Wiener Dialogzentrum

Der göttliche Auftrag von Rabbi Pinchas Goldschmidt

In Wien wurde am Montag ein interreligiös-interkulturelles Dialogzentrum eröffnet. Hier reden sogar Juden und Muslime wieder miteinander. Und der saudische Aussenminister drückt dem Rabbi die Hand.
Rabbi Pinchas Goldschmidt

Zum Festakt in der Hofburg fand sich viel Prominenz ein, vom UN-Generalsekretär bis zu Kardinälen und dem Ökumenischen Patriarchen der Orthodoxie, Bartholomaios I. von Konstantinopel. Evangelische Christen fehlten fast völlig, umso stärker war die Präsenz der Anglikaner. Sie begründeten die Beteiligung am Projekt mit ihrer «Branch-Theologie». Dieser zufolge stellen auch die nichtchristlichen Religionen «Strahlen» des Lichts der einen Wahrheit dar.

Nur ein Feigenblatt?

Inzwischen schlagen die Wellen des Für und Wider extrem hoch. Es gab Gegendemonstrationen von Grünen, Homosexuellen und «Liberalen Muslimen». Grund dafür ist die starke Einbindung Saudi-Arabiens. Dort sind Religionsfreiheit, Menschen- und Frauenrechte wahrlich kein Ruhmesblatt. Nun vermuten Kritiker des Zentrums, dass es dabei nur um ein Feigenblatt für die saudischen Islam-Puritaner geht.

Muslime und Juden

So einfach liegen die Dinge aber nicht. Allein schon die Tatsache, dass fortan in einem Wiener Ring-Strassen-Palais aus der Gründerzeit Muslime mit Juden zusammensitzen, ist die ganze Neugründung wert. Denn sonst bekämpfen sich Menschen beider Religionen bis auf Blut.

Rabbi Pinchas Goldschmidt aus Moskau bezeichnete es als göttlichen Auftrag an die nachbiblischen Juden, in ihrer Zerstreuung als Minderheiten unter Andersgläubigen zu leben und mit ihnen Dialog zu führen, gerade mit den Muslimen. Als Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz weiss Goldschmidt eben, dass es einzig die islamische Welt war, die den spanischen Juden nach ihrer Vertreibung zwischen Tunis und Bagdad Zuflucht bot.

Späte Wiedergutmachung

Die Gründung des Wiener Dialogzentrums durch Spanien – zusammen mit Saudi-Arabien und Österreich – ist als späte Wiedergutmachung des alten Unrechts zu verstehen. Ergreifend war die Szene, als der saudische Aussenminister Prinz Feisal trotz seiner schweren Behinderung spontan aufstand und Rabbi Goldschmidt bewegt die Hand drückte.

Patriarch Bartholomaios erinnerte zum Abschluss daran, dass Gottes Reich kein Reich von dieser Welt ist. In der Welt gehören aber gegenseitige Achtung und Geschwisterlichkeit zu seinen Erkennungszeichen. Gottes Reich kennt weder Zwang noch Unterdrückung und Gewalt: «Jeder Krieg im Namen der Religion ist daher ein Krieg gegen die Religion! Das soll der Geist dieses Dialogzentrums sein. Dann ist der heutige Tag wirklich ein grosser Aufbruch.» 

Datum: 27.11.2012
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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