Nach den Berichten über den Sexskandal könne man nicht zur Tagesordnung übergehen, sagte der stellvertretende Konferenz-Vorsitzende Egon Kapellari in der Klagenfurter "Kleinen Zeitung". Nach Ulrich Küchl, dem Leiter des Seminars, ist am Dienstag auch sein Vize Wolfgang Rothe zurückgetreten. Pornografie und praktizierte Homosexualität dürften in keinem Seminar geduldet werden, so Kapellari. Wenn so etwas offenkundig werde, "darf ein Bischof dies nicht verharmlosen, sondern muss unverzüglich Massnahmen treffen". Damit spielte Kapellari offenbar auf den St. Pöltner Bischof Kurt Krenn an, der die Vorfälle als "Bubendummheit" und "blöde Geschichte" gewertet hatte. Der als reaktionär geltende 68-jährige St. Pöltner Diözesanbischof hat die ablehnende Haltung der katholischen Kirche zur Homosexualität bisher immer bekräftigt. Homosexuelles Verhalten sei ein Verstoss gegen die göttliche Schöpfungsordnung, betonte Krenn kurz nach seiner Einsetzung als Diözesanbischof. Gott habe den Menschen als Mann und Frau erschaffen, diese Ordnung gelte auch für Menschen mit homosexuellen Neigungen. Die Kirche müsse ein "ganz klares Nein zu jeder homosexuellen Tat" sagen. Nach einem Bericht des österreichischen Magazins "Profil" fanden Fahnder 40’000 pornografische Fotos in dem Seminar. Darunter Bilder, die sexuelle Akte von Vorgesetzten mit Seminaristen belegten. So zeige ein Bild, wie Seminar-Regens Ulrich Küchl, der Anfang Juli zurücktrat, einem Probanden ans Gemächte greife. Auf einem anderen Bild sei sein Stellvertreter Wolfgang Rothe mit einem Studenten beim Zungenkuss zu sehen. Zudem soll es Fotos geben, die Sex mit Kindern und mit Tieren zeigten. Auch in Österreich sind Bilder von Sex mit Kindern verboten, weil dahinter sexuelle Misshandlung anzunehmen sei. Rothe ist gemäss Medienberichten zurückgetreten. Das am Montag erschiene Nachrichtenmagazin "Profil" zitiert in dem Bericht über die Affäre einen "leitenden Ermittlungsbeamten": "Sie haben sich selbst fotografiert, weil auch das eine Art Lustgewinn war." In dem Artikel heisst es wörtlich: "Krenns Regens beim Sex mit Untergebenen, Krenns Sekretär und Rechtsberater ebenfalls. Polternde, bis in die Morgenstunden anhaltende Saufgelage durch Seminaristen im dritten Stock, die andere Priesteranwärter im Erdgeschoss zum Schlafen am Boden treiben, weil es zu laut ist. Angehende Priester, die sich mit kinderpornografischen Fotos in Stimmung bringen. Auch Naziparolen sollen zu hören gewesen sein." Zu Rücktrittsforderungen an Krenns Adresse wird dessen Sekretär Michael Dinhobl in der "Kleinen Zeitung" mit dem Satz zitiert: "Wir sind nicht in der Politik, wo man auf Zurufe hin reagiert." Dinhobl sieht Krenn ungerechtfertigt Beschuldigungen ausgesetzt: "Früher hat man ihn immer kritisiert, dass er so heftig gegen die Homosexualität aufgetreten ist, heute verdächtigt man ihn, diese in Schutz zu nehmen." Der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner bezeichnete Krenn als alkoholkrank und forderte ihn zum Rücktritt auf. Wenn Krenn nicht freiwillig gehe, müssten Bischofskonferenz und Rom handeln. Auch der Vorsitzende der österreichischen Seminare, Martin Walchhofer, zeigte sich erschüttert und sieht die Verantwortung bei Krenn. In St. Pölten tagte unterdessen am Montag das "Konsistorium", das oberste Beratungsgremium der Diözese. Es beschloss, die Affäre "diözesanintern" zu prüfen und zu klären, ob es überhaupt einen kirchenrechtlichen Strafrechtstatbestand gebe. Der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari betonte am Dienstag im ORF-Mittagsjournal zu den Vorgängen im St. Pöltner Priesterseminar: "Es muss dort nach den Regeln der Weltkirche, die für Seminare gelten, die Ordnung wieder hergestellt werden". Es müssten Standards wieder erreicht werden, "die sonst in Österreich üblich sind". In St. Pölten sei bei der Priesterausbildung ein "Sonderweg" eingeschlagen worden, dessen man sich "gerühmt", der sich "aber offensichtlich nicht bewährt" habe, wie Kapellari sagte. Die Einschätzung der Fotos von Sexspielen im Priesterseminar durch Krenn als "Bubendummheit" seien "nicht richtige Bewertungen". Die Sache sei schwer wiegend; sie könne „nicht auf diese Weise heruntergespielt werden". Der Schaden für das Ansehen der Kirche wird sich nach Einschätzung des Grazer Bischofs in Grenzen halten, wenn die Kirche ehrlich damit umgeht und Konsequenzen gezogen werden. Für den Priesterberuf ungeeignete Personen müssten "auf einen anderen Weg geschickt" werden, "und Personen, die dafür Verantwortung tragen, müssen andere Aufgaben bekommen". Ein Rücktritt Krenns als St. Pöltner Bischof ist laut Kapellari eine "Sache von ihm selber und von Rom". Ob er es begrüssen würde, wenn Krenn sein Amt zur Verfügung stellte, wollte Bischof Kapellari nicht kommentieren.
Belastendes Bildmaterial
Krenn lehnt Rücktritt ab
"Ordnung muss wiederhergestellt werden"
Schaden eingrenzen
Datum: 15.07.2004
Quelle: Kipa