Prominente deutsche Juden kritisieren Führungsanspruch Israels

Synagoge in Hamburg
Jerusalem im Winterkleid

Prominente deutsche Juden haben den Staat Israel zu mehr Verständnis für Juden in anderen Ländern aufgefordert. Deutsche Juden etwa würden in Israel weder als gleichberechtigte Partner wahrgenommen, noch zuweilen in ihrer Existenz überhaupt beachtet, sagte die Vizepräsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, am 17. November in Berlin bei einer Diskussionsveranstaltung.

Israel sollte deutschen Juden «auf gleicher Augenhöhe» begegnen, forderte Knobloch, die auch Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses ist. Zugleich warb sie gegenüber dem israelischen Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, um Verständnis dafür, dass sich viele Juden aus der ehemaligen Sowjetunion für eine Übersiedlung nach Deutschland entscheiden. Dies bereichere die Gemeinden hier zu Lande. Auch Israel profitiere von einer wachsenden Diaspora.

„Heimstatt aller Juden“

Stein bekräftigte den Anspruch seines Landes auf eine «Führungsrolle» innerhalb der jüdischen Gemeinschaft und auf eine Zuwanderung möglichst vieler Juden nach Israel. «Solange sich der Staat, den ich vertrete, als Heimstatt aller Juden versteht, solange können wir uns vorstellen, dass sich dort erst recht Juden aus Deutschland niederlassen.» Stein forderte indirekt die hiesigen Gemeinden auf, ihr Selbstverständnis zu klären, und stellte in Frage, inwieweit ein «jüdisches Leben» in Deutschland möglich ist.

Grössere Distanz gefordert

«Jeder Jude muss selbst entscheiden dürfen, wohin er zieht», widersprach der Publizist Micha Brumlik einem derartigen «Hegemonieanspruch» Israels. Ohne Zentralrats-Präsident Paul Spiegel namentlich zu erwähnen, forderte Brumlik zudem den Dachverband auf, bei politischen Stellungnahmen eine grössere Distanz gegenüber Israel zu wahren. Angesichts der «reizbaren Aufmerksamkeit» in Deutschland für den Nahost-Konflikt wäre eine «eigenständige Haltung» sinnvoll, sagte der langjährige Direktor des Frankfurter Fritz-Bauer-Instituts für Holocaustforschung.

Bei aller Grundsolidarität mit Israel müsse die Spitze des Dachverbandes «nicht immer das verbreiten, was die jeweilige israelische Regierung gerade denkt», so Brumlik, der sich selbst als «liberaler» Jude bezeichnet. Er appellierte zugleich an die jüdischen Einrichtungen in Deutschland, sich nicht mehr abzuschotten. An dieser Haltung seien bislang sowohl eine konfessionsübergreifende Jugendarbeit wie auch gemeinsame Reisen mit nicht-jüdischen Deutschen nach Israel gescheitert.

Datum: 01.12.2005
Quelle: Epd

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