Eine Zeitlang verbrannte die Fluggesellschaft, die das weisse Kreuz auf rotem Grund in alle Welt trug, mehrere Millionen Franken Kapital pro Tag. Der Zukauf kleiner maroder Gesellschaften sollte Zürich-Kloten zum Hub machen, die Swissair zu den grossen Airlines Europas aufschliessen. Die verwegene Hunter-Strategie blendete ihre Verfechter. Haben die Verantwortlichen nicht nur unternehmerisch fragwürdig, sondern ungesetzlich gehandelt? Haben die Verwaltungsräte ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt? Darum geht es im laufenden Bülacher Strafprozess. In erster Instanz wird der Fall der Swissair strafrechtlich aufgearbeitet; zivilrechtliche Klagen werden in folgenden Verfahren behandelt – ein Hauptgrund für das Schweigen mehrerer Angeklagter. Die Anklage wurde im Vorfeld medial zerzaust. Urteile sind bei einer derart komplexen Materie schwer zu finden. Die (früher hochgeachteten) Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik haben Anwälte an ihre Seite geholt, um ihre Rekursmöglichkeiten in Zürich und Lausanne auszuschöpfen. Aktionäre und Steuerzahler verloren mit der Swissair Milliarden. Endet die langwierige strafrechtliche Durchleuchtung ernüchternd, werden die Zweifel an der Kompetenz der Gerichte zunehmen. Spitz gefragt: Was haben Gesetze verhindert, und was bringt im Nachhinein die Justiz zustande? Dies interessiert umso mehr, als sich die pluralistischen Gesellschaften des Westens des Rechts bedienen, um bei Fehlentwicklungen Gegensteuer zu geben. Je zäher der Swissair-Strafprozess abläuft, je mehr es den Angeklagten gelingt, ihre Verantwortlichkeit einzugrenzen und Schuld von sich zu weisen, desto deutlicher wird das Versagen der Unternehmenskultur, in welcher Stolz, Prestigedenken und wohl auch Gier gediehen (während viele später entlassene Angestellte ihr Bestes gaben). Wie der weise Salomo vor bald 3000 Jahren formulierte, kommt „Hoffart vor dem Sturz und Hochmut vor dem Fall“ (Die Bibel, Sprüche, Kapitel 16, Vers 18). Um Hoffart und Hochmut Schranken zu setzen, genügen Gesetze nicht. Der Prozess zeigt, dass die Gesellschaft gut daran tut, alte Weisheit zu beherzigen. In der Neuzeit ermöglichte das von der Bibel inspirierte calvinistische Arbeitsethos Europa einen einzigartigen wirtschaftlichen Aufschwung. Wir müssen uns auf grundlegende Werte zurückbesinnen. Sonst steuert die Schweiz – und der ganze Westen – auf Groundings anderer Grössenordnung zu.
Datum: 24.01.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch