«Friede mit der Erde – Friede zwischen den Völkern»
Mit über 1000 Teilnehmenden aus aller Welt wird die Internationale ökumenische Friedenskonvokation (IöFK) vom 17.-25. Mai 2011 in Jamaicas Hauptstadt Kingston zur bisher grössten Friedenskonferenz des ÖRK. Die vier Bereiche, in denen sie die Kirchen motivieren will, sind: Friede in der Gemeinschaft, Friede mit der Erde, Friede in der Wirtschaft und Friede zwischen den Völkern. Laut Website soll die Konferenz «auf den Frieden Gottes als Geschenk und Auftrag der ganzen Oekumene hinweisen. Sie sucht die Friedenshaltung der Kirchen zu klären und zu stärken, Gelegenheiten zur Netzwerkbildung zu schaffen und unsere gemeinsame Verpflichtung zu Frieden und Versöhnung zu vertiefen.»
Aus Deutschland reisen über 100 Personen an, der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK entsendet zwölf Teilnehmende. Die Schweizer wollen in Kingston das vielfältige Engagement in der Friedensarbeit einbringen. «Ob Peacecamp, Open Air und Ostermarsch, ob Poetry Slam oder liturgischer Stationenweg: Die Schweizer Reformierten haben sich kreativ an der Dekade von 2001-2010 beteiligt», schreibt der SEK in einer Pressemitteilung. Erwähnt wird der Einsatz für Sans-Papiers, Suizidprävention und das ökumenische Friedensprogramm im Nahen Osten.
In konfliktreicher Zeit
Wie frühere Konferenzen des Weltkirchenrats wird auch die Konvokation in Jamaica von aktuellen Konflikten bewegt werden. ÖRK-Generalsekretär Olav Fykse Tveit verwies im Vorfeld auf die «bedeutenden politischen Paradigmenwechsel», die sich gegenwärtig ereigneten und meist mit Gewalt einhergingen. Am 10. Mai würdigte Tveit die Vereinbarung zwischen Fatah und Hamas für die Bildung einer gemeinsamen Regierung als «bedeutenden Meilenstein und Versprechen für eine palästinensische Einigung für dauerhaften und gerechten Frieden in der Region».
Arbeit für 2013
Ein «ökumenischer Aufruf zum gerechten Frieden» ist seit 2009 in Gesprächen zwischen dem ÖRK und seinen 349 Mitgliedskirchen erarbeitet worden. Die Teilnehmenden in Jamaica wollen den Entwurf in Seminaren diskutieren; geplant ist, dass der Aufruf 2013 durch die zehnte Vollversammlung des ÖRK in Südkorea im Konsens als Grundlagendokument angenommen wird..
Friede: Verheissung und Gegenwart
Der Aufruf betont den Willen, Frieden nicht auf Kosten von Gerechtigkeit anzustreben, nach der im Psalm ausgedrückten Hoffnung, «dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen». Die Unrechtserfahrungen von Millionen leidender Menschen werden Aussagen der Bibel vorangestellt. «In Leben und Lehre Jesu Christi, in seinem Tod und seiner Auferstehung erkennen wir, dass Friede sowohl Verheissung als auch Gegenwart ist – eine Hoffnung für die Zukunft und ein Geschenk hier und jetzt. Jesus lehrte uns, unsere Feinde zu lieben, für unsere Verfolger zu beten und keine tödlichen Waffen zu benutzen» (Art. 3,4). Von der durch Christus erwirkten Versöhnung ist allerdings nicht die Rede, bloss vom Dienst der Versöhnung, der Christen anvertraut ist (Art. 7).
Gewalt in der Bibel
Was wenn biblische Texte Gewalt in Zusammenhang mit dem «Willen Gottes» bringen? Laut dem Entwurf des ökumenischen Aufrufs haben aufgrund dieser Texte «Teile unserer christlichen Familie den Einsatz von Gewalt durch sich selbst und andere legitimiert und tun das auch weiterhin. Wir können solche Texte nicht mehr lesen, ohne die Aufmerksamkeit auf das Versagen der Menschen zu lenken, den göttlichen Ruf zum Frieden ernst zu nehmen» (Art. 6).
Den «Weg des gerechten Friedens» beschreiten
Die Kirche wird als «Ort des Friedensstiftens» bezeichnet. Der Aufruf, «die göttliche Gabe des Friedens in gegenwärtige Kontexte von Gewalt und Konflikt hinein zu bringen», spiegelt den im ÖRK seit langem gehegten Wunsch, der Weltgemeinschaft den Weg zu weisen. Die Verfasser laden «Menschen aller Weltanschauungen und religiösen Traditionen ein, sich auf das Ziel einzulassen und sich gemeinsam auf den Weg zu machen». Dieser «Weg des gerechten Friedens», auf den die Menschheit geführt werden soll, schliesst «soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Sicherheit für alle Menschen» ein. Er setzt voraus, dass «wir persönliche, strukturelle und Mediengewalt verhindern und abschaffen, einschliesslich der Gewalt gegen Menschen aufgrund von Rasse, Kaste, Geschlecht, sexueller Orientierung, Kultur oder Religion» (Art. 8).
22. Mai als Friedenssonntag
Ein 115-seitiges Begleitdokument gibt Einblick in die Vorarbeiten zur Konvokation. Der ÖRK hat den Sonntag, 22. Mai 2011, als Friedenssonntag ausgerufen und alle Mitgliedskirchen eingeladen, Friedensgottesdienste zu feiern und für den Frieden zu beten. Jamaikanische Jugendliche haben dazu ein Friedensgebet verfasst, das vom ÖRK in 20 Sprachen übersetzt wurde. Die Evangelische Kirche in Deutschland EKD hat zum Tag einen vollständigen Gottesdienstentwurf herausgegeben, mit Musikstücken aus sechs Jahrhunderten zum Thema Frieden.
Kommentar: Von der menschlichen Gesellschaft geträumt
Jede Vision eines umfassenden, gerechten Friedens hat etwas Utopisches, doch ohne diese Hoffnung möchten wir nicht leben. Von der wahrhaft menschlichen Gesellschaft, die sich nicht mehr zerfleischt, zu träumen, vom «Frieden mit der Erde» zu reden – wer wollte es den Kirchenvertretern und Theologen im ÖRK verdenken?
Tatsächlich ist Jesus der Fürst des Friedens. Der Apostel Paulus schreibt sogar: «Er ist unser Friede». Frieden hat Jesus gestiftet, indem er durch den Tod, den er am Kreuz erlitt, Menschen mit Gott versöhnte (Die Bibel, Epheserbrief, Kapitel 2, Verse 14+16). Diese Grundwahrheit, auf der die christliche Bewegung für den Frieden bauen kann, fehlt im Aufruf – das Kreuz ist da bloss das Ende von Jesu «Leben für die Gerechtigkeit».
Ebenso schweigt der Aufruf über die Versöhnung mit Gott als dem Werk von Jesus, das allem versöhnten Sein und versöhnenden Handeln von Kirchen und Menschen vorausgeht. Damit bleibt der Aufruf – der viele hohe Ziele in den Blick nimmt und Gutes vorschlägt – in den ausgefahrenen Geleisen der Theologie des Ökumenischen Rats der Kirchen. Nichts motiviert Menschen mehr als die Erfahrung, dass sie mit Gott versöhnt und in Christus neu gemacht sind.
Mehr zum Thema:
Materialien zur Internationalen ökumenischen Friedenskonvokation
Datum: 16.05.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch