China beendet offiziell Ein-Kind-Politik
Die Ankündigung kam nach einer viertägigen Klausurtagung der Kommunistischen Partei in Peking, an der unter anderem der nächste Fünfjahresplan für die Entwicklung des Landes diskutiert wurde. In ihrer Bekanntmachung der scharfen Kehrtwende in der Familienplanungspolitik gab die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bisher keine Details preis.
Harter Wettbewerb erschwert Kindererziehung
Die offizielle Ein-Kind-Politik hatte in letzter Zeit bereits einige Lockerungen erfahren. Im Jahre 2012 war die arbeitsfähige Bevölkerung Chinas zum ersten Mal geschrumpft. Daraufhin waren seit dem Jahr 2013 zwei Kinder erlaubt, wenn einer der beiden Partner ein Einzelkind war. Aber viele Paare nahmen die Möglichkeit nicht wahr, ein zweites Kind zu haben; als Gründe wurden finanzielle Probleme, aber auch der Druck genannt, in einer harte Wettbewerbsgesellschaft Kinder zu erziehen.
Bis Mitte dieses Jahres hatten nur 1,45 Millionen Paare einen Antrag auf ein zweites Kind gestellt, was nur 12% der möglichen Kandidaten darstellte. Das hatte Politiker und Demographen enttäuscht, die eine wesentlich stärkere Reaktion erwartet hatten.
Mu Guangzong, Professor für Demographie an der Universität Peking, erklärte das in einem Telefoninterview: «Ich glaube nicht, dass viele Paare reagieren werden, denn der wirtschaftliche Druck, Kinder aufzuziehen, ist in China sehr hoch. Die Geburtenrate ist niedrig, und unsere Bevölkerung altert schnell, darum ist es politisch gesehen eine gute Sache und kann den Rückgang der arbeitsfähigen Bevölkerung in der Zukunft bekämpfen. Aber viele Eltern sind wirtschaftlich einfach nicht in der Lage, mehr Kinder aufzuziehen.» Viele Paare sehen sich unter einer kulturellen Norm, nach der ein Ehemann seiner Frau eine Wohnung, ein Auto und weiteren materiellen Besitz bieten muss, was junge Familien oft bereits tief in Schulden treibt, bevor überhaupt noch ein Kind da ist.
Politik mit schlimmen Folgen
Die Ein-Kind-Politik wurde in den späten siebziger Jahren formuliert, als Deng Xiaoping und andere politische Führer befürchteten, dass die wachsende Bevölkerung Chinas eine Bedrohung für das wirtschaftliche Wachstum des Landes sei. Die Einschränkungen wurden vor allem in Städten durchgesetzt, auf dem Land hatten viele Familien weiterhin zwei oder mehr Kinder. Auch ethnische Minderheiten wurden von der Regelung ausgeschlossen.
Aufs Ganze gesehen hatte die Politik dramatische negative Folgen. Da Familien vor allem Söhne wollten, wurden zu wenige Mädchen geboren. Paare, die mehr als ein Kind hatten, wurden von offizieller Seite teilweise hart bestraft. Vielfach kam es auch zu erzwungenen Abtreibungen oder Sterilisationen. All diese Folgen hatten in den letzten Jahren zu zunehmender Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegen die staatlich verordnete Geburtenkontrolle geführt.
Der bevölkerungsreichste Staat der Erde zählt inzwischen knapp 1,4 Milliarden Menschen.
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Datum: 30.10.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / New York Times