«Kirche ist Antwort auf soziale Fragen»
Die Gemeinde habe kein einziges Projekt gesucht, sagte Zwahlen der Zeitschrift idea Spektrum. «Alles, was wir anbieten, entstand aus einem Bedürfnis heraus oder aus der Vision einzelner Mitglieder. Der gelebte Glaube öffnet das Bewusstsein dafür, was Kirche bedeutet.» Zwahlen sieht «Kirche» als «Antwort auf die sozialen Fragen der Stadt.» Vor 30 Jahren, als er Christ geworden sei, hätten soziale Projekte nicht zum Bild der Freikirche gehört. Heute setzten sich Freikirchen vermehrt für Belange von Menschen am Ort ein.
Wie wird dies in Wetzikon gefördert? Die Leitung der Pfingstgemeinde, die sich beim Bahnhof der Zürcher Oberländer Stadt versammelt, lässt Ideen zu. «Kommt etwas von Gott, wird es wachsen, wenn nicht, geht es wieder ein.» Einige Ideen, welche von Einzelnen (Zwahlen nennt sie Visionäre) eingebracht wurden, seien zu langfristigen Projekten geworden. «Ich sehe meine Aufgabe als Pastor darin, die Visionäre zu begleiten und ihre Ideen freizusetzen, so dass daraus Leben entsteht. Als Pastor darf ich nicht nur bremsen und abblocken. Ich will Menschen und Projekte ermutigen und begleiten.»
Soziale Verantwortung – neue Perspektiven für Menschen
Die Freie Christengemeinde gibt Menschen, die im ersten Arbeitsmarkt keine Chance hätten, eine sinnvolle Beschäftigung. Ein Mann hatte lange Jahre Drogen genommen; er konnte in der sozial ausgerichteten Kantine der Gemeinde etwas dazuverdienen. Nach der Drogenreha habe er dank dem Sozialprojekt zurück in die Arbeitswelt gefunden. «Heute arbeitet er in einer Autogarage als Verkäufer.» Laut Zwahlen darf die Kirche «nicht alle sozialen Fragen und Nöte dem Staat abgeben». Allerdings sei die Kirche immer sozial: «In Wetzikon engagieren sich viele Christen im Quartierverein. Die Beziehungen in der Nachbarschaft sind genauso wichtig wie innerhalb der Kirche. Die Stadt lebt von Beziehungen, bei denen man sich verschenkt.»
Als Motivation bringen Christen ihre Erfahrung mit Gott mit: «Ich habe erlebt, wie ein heiliger, starker Gott sich über mir, einem sündigen Menschen, erbarmt hat. Wie kann ich mich da gegenüber denen verschliessen, die besondere Not haben?» Als Christ wolle er wie Jesus Christus handeln, sagte Zwahlen. «Mein Herz treibt mich dazu an. Was ich mit Gott erlebt habe, motiviert mich, mich für die Schwachen einzusetzen.»
Offensive und andere Wege
Der 50-jährige Pastor, der die Wetziker Pfingstgemeinde seit 20 Jahren leitet, fokussiert in seiner Verkündigung auf soziale Aufgaben. «Oft helfen Schulungen, Seminare oder bestimmte Themen im Rahmen einer Ausbildung zu wenig, eine Sicht nach aussen zu gewinnen. Eine Gemeinde wird durch die Verkündigung geprägt und durch die Gaben der einzelnen Dienste.» Evangelistische Strasseneinsätze seien nicht jedermanns Sache, konstatiert Zwahlen: «95 Prozent der Christen sind von Strasseneinsätzen nicht angesprochen, weil sie nicht ihrem Stil entsprechen. Nur zirka fünf Prozent haben die Gabe des offensiven Bekenntnisses.» In der Gemeinde mit 150 Leuten seien das sechs bis acht Personen, «und so viele nehmen jeweils an unseren Einsätzen teil.» Christen sollten, so Zwahlen, ihren persönlichen Evangelisationsstil erkennen und ihn in ihrem Umfeld leben. «Dort ergeben sich oft natürliche Kontakte zu Aussenstehenden.»
Mehr für die Bildung tun
In Schulen und für die Bildung sollten sich Kirchen stärker einsetzen, ist Friedhelm Zwahlen überzeugt. «Ich kann es nicht verstehen, dass die Kirche dem Staat die Bildung überlassen hat – in allen Bereichen vom Kindergarten bis zur Universität. Der Staat will uns heute sogar verbieten, als Christen in diesen Bereichen tätig zu sein!» Die Pädagogische Hochschule beklage sich über die vielen frommen Lehrer. «Ich plädiere dafür, dass die kirchliche Landschaft Bildung wieder zu einem zentralen Thema macht! Die Kirche war stark daran beteiligt, Bildung zu ermöglichen und zu verbreiten.»
Die Freie Christengemeinde Wetzikon wurde 1962 gegründet und zählt heute 126 Mitglieder und rund 50 Kinder. 150 Erwachsene besuchen den Gottesdienst regelmässig. Die Gemeinde ist Mitglied der Schweizerischen Pfingstmission (SPM). Von den Projekten sind namentlich die Kindernachmittage im Burger King Wetzikon bekannt geworden: Seilbahn, Wasserspiele, Schminken, Tipis, Mandeln brennen… Der Verein Nachbarschaftshilfe Wetzikon bietet unkomplizierte Hilfe für Bedürftige und vermittelt Dienstleistungen. Im Sommer soll in Wetzikon eine Filiale der Winterthurer Schulalternative Zürich (SalZH) starten.
Datum: 26.01.2013
Quelle: Livenet / idea Spektrum Schweiz