Finanzielle Zukunft

Was Kirchen wirklich reich macht

Wie hell – oder düster – sieht die finanzielle Zukunft der Schweizer reformierten Kirchen aus? Zum ersten Mal trafen sich am Freitag Finanzverantwortliche, um diese Frage und den Umgang mit Vermögen und Geldanlagen zu besprechen. Es ging auch um den Reichtum, der nicht in Gold aufzuwiegen ist.
Der Aargauer Kirchenrat Hans Rösch
Die Stadtkirche von Aarau.
Der wirkliche Reichtum der Kirche sind engagierte Menschen: nach einem Gospelkonzert in Umiken.
Finanzverantwortliche und Kirchenleiter in Aarau.
Den wahren Reichtum sehen: Thomas Druyen.

An der Tagung im Bullingerhaus in Aarau, zu der die Aargauer Landeskirche eingeladen hatte, wurden drei zentrale Themen behandelt. In Arbeitsgruppen diskutierten die Finanzverantwortlichen fast aller reformierten Kirchen der Deutschschweiz über die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben in den nächsten 20 Jahren. Dabei zeigte sich, dass zwar mit einem leichten Rückgang der Mitgliederzahlen gerechnet wird, dies aber eher aufgrund der Alterung der Gesellschaft als wegen der Austritte, die durch Eintritte künftig eher aufgewogen werden könnten.

Mehr für Bedürftige tun

Hans Rösch, für die Finanzen verantwortlicher Kirchenrat der Aargauer Landeskirche, erwartet für den Aargau aufgrund spezieller Faktoren bis 2027 sogar einen leichten Zuwachs der Erträge aus den Kirchensteuern. Grössere Veränderungen sehen er und die anderen Finanzfachleute eher auf der Ausgabenseite. So erwarten sie zunehmende Aufgaben in der Diakonie, weil der Sozialstaat an seine Grenzen stossen wird und neue Gruppen von Bedürftigen und Notleidenden entstehen.

Hans Rösch, bis vor kurzem Geschäftsleitungsmitglied der BDO Visura, vermutet, dass die reformierte Kirche im Jahr 2027 keine eigenen Immobilien mehr besitzen wird. Alle Häuser würden von einer eigenen kirchlichen Immobiliengesellschaft verwaltet und von der Kirche für ihre Zwecke gemietet.

Freiwillige Mitgliederbeiträge – staatliche Beiträge

Dass die Perspektiven für die reformierten Kirchen sehr unterschiedlich aussehen, erklärt sich aus den äusserst unterschiedlichen Finanzierungs- und Rechtsformen in den Kantonen. Christian Straumann, Finanzchef des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, gab einen Überblick: Nur die drei Landeskirchen in den Kantonen Bern, Zürich und Waadt erhalten wesentliche Beiträge vom Staat. Die anderen sind weitgehend unabhängig. In den meisten Kantonen zahlen natürliche und juristische Personen Kirchensteuern, in Aargau, Appenzell-Ausserrhoden, Basel-Stadt und Schaffhausen hingegen nur natürliche Personen. Genf, Neuenburg und das Tessin kennen keine verpflichtenden Kirchensteuern sondern lediglich freiwillige Mitgliederbeiträge.

Im zweiten Teil der Tagung ging es um die Fragen, wie die Kirchen mit ihrem Vermögen und ihren Geldanlagen umgehen und welche neuen Finanzierungsmöglichkeiten sie erschliessen könnten. Urs Holliger stellte die Stiftung Ethos vor, die von Pensionskassen zur Prüfung der Nachhaltigkeit von Finanzanlagen geschaffen wurde, und trat für ethisch sorgfältig abgeklärte und nachhaltige Geldanlagen ein.

Kinder und mehr Lebensjahre als Reichtum sehen

Der Hauptreferent Prof. Dr. Thomas Druyen, Soziologe und Philosoph mit dem einzigen Lehrstuhl in Europa für vergleichende Vermögenskultur an der Sigmund-Freud-Universität Wien, ging auf Fragen der Vermögensethik ein. Er ermunterte die Kirchen, durch Stiftungen neue Finanzierungsmöglichkeiten zu entwickeln. Druyen hat in seinem Buch «Goldkinder – Die Welt des Vermögens» ein neues Verständnis von Vermögen entwickelt, das er bewusst von Reichtum, der nur mit Geld verbunden ist, unterscheidet.

Zu den wichtigsten «Vermögen» der Menschen im weiteren Sinn zählt er die Kinder, die verbesserte Gesundheit, das deutlich verlängerte Alter und die Möglichkeiten der Alten, wenn sie sich für die Gesellschaft einsetzen. Und als viertes und wichtigstes Vermögen: den Glaube. Denn er ist die stärkste Kraft des Menschen und hilft, viele Situationen im Leben besser zu bewältigen. Dieses Vermögen verpflichtet ihn oder sie, es auch für die Gesellschaft einzusetzen.

Kirchen sollen Stiftungen gründen

Den Kirchen kommt bei der Vermittlung dieser «Vermögensethik» und der ihr zugrunde liegenden Werte eine besondere Bedeutung zu. Den reformierten Kirchen bescheinigte Druyen in Aarau eine hervorragende Zukunftsfähigkeit, weil sie mit ihrer basisdemokratischen Struktur und finanziellen Transparenz und Glaubwürdigkeit viele dringende Fragen geklärt hätten.

Er riet den Kirchen, für diakonische und soziale Projekte und Aktivitäten Stiftungen zu gründen, die von Firmen und vermögenden Privatpersonen finanziell besser unterstützt werden könnten als die Kirchen selbst. Viele Unternehmen und Reiche sind an gemeinnützigen Projekten interessiert, die sie gerne finanzieren, wenn die Kirchen die Qualität und Seriosität dieser Projekte und die korrekte Verwendung der Gelder garantieren.

Triple A für Kirchen – wenn sie flexibel bleiben

Kann eine Kirche ein Triple-A Rating bekommen? Dies wurde Walter Berchtold, Geschäftsleitungsmitglied der Aargauer Kantonalbank, zum Abschluss der Tagung gefragt. Berchtold erläuterte die speziellen Bedingungen und Beobachtungen beim Rating von politischen Gemeinden, die oft hohe Schuldenlasten ausweisen. Den Landeskirchen, in deren Rechnungen er zur Vorbereitung Einsicht nehmen konnte, wies er ein überzeugtes AAA (Schuldner von höchster Bonität) zu.

Berchtold bemerkte aber auch, dass die Landeskirchen sich darauf nicht ausruhen dürften. Auf der Einnahmenseite müssten sie die Entwicklung der Mitgliederzahlen und auf der Aufwandsseite z.B. die Frage der Langfristigkeit ihrer finanziellen Verpflichtungen beachten: Wie flexibel können sie bei sinkenden Einnahmen finanzielle Beiträge an Dritte anpassen?

Zum Abschluss stellten die Aargauer Kirchenratspräsidentin Claudia Bandixen und Hans Rösch eine weitere Tagung in Aussicht. Die Fragen hätten nur angerissen können und müssten nun auf Deutschschweizer Ebene mit reformierten Finanzfachleuten intensiver bearbeitet werden.

Quelle: Reformierte Landeskirche Aargau, Bearbeitung Livenet

Datum: 13.11.2007

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