagen gewöhnte ich mich an die Mails, fieberte jedem einzelnen so entgegen, dass ich mir nicht mehr vorstellen konnte, jemals wieder ohne zu leben.
Die harte Landung in der Realität kam bereits eine Woche nach unserem Kennenlernen. Ich flog für vier Tage nach Lappland. Wir vereinbarten während dieser Zeit SMS. Natürlich waren wir aber in der Ausdrucksweise sehr eingeschränkt. Umso schöner war beim Heimkommen ein langes Tagebuch von Mimue in meiner Mailbox.
Die Reise nach Finnland gab den Ausschlag, zum ersten Mal ernsthafter über ein Treffen nachzudenken. Ich war hin und her gerissen. Einerseits war ich neugierig, diesen Mann, der mir so interessante und witzige Nachrichten schickte, persönlich kennenzulernen. Andererseits würde damit die schöne Zeit der langen Mails enden. Und dann war da noch die Angst, ihn zu verlieren. Was, wenn wir uns doch nicht sympathisch waren? Ich hatte Angst.
Michael: Aufstehen – Mails checken – Kaffee trinken – Mails checken – zur Arbeit fahren – und ganz schnell wieder Mails checken – usw. So war mein Tagesablauf. Sehr schön. Ich genoss die Zeit. Die Spannung war riesig.
Dann mussten wir unsere Abmachung ändern und wir schrieben uns einige SMS übers Wochenende, weil „Zwirbel“ in den Norden ging, um Schneetöff zu fahren und einige Blockhütten anzusehen. Das waren vier harte Tage. In einem Tagebuch schrieb ich alle mehr oder weniger wichtigen Tätigkeiten und Erlebnisse auf. Wie schnell wir uns doch an gewisse Sachen gewöhnen, vor allem wenn sie so schön sind ...
Obwohl ich die Frau am anderen Ende der Mailleitung noch nie gesehen hatte, begann ich mich langsam zu verlieben. Aber auch etwas Angst war dabei: Was wenn Sie mich nicht will, nach unserem ersten Treffen? War ich authentisch genug in den Mails? Was ist, wenn sie mir nicht gefällt? Was, wenn …? Nun, irgendwann musste man sich aufs Glatteis wagen. Ich wollte einfach so unvoreingenommen sein wie möglich.
Silvana: Immer öfter war da, beim Lesen der langen Nachrichten, ein angenehmes Kribbeln im Bauch. Ich hatte seit Jahren zum erstenmal wieder das Gefühl, richtig zu leben. Wir hatten erst seit wenigen Tagen Kontakt. Sie kamen mir vor wie eine halbe Ewigkeit.
Bereits war da eine tiefe Vertrautheit. Und während wir vermehrt auf ein erstes Treffen hin schielten, nahm auch die inhaltliche Tiefe unserer Mails zu, ohne jede erotische Komponente.
Der 12. Februar kam, ein stürmischer und regnerischer Tag. Ich war seit dem frühen Morgen (5 Uhr) wach, weil ich vor Aufregung nicht mehr schlafen konnte. Mit einer Tasse Kaffee stand ich am Küchenfenster und blickte auf den dunklen See. Die Gedanken rasten durch meinen Kopf. Hoffentlich war ich ihm hübsch genug und wir uns auch echt sympathisch. Was, wenn wir nichts mehr zu reden hätten, weil alles gesagt war?
Hoffentlich wurde das nicht eines jener Dates, wo beiden von Anfang an klar ist, das wird nichts. Ich hatte eine riesige Angst. Am frühen Nachmittag war ich bereits ein nervliches Wrack. Da fuhr ein fremdes Auto vor. Ich wusste, das ist er.
Wir hatten vereinbart, dass Michael für den Ausflug am Nachmittag und ich für das Essen abends verantwortlich wäre. Nach einer gefühlten Ewigkeit – ich dachte bereits, er hätte kalte Füsse bekommen – klingelte es an meiner Haustüre. Und ich sah den Autor dieser unzähligen Zeilen zum ersten Mal.
Michael: Unser erstes Treffen war ebenso speziell wie unsere Vorgeschichte. Was konnte ich mit einer Frau unternehmen, die sehr intellektuell zu sein schien, Formen und Farben mochte und auf gar keinen Fall die SVP wählen würde? Zudem spielte das Wetter nicht mit. Alles, was die freie Natur betraf, war gestorben. Da fiel mir ein, dass es in Winterthur ein Kunstmuseum gab.
Nun fuhr ich dorthin, wo mir im letzten Mail beschrieben wurde, dass die junge, zierliche Frau mit Brille wohnte. Mit neuen Jeans, frisiert und völlig nervös stand ich vor der Tür und klingelte mit leichtem Zittern.
Ich hörte jemanden den Schlüssel drehen und war wie erstarrt … Wie sieht sie aus? So wie ich es mir vorstelle? Ist sie nett? Findet sie mich nett? Sehe ich gut aus? Sitzen meine Haare? Habe ich an alles gedacht für den Nachmittag? Nun öffnete sich die Tür und … mein erster Gedanke war: „Volltreffer, danke Gott!“
Es war ein wunderschöner Tag. In den folgenden Monate lernten wir uns kennen und bauten Beziehung. Bald darauf verlobten wir uns. Mittlerweile sind wir 4 Jahre verheiratet und haben einen Sohn.
Silvana: Bei unserem ersten Treffen wurde mir schnell klar: Ja, das passt. Wir knüpften in unseren Gesprächen dort an, wo wir per Mail aufgehört hatten. Es war ein wunderschöner Tag. Wir vereinbarten uns auch weiterhin noch zu schreiben. Doch wie ich es schon geahnt hatte, wurde es mit der Zeit immer weniger. An die Zeit unserer langen Nachrichten erinnern heute noch zwei Bundesordner, dick gefüllt mit Mails.
Ziemlich genau neun Monate nach diesem ersten Treffen haben wir uns verlobt und weitere neun Monate später, am 15. Juli 2006, geheiratet. Seit dem 21. August 2007 macht unser Sohn Silas unsere kleine Familie komplett. Die Livenet-Kontaktanzeige – das waren die am besten investierten 50 Franken meines Lebens.
Datum: 23.10.2010
Autor: Silvana und Michael Müller
Quelle: Livenet.ch