Wenn selbst ein jüdischer Chirurg christliche Mission unterstützt
In Peseux oberhalb vom Neuenburger See wurde 1875 der nubische Muslim Mohammed Ali Hiseen auf den Namen Samuel getauft. Der Schweizer Missionar Lavanchy hatte den tief religiös veranlagten Pferdejungen in Kairo aufgelesen und ans Pädagogium des «Uhrwerkortes» im Jura gebracht. Der Genfer Unternehmer Theodor Necker ermöglichte ihm Weiterbildung in England und Beirut, wonach Samuel in seine Heimat zurückkehrte. Als 1900 im oberägyptischen Assuan die Sudan-Pionier-Mission entstand, stellte er sich als erster Evangelist zur Verfügung.
Auf der Jesus-Strasse
Am Nil führt ein alter Pilgerweg, die «Jesus-Strasse», auf den legendären Spuren der Kindheit Jesu in Ägypten bis Assuan tief nach Afrika hinauf. Diesem Weg folgten auch im 19. Jahrhundert evangelische Missionare. Ihre Vision war seine Weiterführung als «Apostelstrasse» der Verkündung Jesu vom Norden bis zur Südspitze des Kontinents. Dem stellte sich schon im Sudan der erste moderne «Islamische Staat» des sogenannten Mahdi in den Weg. Nach seiner Niederwerfung 1899 wurde der Plan einer Kette von Missionsstationen in Angriff genommen.
Samuel Hiseen und die Missionspioniere
1900 gründeten in Assuan an der ägyptisch-sudanesischen Grenze Pfarrer Theodor Ziemendorff aus Wiesbaden, der dort einen «Basler-Missions-Verein» gegründet hatte, der irische Evangelist Henry Grattan Guinness und sein deutscher Schwiegersohn, Hermann Karl Wilhelm Kumm, die Sudan-Pionier-Mission (SPM). Samuel Hiseen wurde ihr erster Apostel unter den Nubiern, einem frühen christlichen, doch später islamisierten Volk.
Mit dem seit 1990 neuen Namen «Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten» (EMO) ist die SPM eben 120 Jahre alt geworden bzw. jung geblieben. Sie ist eines der kleinen, aber umso erfolgreicheren freikirchlichen Missionswerke. Das Geheimnis ihrer Erfolge liegt in der Verbindung missionsärztlicher Nachfolge des heilenden Jesus mit beispielhaftem christlichen Leben – besonders ihrer so genannten Bibelfrauen – inmitten der armen Muslimbauern des nubischen Niltals. Haupthindernis dabei waren immer wieder Dammbauten, die ihre Kliniken und Kirchen unter Wasser setzten und einen Neuanfang in höherer Lage erzwangen: so gleich 1902, dann wieder 1933 und schliesslich der «Grosse», 1971 vollendete Assuan-Stausee.
Christliches Zeugnis als Kampf gegen Bilharziose
In mehreren Spitälern und Ambulatorien wandten sich deutsche und bald auch schweizerische Ärzte und vor allem Ärztinnen der Behandlung der in Oberägypten grassierenden Augenleiden zu. Ebenso dem Befall mit Würmern, die den ganzen Organismus zerstören (Billharziose). Sie ist in Ägypten eine Volkskrankheit, vergleichbar nur mit dem Aussatz in den Tagen Jesu. Ihre Behandlung kommt einem zutiefst christlichen Werk gleich. Wie aus dem Bericht der SPM für 1952 hervorgeht, haben in diesem Jahr 90'000 Kranke durch eine unentgeltliche medizinische Hilfe «die Nachricht vom Heil Jesu» gehört.
Eine unerwartete Folge des Feldzuges von Rommel
In ganz Nubien unvergessen ist durch ihr dreissigjähriges unermüdliches Wirken die deutsche Ärztin Elisabeth Herzfeld. Einen Unterbruch gab es nur 1939, als sie wegen des Weltkriegs – obwohl teils jüdischer Herkunft! – aus dem britisch beherrschten Ägypten nach Deutschland zurückgeschickt wurde. Als der deutsche «Wüstenfuchs» Rommel 1942 aus Libyen Richtung Nil vorstiess, brachte das dem unter englischer Leitung weitergeführten Missionsspital «Al-Germaniya» unerwarteten Nachschub. Denn in Ägypten hatten nach Hitlers Machtergreifung verfolgte deutsche Juden Aufnahme gefunden.
Unter ihnen namhafte Ärzte wie der Berliner Chirurg Ludwig Levy Lenz. In seiner Kairoer Praxis wurde er unter dem Wert ein gesuchter Schönheitsoperateur von Damen der oberen Gesellschaft. Als sich die Panzer Rommels den Pyramiden näherten, verliess er dort fluchtartig seine Villa und rettete sich nilaufwärts nach Assuan. Dort stellte er seine Kunst dem Missionsspital bei schwierigen, lebensrettenden Operationen zur Verfügung. Da war er endlich wieder am richtigen Platz. Wie Lenz in seinen 1950 erschienen Memoiren «Diskretes und Indiskretes» bestätigt, brachte ihm die Zeit in Assuan tiefe Erfüllung.
Theologische Beiträge aus lebendiger Missionsdiakonie
Dass er im Missionsspital von Assuan Menschen im Dienst Jesu rettete, war für den gläubigen Juden Lenz kein Problem. Das Schrifttum im Schwesternhaus beantwortete ihm tiefe jüdisch-christliche Fragen. Ein ganz wichtiger Beitrag des EMO, um den Muslimen Jesus zu bringen, sind seine aus lebendiger Missionsdiakonie geborenen theologischen Beiträge wie «Auftrag und Wege einer Mohammedanermission» oder «Toleranz und Absolutheitsanspruch». Heute tritt mit seinen Publikationen Eberhard Troeger hervor, der in Assuan von 1966 bis 1975 tätig war.
Die Nubienmission ist weiterhin in Assuan und Umgebung tätig. Der Sitz des Missionswerkes EMO (früher SPM) ist in Wiesbaden.
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EMO Wiesbaden
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Datum: 31.10.2020
Autor: Heinz Gstrein / Fritz Imhof
Quelle: Livenet